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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]; Arens, Fritz [Bearb.]; Bauer, Konrad Friedrich [Bearb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 2 : Heidelberger Reihe ; Band 2): Die Inschriften der Stadt Mainz von frühmittelalterlicher Zeit bis 1650: auf Grund der Vorarbeiten von Konrad F. Bauer — Stuttgart: Druckenmueller, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.52057#0036
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Die Nikolauskapelle ist etwa um 1380 errichtet als Stiftung des Domherrn Nikolaus von Ober-
stein und seiner Mutter Margareta de Rosiere genannt von Metz (Nr. 221) Die südlich an
die Memorie anstoßende und von dieser zu erreichende Kapelle ist an die Westwand des
Westflügels des Kreuzgangs angebaut und öffnet sich nach ihm mit großen Fenstern, ehedem
auch mit einem Chörchen. Durch das 19. Jahrhundert ist sie ziemlich ihrer alten Ausstattung
und Denkmäler beraubt worden. Ehemals war auch sie ein beliebter Begräbnisplatz. Außer
Verwandten des Stifters lag hier noch eine größere Anzahl von Mitgliedern der Familie Rau
von Holzhausen, so daß man geradezu von einer Familienkapelle sprechen kann. Eine Reihe
von Prälaten ist hier bestattet, aber auch von Kanonikern. Die Kapelle war also offenbar als
Begräbnisplatz höher eingestuft als Memorie und Kreuzgang.
Der Kreuzgang an der Südseite wurde an Stelle eines älteren von 1400 bis 1410 errichtet1.
Seine Bauzeit läßt sich gut durch die datierten Schlußsteine und auch durch die Wappen auf
diesen bestimmen (Nr. 68, 71, 75, 78).
Von dem älteren Kreuzgang kündete vielleicht noch das Fresko des von Grünenberg 1390,
wenn dessen Außenmauern erhalten blieben. Andernfalls ist es eben erst nach Vollendung des
neuen Kreuzganges ausgeführt worden. Es geschah ja öfter, daß man Stiftungen erst nach
geraumer Zeit vollzog (Nr. 58). Der Kreuzgang ist eine dreiflügelige Anlage mit 24 kreuz-
gewölbten Jochen. Ehemals war er im Obergeschoß noch gewölbt und barg dort die berühmte
Dombibliothek (Nr. 494). Durch die mehrfachen Brände, die den Kreuzgang 1767, 1793 und
1942 betrafen, ist das Gewölbe im Obergeschoß in den Jahren um 1800 wegen des mangeln-
den Daches eingestürzt und das Innere des Obergeschosses in wüstem Zustand. 1944 wurde der
Kreuzgang in seinem Südflügel (Joch 9) von einer Bombe getroffen, die ein Gewölbejoch
und die Wand des Obergeschosses an der betreffenden Stelle zerstörten. Vom Inhalt des Erd-
geschosses wurde damals glücklicherweise nichts beschädigt.
Der Kreuzgang steht heute noch als ein wahres Museum von Grabsteinen und Kunstwerken
da, wenn auch hier nur ein Bruchteil des vor 1800 Vorhandenen erhalten ist. Er war die Be-
gräbnisstätte für Domherrn, Domvikare und für um das Dom- oder Erzstift verdiente Laien.
Sein praktischer Zweck einer Verbindung zwischen den weltlichen Räumen des Domstiftes,
eines Prozessionsweges und einer Wandelhalle zum privaten Gebet oder Gespräch verlangte
bei dem Ansehen und Reichtum des Domkapitels eine besondere Ausgestaltung der Architektur
und der Ausstattung, die ja hauptsächlich aus Wandmalereien und Epitaphien bestand. Ehe-
mals war fast der ganze Kreuzgang ausgemalt, in jedem Joch befand sich ein Fresko, das an
einen Domherrn erinnerte und so die Vorform des Epitaphs bildete. Man kann wohl anneh-
men, daß durch die Feuchtigkeit der Wände und die längere Dachlosigkeit des Kreuzgangs
diese Fresken bis eben auf den einen, nun auch zerfallenden Rest des Lilienbaumfreskos von
1560 (Nr. 448) zu Grunde gingen. Es wurde erstrebt, mit den Malereien eine fortlaufende
Darstellung aus dem neuen Testament zu geben (vgl. Nr. 83, 89, 442, 449, 466, 473, 499, 507).
Wenn möglich, stiftete man das Fresko in ein Joch des Kreuzgangs, das sowieso aus den Gel-
dern des Betreffenden errichtet worden war (Nr. 89) und ließ sich vor ihm bestatten.
Die Fülle der Grabsteine, die heute noch den Boden bedeckt, ist zum großen Teil recht abge-
treten und nur noch mit großer Mühe lesbar. Manche sind noch durch die Nummern, die
Bourdon 1724 einhauen ließ, zu identifizieren. Man hat zwar bei den höheren Nummern den
Eindruck, daß die Handschriften um 1—2 Nummern differieren, was vielleicht durch falsches
Abschreiben der Originalhandschrift verursacht sein könnte. Oft hilft aber auch der Vergleich
mit Bourdon wenig, da die heute schlecht erhaltenen Steine auch schon im 18. Jahrhundert
nur mangelhaft lesbar waren.
Aus der teilweise in Verwirrung geratenen Numerierung kann man entnehmen, daß die
Grabsteine im 19. Jahrhundert umgelegt wurden. Ein Teil davon liegt aber wohl noch an
alter Stelle, wie man aus den Lokalisierungsangaben Bourdons leicht feststellen wird2.
Die Richtung der Grabsteine geht immer mit der Längskante von Osten nach Westen. Das
bedingt, daß sie im Ost- und Westflügel quer zur Längsachse liegen. Es ist das ja auch die Rich-
1 Kdm. Dom S. 397
2 Die ursprüngliche Lage eines Grabsteines nach Bourdons Numerierung stellt man folgendermaßen fest: Bourdon nennt bei
seiner Besprechung der Schlußsteine des Domkreuzgangs jeweils die Nummer des Grabsteines, über dem sich der betreffende
Schlußstein findet. Diese und andere Ortsangaben wie: „Bei der Tür zum Kapitelhaus" geben ein System, in das man die
Grabsteine einordnen kann.

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