Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Schmidt, Hans-Joachim: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft - Institutionalität
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0200
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kommentar zur Sektion
Individuum und Gemeinschaft –
Institutionalität
Hans-Joachim Schmidt
Keine andere Lebensform als das monastische Gemeinschaftsleben strebte nach einer
so streng ausgeübten Disziplin und nach einer so rigiden Befolgung von Regeln
und von Anweisungen. Der gesamte Tagesablauf, die Abfolge von Gebet, Meditation,
Arbeit und Gespräch, von Essen und Fasten, von Wachen und Ruhen, war
minutiös reglementiert – in zeitliche Abschnitte aufgeteilt, von vorgeschriebenen
Gesten geprägt, in feststehende Worte eingefasst. Schriftliche Texte, von Gründergestalten
verfasst oder auf sie sich berufend, sollten die Einheitlichkeit der Praxis
über die Unterschiede von Zeiten und Räumen hinweg garantieren. Der Einzelne
war einer totalen Institution unterworfen. Die Reglementierung und Normierung
war erstaunlich, bestand doch das Christentum – anders als Judentum und Islam ¹ –
nicht auf einem rigiden Bestand von Geboten und Verboten, die das Alltagsleben
festlegten. Es fehlten Speisevorschriften, Fastengebote, Pflichten zu Pilgerfahrten,
Anweisungen zum Tagesablauf, festgelegte Zeiten des Gebets, Quantifizierungen
der Mildtätigkeit. Das ethische Ideal der Nächstenliebe war anspruchsvoll, beruhte
aber nicht auf einer Katalogisierung von Pflichten. Das Neue Testament berichtet
vom Widerwillen Jesu, Regeln zu oktroyieren und zu akzeptieren. Gebote zu
befolgen kann durchaus dazu führen, den Willen Gottes zu missachten (Matt. 15,
1–9; Mark. 7, 1–13). Im Römerbrief war den Christen die Befreiung vom Gesetz
versprochen; so wie die Ehegattin nach dem Tod ihres Mannes der Pflichten gegen
ihn enthoben sei, so nun die Christen nach dem Kreuzestod Jesu nicht mehr an gesetzliche
Regeln gebunden seien (Röm. 7, 1– 6). Diente die rigide Verhaltensnormierung
in den Klöstern dazu, die mangelnde Lebensregulierung im Neuen Testament
zu kompensieren?
1 Joseph Schacht, An Introduction to the Islamic Law, Oxford 1964; Hans-Jochen Boecker, Recht und
Gesetz im Alten Testament und im Alten Orient, 2. Aufl. Neukirchen-Vlujn 1984.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften