Was die vberig
Erbsünd in den
new gebornen
40
zweite verteidigungsschrift (1543)
mache die Concupiscentiam ¹ , das ist die lust nach dem Tauff, ein sünde oder
vngerechtigkeyt Vnd streyte, das den getaufften von nöten seye eyner stetigen
reuwe vnd verzeyhung dieser sünden. Bekenne nicht, das die Erbsünd im
Tauff eynmal ² werde hingenomen ³ , Halte es mit dem Luther ⁴ , das die rew
vnd ein zerschlagen ⁵ hertz ⁶ vor der gnaden, die vns Got angeneme machet, 5
den menschen meer zumsünder mache, Jtem, das war rew vnd leidt der sün-
den auß warem glauben vnd liebe Gottes komme. Diß sind dieser Deputaten
vrsachen, auß denen sie so ein geschwind ⁷ vrtheyl wider mich gefellet haben.
Wie wol nun die C. Deputaten die jetz vermelten ⁸ reden, die sie zur vrsachen
jres vrtheils einfüren, in meinem büchlein nit gelesen, jedoch so halte 10
ich den sinn dieser reden für war, wa man den recht verstaht, habe den auch
| ijb/Aijb | in anderen büchern geschriben vnd verteydiget ⁹ , Nemlich in diesem
verstandt, das der böse gelust vnd die widerspenstigkeit gegen den Götlichen
gesetz ¹⁰ , welche S. Paulus heisset ein gesetz der sünden ¹¹ vnd sünde, die in den
getaufften vnd new gebornen, wie er ware, wohnet, so lang sie hie leben, war- 15
lich ein vngerechtigkeit vnnd sünde ist, vmb deren willen wir ewiglich verdammet
sein musten, wann vns der Herre Christus nit erworben hette, das sie
vns nit zu gerechnet würdt, Darumb sie vns auch billich reuwen solle all vnser
leben lang vnd die verzeyhung der selbigen in Christo, vnserem Herren durch
waren glauben ergreiffen, vnß deren getrosten vnd jme darumb ewigen danck 20
sagen. Dann der Tauff diß widerstreben gegen dem gutten gesetz Gottes ja
nicht von vns hinnimmet, das es nit in vns seye, wie der H. Augustinus ¹² so
offt sagt ¹³ , sonder bringet, das es vns nit zu gerechnet werde.
1. Begierlichkeit, heftiges Verlangen. Vgl. Altenstaig/Tytz, Lexicon, S.167f.
2. ganz, auf einmal.
3. Vgl. Röm 6,1–23.
4. In Betracht kommt hier die folgende Stelle: in der Predigt vom 11. April 1531 über Lk
24,36–47 (Luther, WA, Bd. 34I, S. 301–310, hier S. 303,16f.; vgl. Kaspar Crucigers Sommerpostille,
Luther, WA, Bd. 21, S. 251,25–38). Ferner kommen die folgenden Stellen in Betracht:
»Wider die Bulle des Endchrists«, 1520 (Luther, WA, Bd. 6, S. 625,7), »Grund und
Ursach aller Artikel ...«, 1521 (Luther, WA, Bd. 7, S. 359,3) und »Ein Gegenurteil Doktor
Luthers«, 1521 (Luther, WA, Bd. 8, S. 276,27; S. 277,15). Wir danken Herrn Prof. Ulrich
Köpf (Luther-Register, Tübingen) für seine Unterstützung.
5. demütiges. Grimm 31 (= XV), Sp.759.
6. Vgl. Ps 51,19.
7. listiges, tückisches. Götze, S.104.
8. berichteten, genannten.
9. Bucer meint hier wohl in erster Linie seine im Auftrag Hermanns von Wied verfaßte
Reformationsordnung für das Erzstift Köln: »Von Gottes genaden vnsers Hermans Ertzbischoffs
zu Cöln ... einfaltigs bedencken ...«, Bonn: Laurentius von der Mülen, 1543, Bl.
xva-xvia. Bibliographische Beschreibung und Edition BDS 11,2, S. 147–432, hier S. 192–
194.
10. Gesetzen.
11. Vgl. Röm 7,23.25; Röm 8,2.
12. Aurelius Augustinus (354–430), der größte lateinische Kirchenvater. RGG ³ 1,
Sp.738–748; LThK ² 1, Sp.1094–1101; TRE 4, S.646–698.
13. Augustinus, Contra duas epistolas Pelagianorum ad Bonifacium III,3,5. PL 44,
Sp.590f.; CSEL 60, S.490f., hier v.a. S.491,7–26.
Erbsünd in den
new gebornen
40
zweite verteidigungsschrift (1543)
mache die Concupiscentiam ¹ , das ist die lust nach dem Tauff, ein sünde oder
vngerechtigkeyt Vnd streyte, das den getaufften von nöten seye eyner stetigen
reuwe vnd verzeyhung dieser sünden. Bekenne nicht, das die Erbsünd im
Tauff eynmal ² werde hingenomen ³ , Halte es mit dem Luther ⁴ , das die rew
vnd ein zerschlagen ⁵ hertz ⁶ vor der gnaden, die vns Got angeneme machet, 5
den menschen meer zumsünder mache, Jtem, das war rew vnd leidt der sün-
den auß warem glauben vnd liebe Gottes komme. Diß sind dieser Deputaten
vrsachen, auß denen sie so ein geschwind ⁷ vrtheyl wider mich gefellet haben.
Wie wol nun die C. Deputaten die jetz vermelten ⁸ reden, die sie zur vrsachen
jres vrtheils einfüren, in meinem büchlein nit gelesen, jedoch so halte 10
ich den sinn dieser reden für war, wa man den recht verstaht, habe den auch
| ijb/Aijb | in anderen büchern geschriben vnd verteydiget ⁹ , Nemlich in diesem
verstandt, das der böse gelust vnd die widerspenstigkeit gegen den Götlichen
gesetz ¹⁰ , welche S. Paulus heisset ein gesetz der sünden ¹¹ vnd sünde, die in den
getaufften vnd new gebornen, wie er ware, wohnet, so lang sie hie leben, war- 15
lich ein vngerechtigkeit vnnd sünde ist, vmb deren willen wir ewiglich verdammet
sein musten, wann vns der Herre Christus nit erworben hette, das sie
vns nit zu gerechnet würdt, Darumb sie vns auch billich reuwen solle all vnser
leben lang vnd die verzeyhung der selbigen in Christo, vnserem Herren durch
waren glauben ergreiffen, vnß deren getrosten vnd jme darumb ewigen danck 20
sagen. Dann der Tauff diß widerstreben gegen dem gutten gesetz Gottes ja
nicht von vns hinnimmet, das es nit in vns seye, wie der H. Augustinus ¹² so
offt sagt ¹³ , sonder bringet, das es vns nit zu gerechnet werde.
1. Begierlichkeit, heftiges Verlangen. Vgl. Altenstaig/Tytz, Lexicon, S.167f.
2. ganz, auf einmal.
3. Vgl. Röm 6,1–23.
4. In Betracht kommt hier die folgende Stelle: in der Predigt vom 11. April 1531 über Lk
24,36–47 (Luther, WA, Bd. 34I, S. 301–310, hier S. 303,16f.; vgl. Kaspar Crucigers Sommerpostille,
Luther, WA, Bd. 21, S. 251,25–38). Ferner kommen die folgenden Stellen in Betracht:
»Wider die Bulle des Endchrists«, 1520 (Luther, WA, Bd. 6, S. 625,7), »Grund und
Ursach aller Artikel ...«, 1521 (Luther, WA, Bd. 7, S. 359,3) und »Ein Gegenurteil Doktor
Luthers«, 1521 (Luther, WA, Bd. 8, S. 276,27; S. 277,15). Wir danken Herrn Prof. Ulrich
Köpf (Luther-Register, Tübingen) für seine Unterstützung.
5. demütiges. Grimm 31 (= XV), Sp.759.
6. Vgl. Ps 51,19.
7. listiges, tückisches. Götze, S.104.
8. berichteten, genannten.
9. Bucer meint hier wohl in erster Linie seine im Auftrag Hermanns von Wied verfaßte
Reformationsordnung für das Erzstift Köln: »Von Gottes genaden vnsers Hermans Ertzbischoffs
zu Cöln ... einfaltigs bedencken ...«, Bonn: Laurentius von der Mülen, 1543, Bl.
xva-xvia. Bibliographische Beschreibung und Edition BDS 11,2, S. 147–432, hier S. 192–
194.
10. Gesetzen.
11. Vgl. Röm 7,23.25; Röm 8,2.
12. Aurelius Augustinus (354–430), der größte lateinische Kirchenvater. RGG ³ 1,
Sp.738–748; LThK ² 1, Sp.1094–1101; TRE 4, S.646–698.
13. Augustinus, Contra duas epistolas Pelagianorum ad Bonifacium III,3,5. PL 44,
Sp.590f.; CSEL 60, S.490f., hier v.a. S.491,7–26.