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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Wilhelmi, Thomas [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 16): Nachträge 1531 - 1541 — Gütersloh, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30653#0145
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Nr.4
Supplikation der Prediger an die Eherichter

2. Februar 1534
bearbeitet von Stephen E. Buckwalter

Einleitung
1. Entstehung und Inhalt

Die Reformation brachte tiefgreifende Änderungen im herrschenden Eherecht mit
sich, da ihre Anhänger die bischöfliche Ehegerichtsbarkeit und das ihr zugrundeliegende
kanonische Eherecht radikal ablehnten. ¹ Nach Ansicht der Evangelischen
sollte es vielmehr Sache der weltlichen Obrigkeit sein, die Jurisdiktion in Ehefragen
auszuüben, und zwar in Gestalt von selbständigen, vom jeweiligen Stadtrat eingesetzten
Ehegerichten, die frei von jeglicher kirchlichen Bevormundung Ehestreitigkeiten
schlichteten. ² Vor allem Bucer lag daran, daß diese neuen Gremien als
Grundlage ihrer Rechtsprechung anstelle des kanonischen Rechts allein das »ius divinum«,
also die Bestimmungen der Heiligen Schrift und des römischen Rechts, zur
Anwendung brachten. ³ Wie auch andere evangelische Reichsstädte beschloß der
Straßburger Rat am 16. Dezember 1529, ein Ehegericht zu schaffen. ⁴

Ein weiteres Anliegen der Reformation war es, die von der mittelalterlichen Kirche
geduldeten heimlichen Eheschließungen zu verhindern und dem Akt der Eheschließung
einen verbindlichen, öffentlichen Charakter zu verleihen. ⁵ Die Forde-

1. Zum Phänomen im allgemeinen vgl. etwa Kawerau, Reformation und Ehe; Dieterich, Das
protestantische Eherecht; Safley, Let No Man Put Asunder; Ozment, When Fathers Ruled; Harrington,
Reordering Marriage and Society in Reformation Germany.

2. Zur allmählichen Entstehung und Entwicklung der neuen städtischen Ehegerichte in der Eidgenossenschaft
sowie in den Reichsstädten des gesamten südwestdeutschen Raumes vgl. Köhler,
Zürcher Ehegericht I und II.

3. Ausführlich hierzu: Selderhuis, Huwelijk en echtscheiding bij Martin Bucer (engl. Übersetzung:
Marriage and Divorce in the Thought of Martin Bucer). Bucers zahlreiche Gutachten zu Eherechtsfragen
sind in BDS 10 gesammelt.
4. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S.370–388; Wendel, Le mariage à Strasbourg, S.76–78.
5. Viele Rechtsstreitigkeiten hatten ihre Ursache darin, daß Ehen, die ohne Zustimmung der Eltern
durch eine gemeinsame, auf die Gegenwart gerichtete Willenserklärung entstanden waren, von
der vorreformatorischen Kirche als gültige Ehen anerkannt wurden. Papst Innocenz III. (1198–
1216) hatte zwar im Einklang mit der Tendenz der Zeit, für die Kirche einen zunehmenden Einfluß
auf den Vorgang der Eheschließung zu erlangen, in Kanon 51 des vierten Laterankonzils die öffentliche
Trauung »in facie ecclesiae« vor Pfarrer und Zeugen gefordert; vgl. hierzu DS 817 = Liber Extra,
lib.4, tit. 3,c.3 (Friedberg II, Sp.679 f.). Er unterließ es aber, den heimlichen Ehen die Gültigkeit
abzusprechen, und trug somit zur rechtlich unklaren Situation bei, die am Vorabend der Reformation
herrschte; so formulierte etwa das Konzil von Florenz 1439: »Causa efficiens matrimonii regulariter
est mutuus consensus per verba de praesenti expressus« (DS 1327).
 
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