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Heeßel, Nils P.; Maul, Stefan M. [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 1): Divinatorische Texte: I. Terrestrische, teratologische, physiognomische und oneiromantische Omina — Wiesbaden: Harrassowitz, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.32126#0010
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Vorwort des Herausgebers

In den Ruinen Assurs, der im Nordirak am Tigris gelegenen assy-
rischen Hauptstadt und Königsresidenz, wurden bei den
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft zwischen 1903
und 1914 1 etwa 11000 Tontafeln und Tontafelfragmente 1 2 sowie
mehr als 5000 beschriftete Objekte 3 geborgen. Der weitaus größ-
te Teil dieses Textbestandes wird heute im Vorderasiatischen
Museum zu Berlin und in den Archäologischen Museen zu
Istanbul aufbewahrt. Nur kleinere Bestände gelangten in andere
Museen und Sammlungen der Welt.

Neben zum Teil sehr umfangreichen Archiven, in denen sich
keilschriftliche Dokumente der assyrischen Tempel-, Palast-,
Provinz- und Reichsverwaltung sowie Zeugnisse privatwirt-
schaftlicher Aktivitäten erhalten haben, wurden in Assur in
großem Umfang ‘literarische’ 4 Keilschrifttexte aus mittel- und
neuassyrischer Zeit (ca. 1500 v. Chr. - 614 v. Chr.) entdeckt.
Unter den insgesamt etwa 4500 Tontafeln und Tontafel-
fragmenten Titerarischen’ Inhalts finden sich narrative Texte wie
Mythen, Epen und Fabeln, historische und religiöse Texte viel-
fältiger Art, sowie zahlreiche Texte aus der Gelehrtentradition
des Alten Orients.

Hunderte der aus zwei Jahrtausenden stammenden
Keilschrifttexte ‘literarischen’ Inhalts wurden als Ober-
flächenfunde oder in Suchgräben geborgen, so daß ein größerer
Fundzusammenhang nicht rekonstruiert werden kann. Andere
sog. literarische Texte fanden sich in großer Zahl in den Ruinen
des zentralen Heiligtums, des Assur-Tempels. Sie stellen die
Reste einer Tempelbibliothek mit Beständen aus mittel- und
neuassyrischer Zeit dar, zu denen vor allem divinatorische
Handbücher, medizinische Traktate, Beschreibungen von

1 Der Ausgräber Walter Andrae hat die Ergebnisse seiner Forschungen in: Das
wiedererstandene Assur, Leipzig 1938 zusammengefaßt (vgl. auch die
“Zweite, durchgesehene und erweiterte Auflage herausgegeben von Barthel
Hrouda”, München 1977). Zu neueren Forschungen und Ausgrabungen in
Assur vgl. den einführenden Überblick in: J. Marzahn, B. Salje (Hrsg.),
Wiedererstehendes Assur. 100 Jahre deutsche Ausgrabungen in Assyrien,
Mainz 2003.

2 Einen Überblick über die aus Assur stammenden Tontafeln gibt O. Pedersen,
in: Archives and Libraries in the City of Assur. A Survey of the Material
from the German Excavations, Part I, Uppsala 1985, Part II, Uppsala 1986
(Acta Universitatis Upsalensis, Studia Semitica Upsaliensia 6 und 8).

3 Dieses Material wird erschlossen durch: O. Pedersen, Katalog der beschrif-
teten Objekte aus Assur. Die Schriftträger mit Ausnahme der Tontafeln und
ähnlicher Archivtexte, ADOG 23, Saarbrücken 1997.

4 Hier ist der Einfachheit halber eine im Fache übliche, wenngleich nicht sehr

glückliche Bezeichnung übernommen, derzufolge das gesamte Corpus der

narrativen, religiösen und gelehrten Keilschrifttexte als ‘literarisch’ bezeich-

net wird.

Heilverfahren und apotropäischen Ritualen zählen, aber auch
Königsinschriften und historische Epen, Erlasse und
Stiftungsurkunden sowie Niederschriften von Rechtsbüchern,
Mythen, Fabeln und vieles andere mehr. 5 Unter den
Tontafelsammlungen mit ‘literarischen’ Texten, die aus
Privathäusern stammen 6, ist die Bibliothek eines Gelehrten aus
dem 7. Jh. v. Chr. die bedeutendste. 7 * Dem hochgestellten Mann
namens Kisir-Assur, dem ‘Beschwörer’ (äsipit) des Assur-
Tempels, der die Bibliothek im wesentlichen aufgebaut hatte,
kam die wichtige Aufgabe zu, den assyrischen König, wenn er in
Assur weilte, zu beraten und jegliches Übel mit divinatorischen,
rituellen, magischen und medizinischen Mitteln von ihm fernzu-
halten. Darüber hinaus lag es in seiner Verantwortung, dafür zu
sorgen, daß der König durch korrektes rituelles Verhalten die
Gunst der Götter bewahrte oder ggf. wiedererlangte. Auf mehr
als 1000 Tontafeln, die heute in kleine und kleinste Fragmente
zerbrochen sind und wieder zusammengefügt werden müssen,
hatten Kisir-Assur und seine Mitarbeiter die hierfür notwendige
Fachliteratur zusammengetragen. 8

Die noch während der Ausgrabungen in Assur in Gang
gebrachte Veröffentlichung ‘literarischer’ Keilschrifttexte durch
Leopold Messerschmidt 9, Otto Schroeder 10, Erich Ebeling 11,
Emst Weidner 12 u.a. hat die Altorientalistik nachhaltig beein-
flußt. Sie kam durch den 2. Weltkrieg weitgehend zum Erliegen.
Die in den 50er Jahren des 20. Jh. 13 erneut aufblühende
Editionstätigkeit fand durch den Tod Ebelings (1955) und den
Berliner Mauerbau ein Ende. Lediglich die in Assur entdeckten

^ Zu dieser Bibliothek vgl. O. Pedersen, ALA I, 31-42 (M2) und ALA II, 12-
28 (Nl).

6 Hierzu siehe O. Pedersen, ALA passim.

I Vgl. O. Pedersen, ALA II, 41 -76 (N4).

8 Hierzu vgl. S. M. Maul, “Wie die Bibliothek eines assyrischen Gelehrten
wiederersteht”, in: J. Marzahn, B. Salje (Hrsg.), Wiedererstehendes Assur.
100 Jahre deutsche Ausgrabungen in Assyrien, Mainz 2003, 175-182.

9 L. Messerschmidt, Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts Bd. I,
WVDOG 16, Leipzig 1911.

10 O. Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts Bd. II,
WVDOG 37, Leipzig 1922.

II E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts Bd. I, WVDOG 28,
Leipzig (1915-) 1919; ders., Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts Bd.
II, WVDOG 34, Leipzig (1920-)1923.

12 Passim in dem von E. Weidner herausgegebenen Archiv fiir
Orientforschung.

13 E. Ebeling, F. Köcher, Literarische Keilschrifitexte aus Assur, Berlin 1953.

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