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Niederquell, Theodor [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 14 : Heidelberger Reihe ; Band 5): Die Inschriften der Stadt Fritzlar — München: Druckenmüller, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.53159#0020
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überlassen13), die in einer Art von Halbstift organisiert waren. Die kleine Kapelle war von da an neben
dem Kreuzgang die bevorzugte Begräbnisstätte der Fritzlarer Altaristen. Aber auch Personen des Laien-
standes von hohem Rang sind darin begraben gewesen. Bei Würdtwein sind drei Wappen der Familie
Grebe, wohl völlig abgetretene, spätmittelalterliche Grabplatten ohne jeden Inschriftrest verzeichnet,
außerdem die Erinnerungstafel an eine Wohltäterin, Karoline von Wettberg geb. von Blome, aus dem
Jahre 1758. Nur ein Denkmal ist für einen Altaristen aufgeführt, ein hölzernes Tafelgemälde für den 1687
verstorbenen Johann Tilcher, das einzige dieser Art, von dem wir in Fritzlar Kenntnis haben.
Die Kapelle wurde 1848 abgebrochen, dabei sind mindestens zwei Grabplatten von Altaristen in die
Stiftskirche überführt worden.
Schon gleich nach der Gründung der Niederlassungen in Deutschland wurden die Kirchen der Bettel-
orden beliebte Orte der Beisetzung für die städtische Bürgerschaft. Auch in Fritzlar wird es so gewesen
sein, doch fehlt jede Bestätigung. Als 1619 der Franziskanerorden von dem 1553 verlassenen Kloster er-
neut Besitz ergriff, zeigte sich, daß Kirche und Kirchhof ihre Beliebtheit als Ruhestätte nicht eingebüßt
hatten. Das katholisch gewordene, fürstliche Haus Hessen-Rheinfels-Rotenburg ging mit gutem Beispiel
voran und bestimmte eine Gruft in der Kirche zum Erbbegräbnis14 *). Die uradeligen Mainzischen Amt-
leute der kurfürstlichen Besitzungen in Hessen schlossen sich mit ihren Familien an. (Nachweislich sind
Angehörige der Geschlechter Hattstein, Hees und Eisenberg bei den Minoriten begraben.) Auch die
Bürgerschaft erwarb sich in der Kirche und auf dem Totenhof Grabstätten, obwohl das zu dauernden
Streitigkeiten mit der Pfarrgeistlichkeit führte16).
Die Fürstengruft ist vermauert, von den anderen Standesgruppen sind mehrere Grabdenkmäler des
17. und 18. Jahrhunderts noch vorhanden. Ohne Gegenmaßnahmen der Mainzer Behörden gelang es dem
Fritzlarer Rat um die Mitte des 16. Jahrhunderts den Minoritenkonvent zur Aufgabe seiner Niederlassung
zu bewegen. Die Kirche wurde der protestantischen Bürgerschaft eingeräumt und der Friedhof von ihr
benutzt. Aus dieser Zeit stammen fünfWandgrabmäler, die an der Südwand der Kirche für Angehörige
ratsfähiger Fritzlarer Bürgerfamilien aufgestellt wurden (Nr. 127, 138, 149, 162 und 182).
Das Hospital an der Eder ist eine Stiftung der Fritzlarer Bürgerschaft vom Jahre 1308. Auf die wohl
bald darauf errichtete Kapelle wurden Pfarrechte übertragen, die vorher der Konvent der Augustiner-
nonnen zur Heiligen Katharina in der Neustadt besessen hatte. Wahrscheinlich erlitten die Hospitals-
gebäude Beschädigungen in der Fehde, die durch den Totschlag an dem erwählten deutschen König
Friedrich von Braunschweig bei Englis im Jahre 1400 hervorgerufen wurde. Durch eine Stiftung des älte-
ren Happel Katzmann wurde eineWiederherstellung der Kirche und der Anbau einer Nebenkapelle mög-
lich. Durch das Fragment Nr. 47 ist das Begräbnis der Pfarrer in der mittelalterlichen Kirche gesichert,
mit dem von Stiftern und Wohltätern ist zu rechnen.
Da dem Fritzlarer Rat die Verwaltung des Hospitals mit allem Zubehör zustand, konnte sich mit der
Ausbreitung der „Neuen Lehre“ unter der Bürgerschaft hier ohne Kompetenzschwierigkeiten mit der
geistlichen und weltlichen landesherrlichen Behörde der erste Zufluchtsort des Protestantismus auf städti-
schem Gebiet herausbilden. Die Kirche soll über das Normaljahr 1624 hinaus in unbestrittenem Besitz
der Protestanten geblieben und erst nach dem dreißigjährigen Kriege vom Kurfürsten von Mainz ge-
schlossen sein16). In erster Linie wohl der Chor war während dieser Zeit ein beliebter Begräbnisort
für die in der Nähe wohnenden Angehörigen der hessischen Ritterschaft und ihre Familien (Nr. 128-132
und 140), auf der Durchreise verstorbene Fremde von Rang (Nr. 137) und hochgestellte Personen des
Stadtregiments und ihre Verwandtschaft (Nr. 135, 150 und 155). Alle waren Protestanten, wenn man
auch unbefangen bei der Lesung der Grabschrift des Stadtschultheißen Konrad Vernalich gen. Knip
(Nr. 150), der als „veri cultus divini studiosus“ bezeichnet wird, eheraufeine Säule des „Alten Glaubens“
geschlossen hätte.
Die Durchführung der Gegenreformation ist offenbar in Fritzlar relativ spät und sehr vorsichtig ins
Werk gesetzt worden, wahrscheinlich konnte sie endgültig nach kriegsbedingten Rückfällen erst unter
Johann Philipp von Schönborn abgeschlossen werden.
Das Schiff der verödeten Kirche wurde im 18. Jahrhundert niedergelegt, für den gelegentlichen kirch-
lichen Gebrauch wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts nur das Chorhaupt mit einem Vorjoch und der
Nebenkapelle instand gesetzt, darin und in dem ummauerten Vorhof auf der Grundfläche der früheren
Kirche sind die erhaltenen Grabdenkmäler an den Wänden aufgestellt.
Die Fraumünsterkirche und der zugehörige Totenhof dienten bis in unser Jahrhundert hinein der benach-
barten hessischen Gemeinde Obermöllrich als Pfarrkirche und Begräbnisstätte17). Ebenso waren dahin bis

14) Falckenheiner II, S. I56f.
J5) Falckenheiner II, S. 37 u. Anm. 2.
“) B. u. K., S. 123 f.
>’) B. u. K., S. 187.

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