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402 7- WIDER VFFRICHTUNG DER MESSEN, ANDERER SACRAMENTEN
VND CEREMONIEN
Damit dan die leut nit ein mal aus dem todschlaff der so grewlichen
onachtsamkeit gegen dem waren Christenthumb erwachen, die augen auff-
thugen vnd aus der heiligen Schrifft, den heiligen Canonibus, der liben Vat-
ter schrifften, aus keiserlichen gesetzen, ja auch natürlicher vernunfft vnd
erbarkeit dise grewlichste grewel ettwas erkennen, so trachten sie nun auch
dahin, das man keine Leyen, die gottliche oder auch der heiligen Vatter
schrifften oder ettwas von der religion lasse lesen, sonder allein von Melusi-
I G jb I na1, vom Tondelo2, Centonouella3, von dem Danheusser4, Eu-
lenspiegel5 vnnd solche bücher. Bereden auch die mechtigen Herren, jnen
gepüre das wenigst nit in religion sachen züerkennen oder zübesseren.
Vnd auff das dann auch die Clericen, die man die schrifft noch ein weil
wolte lesen lassen, nit in erkhantnus der sachen kommen vnd aus der schül
schwetzen, so haben sie auch das gesetzet, das der recht verstand der schrifft
vnnd alles vrteil von der religion allein bey dem Bapst stehn solle. Also, das
1. Mittelalterliche Sage von Melusine, einer Meerfee, die einen Ritter heiratet unter der
Bedingung, daß er sie nicht unbekleidet sehen darf. Der Ritter respektiert zunächst dieses
Tabu, woraufhin lhm Glück und Ansehen zuteil werden. Als er sie aber eines Tages doch
heimlich beim Baden beobachtet, verläßt sie ihn und kehrt zurück ins Meer. Es existierten
mehrere Bearbeitungen dieser Sage, z.B. diejenige Thürings von Ringoltingen, 1456, von
der 1m 15./16. Jh. ca. 30 Drucke erschienen. Vgl. Thüring von Ringoltingen. Melusine
(1456). Nach dem Erstdruck Basel: Richel um 1473/74 hg. v. Andre Schnyder. Vgl. dazu
Haafy Martin Bucer und die profane Literatur seiner Zeit.
2. Tundalus, ein leichtlebiger Ritter, dessen Seele ins Jenseits entrückt wird und dort ei-
nige Höllenstrafen durchleben muß, die die Läuterung des Helden bewirken. Dieser be-
liebte und 1m Mittelalter in vielfältigen Bearbeitungen verbreitete Stoff wurde erstmals ver-
arbeitet m der »Visio Tnugdali« des irischen Mönchs Bruder Marcus. Vgl. dazu Haaf
Martin Bucer und die profane Literatur seiner Zeit.
3. Gemeint ist die deutsche Ubersetzung des »II Decamerone« Giovanni Boccaccios; er-
ste Auflage 1509 bei Johannes Grüninger in Straßburg (VD 16 B 5819) unter dem Titel:
»Cento nouella. Das Buch der hundert nüwen Historien, so ein lieplich Gesellschaft von
Florentz, fliehende den Sterbe[n] der Pestilentz, vmb Ergetzhchkeit vn[d] Minderung ires
Schmertzen gesagt vn[d] erdacht hat.« Bucer kannte vermutlich diese oder eine der späteren
Straßburger Editionen. Vgl. dazu Haaf Martin Bucer und die profane Literatur seiner Zeit.
4. Tannhäuser. Sage um den deutschen Minnesänger. Dieser begibt sich darin nach sei-
nem Aufenthalt 1m Venusberg zum Papst nach Rom, um dort Vergebung zu erbitten, wird
jedoch abgewiesen: Ebensowenig könne er auf Gottes Gnade hoffen, wie der Stab m der
Hand des Papstes erneut ergrünen würde. Der Ritter kehrt daraufhin zum Venusberg zu-
rück und die Boten des Papstes, dessen Stab inzwischen zu grünen begonnen hatte, er-
reichen lhn nicht mehr. Die behebte Tannhäuserballade wurde erstmals 1515 von Jobst Gut-
knecht in Nürnberg gedruckt (VD 16 L 1688) unter dem Titel: »Das hed von dem
Danhewser.« Vgl. dazu Haaf Martin Bucer und die profane Literatur seiner Zeit.
5. Till Eulenspiegel. Titelheld des anonym erschienenen mittelniederdeutschen Schel-
menromans: »Ein kurtzweilig Leben von Dyl Ulenspiegel, geboren uß dem Land zu
Brunßwick, wie er sein leben volbracht hat.« Die erste erhaltene gedruckte Ausgabe er-
schien 1510/11 bei Johannes Grünmger m Straßburg (VD 16 ZV 2280). Bucer kannte ver-
mutlich diese oder eine der späteren in Straßburg erschienenen Ausgaben. Vgl. Schulz-Gro-
hert, Das Straßburger Eulenspiegelbuch. Vgl. dazu Haaf Martin Bucer und die profane
Literatur seiner Zeit.
 
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