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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]; Niederquell, Theodor [Bearb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 14 : Heidelberger Reihe ; Band 5): Die Inschriften der Stadt Fritzlar — München: Druckenmüller, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.53159#0024
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Auch die Steinmetzzeichen am Marktbrunnen Nr. 118 weisen nach Kassel. Für alle anderen Arbeiten
dieser Art, wenn sie nach Anlage und Qualität nicht den Rahmen überschreiten, der den politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen einer Stadt wie Fritzlar entspricht, sollten wir bis zum
Gegenbeweise eine Entstehung am Ort annehmen.
Literarische Nachrichten über Fritzlarer Bildhauerwerkstätten, ihre Meister, Gesellen, Örtlichkeiten
und Auftraggeber liegen nicht vor. Es lassen sich nur - etwa als Vorarbeit für eine kunstgeschichtliche
Untersuchung, die auch die Nachbarschaft einbeziehen müßte - Gruppen von Denkmälern der verschie-
denen Zeiten zusammenordnen, die mit großer Wahrscheinlichkeit derselben Fritzlarer Herkunft sind.
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden vier Figurengrabmäler, die früher zusammen in der
Falkenberger Kapelle lagen (Nr. 16, 17, 22 und 23). Der stilistische und epigraphische Befund weist sie
einem Meister zu. Auf die ähnlichen, heute leider inschriftlosen Denkmäler zweier Gräfinnen von Waldeck
in der ehemaligen Klosterkirche in Netze wurde schon hingewiesen2).
Fünf Arbeiten des 15. Jahrhunderts lassen sich ebenfalls zu einer Gruppe zusammenfassen. Hier veran-
laßt in erster Linie der epigraphische Eindruck dazu. Die langen, durchgezogenen oder angehängten
Fäden bei den Buchstaben a, e und r und die sorgfältig erhabene Schrift (bei Nr. 63 ist nur das erste Wort
erhaben ausgeführt) deuten trotz der Verschiedenartigkeit der Denkmäler und des langen Zeitraums,
über den sie sich verteilen, auf dieselbe Werkstatt (Nr. 43, 48, 56, 58 und 63).
Ob die Werkstatt, aus der gewiß alle vier von dem Scholaster Hankrat in Auftrag gegebenen Stein-
metzarbeiten stammen, in Fritzlar zu suchen ist, bleibt unsicher, ist aber durchaus möglich. Kippen-
berger3) hat ihr individuelles Gesicht und ihre künstlerischen Abhängigkeiten zu umreißen versucht,
dabei aber hauptsächlich das Figürliche in Betracht gezogen. Die Schriftformen aller Arbeiten (Nr. 78
und 83-85) sind nicht übereinstimmend, die gewollte Originalität aber, der Zug zur Verornamentierung
und die gleichmäßig hervorragende Qualität der handwerklichen Ausführung der erhabenen Schrift,
lassen die Zusammengehörigkeit erkennen.
Fünf Grabplatten (Nr. 105, 106, 115, 122 und 125) und eine Wappentafel (Nr. in), die zwischen 1552
und 1570 entstanden sind, entstammen derselben Werkstatt, wie eine charakteristische Einfassung aus
Renaissancesäulen beweist. Allerdings ist der Qualitätsabfall von Nr. 105 aus dem Jahre 1552 zu den spä-
teren so augenfällig, daß man an ein Importstück denken möchte, das am Ort mit viel geringeren hand-
werklichen Fähigkeiten nachgeahmt sei. Bei den beiden letzten Platten ist bezeichnenderweise die moderne
Muschelnische des Vorbildes durch einen Kielbogen aus Astwerk ersetzt, ein deutlicher Rückfall in die
Fritzlarer Nachgotik.
Zeitlich anschließend kommen dann die Arbeiten der Herberschen Werkstatt und ihrer Nachahmun-
gen. Die vier klassischen Arten von Grabdenkmälern aus dem weitgespannten Herberschen Fertigungs-
programm sind in Fritzlar durch Originale oder mehr oder weniger eigenständige Kopien vertreten:
Figurenepitaph, Andachtsepitaph und Grabplatten mit und ohne figürliche Darstellung. Letztere schließen
sich deutlich an das signierte Stück Nr. 130 an. Man hätte auch Nr. 135, 137, 140 und 155 als weniger
gelungene Produkte Herbers bezeichnet, zumal sie für den Personenkreis bestimmt sind, bei dem man Auf-
träge für eine auswärtige, protestantische Werkstatt erwarten kann, zeigte nicht Nr. 135 ein Steinmetz-
zeichen. Dasselbe weist auch das Andachtsepitaph Nr. 138 auf, das ebenfalls ein Vorbild von Herber ge-
habt hat. Eine Weiterbildung des erwähnten Steinmetzzeichens, also wohl einem anderen Mitglied des-
selben Betriebs zugehörig, ist auf einer der drei ganz gleichartigen Figurengrabplatten für Altaristen im
Kreuzgang angebracht (Nr. 139, 141 und 157), ebenso auf der Wappenplatte des Stadtschultheißen Konrad
Vernalich gen. Knip Nr. 150. Alle vier weichen etwas vom Herberschen Schema ab und können eine ge-
wisse Originalität für sich in Anspruch nehmen. Das Andachtsepitaph Nr. 161 ist mit D. L. bezeichnet,
aber Nr. 159 so ähnlich, daß es wie auch Nr. 143 zu den örtlichen Nachfolgern Herberscher Vorbilder
zu rechnen ist. Dasselbe gilt auch für das mit HB (?) signierte Andachtsepitaph Nr. 149 und den mit EL L.
bezeichneten Taufstein Nr. 142.
Einzelne Hände in diesem Bereich scheiden zu wollen, brächte keinen Gewinn, die Gleichartigkeit
der Produktion ist in diesem Zeitraum augenfällig.
Seit den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts ist ein deutliches Zunehmen der Nachfrage nach Grab-
denkmälern zu verzeichnen. Ehe sich die nachfolgend skizzierte Werkstatt in Fritzlar fest etablierte,
herrschte eine gewisse Unsicherheit, da die Konkurrenz Kassels und anderer benachbarter Städte, begün-
stigt durch den konfessionellen Gegensatz von Stift und Stadt, Fritzlarer Aufträge an sich zog. Beginnend
mit dem großen Figurenepitaph der 1603 verstorbenen Anna Geiling (Nr. 173) macht sich die praktische

2) Dehio/Gall, Nördliches Hessen, S. no.
3) Kippenberger, Albrecht: Die Stationsbilder eines ehemaligen Kreuzwegs in Homberg an der Efze und ihre Meister, in:
Hess. Heimat 6, 1956/57, Heft 5, S. löff.

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