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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0083
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HANDLUNG GEGEN HOFFMAN

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menschen, die von natur kinder des zorns135 seind, auß uns selb uberal kein ver-
mügen haben zum guten. Wir köndens nit erkennen, i. Corinth.ii [6 ff.], wann
wolten wirs dann wehlen, und mit freyem willen annemen? Und hieher ists, das
man den freyen willen verneynet, dann durch den freyen willen würdt gemeynlich
verstanden, ein vermögen guts und böses, nach eygner wal anzunemen oder zu
verwerfen, sich zum ewigen leben oder todt zu richten.
Wann man aber wolt eygentlich reden, so ist ein freyer will, wann man etwas
frey, ungezwungen, selb willig, ungenötiget, von keynem anderen ausseren ding,
eygnen willen und neygunge getriben, annimmet oder verwürfet, thut oder lasset.
Und liberum arbitrium, das die Lateinischen brauchen, heysset auch eygentlich:
zu reden ein frey urteyl oder schetzen, da einer etwas frey nach seinem verstandt
urteylet und erachtet, wie ers mit im mache oder halte. Die Kriechen136 brauchen
ein wörtlin, das sich weiter strecket, autexousioi und heisset sein selb oder seins
eignen gewaldts sein.
Nun haben die alten lieben christlichen lerer, die den menschen ein fryen willen
zugeben, mit disen wörteren das wöllen anzeygen, das Got den menschen also
geschaffen hat, das er in seinem thun nach eygner erkantnüß und willen handle,
nit von einem anderen getriben oder zogen, on sein selb eigne neygung, wie dann
ein holtz oder stein gezogen oder getriben würdt. Dieweil dann nun der mensch
by im |F4b| selb auch befindet, das er all weg frey nach seinem willen handlet,
er thue böses oder guts, so stosset man sich etwan daran, das man sagt, der
mensch habe keynen freyen willen. Nun wirt aber mit solicher red nit meer gesagt,
dann: der mensch hat von im137selb und seiner natur nit, das er das ware gut
wehlen, und ihm anhangen könde, wie wir das leyder auch alle bey uns selb wol
befinden und es der heyligen vätter keyner ye verneynet hat.
So haltet sichs nun mit unserem freyen willen138 in der warheyt also, und das
sollen wir auch zum lob Gottes, der uns also zu seiner bildtnuß geschaffen hat,
gern bekennen: Gott hat uns menschen in solicher freyheyt und also eygen
gewalts geschaffen, das uns überal niemandt zwingen kan oder mag, etwas zu
thun oder lassen, anzünemen oder zu verwerffen, sonder haben das von Gott, das
wir all weg frey unserem willen nach handlen und thun, wie es uns gefellet. Wol
mag man uns thun, das wir nit wöllen: unsere glider geweltigen139, den leib
fahen140, gar tödten etc.; Niemand kan aber den menschen dahin treiben, das er
für sich etwas thue, das er nit wölle thun. Das mag auch wol geschehen, das eins
von eim anderen getrungen wurt, das es wehlet und will, ärgerem zu empfliehen,
das es sunst fur sich selb nit wurde wehlen oder wölle, als da einer gefangen, alles
sein gut gibt, das man ihn leben lasse. Noch möchte ein solichen niemand dahin
zwingen, das er sein gut selb gebe, wann er nit selb wolte. Soliche grosse freyheyt
135. Eph 2,3.
136. Griechen.
137. Sich.
138. Wie wir ein freyen willen haben. [Marg.].
139. (Unseren Gliedern) Gewalt antun.
140. Gefangen nehmen.
 
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