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Madel-Böhringer, Claudia; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 44 = Münchener Reihe, 9. Band): Die Inschriften des Landkreises Günzburg — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.57400#0032
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Adeligen weiterhin bevorzugt wird, zahlenmäßig nicht überlegen. Und auch bei den Steininschriften
aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts ist das Verhältnis immerhin noch ausgewogen. Selbst in
den Frakturschriften auf dem Prachtepitaph für Georg Christoph und Hildegard von Riedheim in
Rettenbach (Nr. 156) sowie auf dem Remsharter Epitaph für dasselbe Ehepaar (Nr. 155) von 1618
klingen noch stark Reminiszenzen an die Gotische Minuskel an: Der steile Duktus der Kleinbuchsta-
ben wie auch das zweistöckige a sind der traditionellen Form der Gotischen Minuskel verhaftet.
Kapitalis
Die ersten Schriften in Kapitalis tauchen im Bearbeitungsgebiet um die Wende vom 15. zum 16. Jahr-
hundert auf, und zwar zunächst als Spruch innerhalb eines Bildreliefs. Sowohl in Jettingen (Nr. 33) als
auch in Waltenhausen (Nr. 44) ist das „O DOMINE..als Bitte des Verstorbenen ins Bildfeld inte-
griert und in Kapitalis geschrieben.
In Jettingen verläuft die Schrift auf einem Band relativ regelmäßig, wobei die gerundeten Buchstaben
O, D, sowie das M und N besonders breiten Raum einnehmen, S und E wirken dagegen sehr schmal.
Alle Buchstaben haben Sporen, das E gleichlange Querbalken. Einer frühen Kapitalis-Ausprägung
entsprechend ist die Cauda des R konvex mit leichtem Gegenschwung auf der Grundlinie gebogen,
M hat gerade Hasten, der kurze Mittelteil ist aus zwei sehr dünnen Strichen gebildet. Entsprechend
hat das N starke Hasten und einen dünnen Schrägstrich. Das Trennzeichen ist paragraphenförmig.
Etwas unregelmäßig in Verlauf und Höhe sind die Buchstaben in den beiden Relieftafeln in Walten-
hausen (Nr. 44) gebildet. Über den Köpfen der Stifter hängen sie gleichsam in der Luft. Das M er-
scheint in drei Varianten: Breit, mit geraden Hasten und nach unten gezogenem Mittelteil, etwas
schmäler und mit kürzerem Mittelteil, und ebenfalls breit und konisch mit kurzem Mittelteil. Das E
ist schlank, der untere Balken ist meist länger; einmal ist es auch unzial gebildet. Die Cauda des R ist
konvex geschwungen und unter die Zeilenlinie gezogen. Durchweg erscheint das I mit Punkt.
Die erste reine Kapitalisinschrift findet sich im Bearbeitungsgebiet auf einer Augsburger Arbeit, dem
Epitaph für Propst Ulrich von Wettenhausen (Nr. 46). Zwar ist die Spationierung der Schrift nicht
konsequent durchgehalten und die Scheitelsporne einzelner Buchstaben sind verschieden stark aus-
gebildet, ansonsten präsentiert sich die Schrift als eine weitgehend normierte Kapitalis mit fast geo-
metrisch konstruierten Buchstaben. Linksschrägen und Vertikalen sind breit, Rechtsschrägen und
Horizontalen schmal. Ausnahme macht das N mit schmalen Vertikalen. Das M ist konisch, nur ein-
mal, als Zahlzeichen, mit parallelen Hasten. (Die Gestaltung der Jahreszahl in anderem Schrifttypus
spricht für ihre spätere Einfügung). E hat einen verlängerten Fußbalken, R und Q eine stachelförmige
konkave Cauda, die bei Q weit unter die Zeile gezogen ist111 112. Nur in der später eingefügten, vertief-
ten Zeile verläuft die Cauda des Q flach. Die Buchstaben O, Q, C und G sind kreisgerundet. Es folgen
drei Werke aus dem Jahre 1523. Sie sind verhältnismäßig frühe Beispiele einer nach klasssischem Mu-
ster geformten Kapitalis mit breit proportionierten Buchstaben (Nrr. 49, 50, 51): Die Schriftplatte in
der Krumbacher Stadtpfarrkirche (Nr. 50) trägt eine ausgewogene und weitgehend breit angelegte,
mit Haar- und Schattenstrichen gestaltete Kapitalisschrift, bei der der erste Buchstabe überhöht ist;
die Buchstabenschäfte sind mit Sporen versehen. Das M ist leicht konisch gebaut, mit weit herunter-
gezogenem Mittelteil. Mit etwas verkürztem Kopf- und Mittelbalken ist das E gebildet, der längere
Fußbalken endet mit einem markanten, nach oben ausgezogenem Sporn. Durch innere Schattenach-
sen wirkt das O schräg. Die stachelförmig endende Cauda des R ist leicht konkav gebogen; das Q ist
entsprechend gebildet, seine Cauda ist lang, teilweise unter den folgenden Buchstaben gezogen. Der
Kürzungsstrich ist viermal ausgebuchtet, ansonsten gerade. Im Reisensburger Verkündigungsrelief
(Nr. 49) ist die Schrift im Buch und im Gebälk ausgewogen und breit laufend, auf dem Schriftband
dagegen gedrängt und von überhöhter Proportion. Die Buchstabenschäfte sind mit Sporen versehen,
der Kürzungsstrich in der Mitte halbkreisförmig ausgebuchtet. Auffällig sind das A mit Scheitelsporn,
das I mit Punkt, das konische M mit beidseitigen Kopfserifen und das T mit schräg angesetzten Sen-
ken; diese Merkmale sind typisch für die Werkstätte Loy Herings ab 1519113. Die wenigen Worte auf
dem Wettenhausener Altar (Nr. 51) zeigen auch bei der gemalten Schrift die Anlehnung an die Form
der klassischen Kapitalis mit Serifen, Haar- und Schattenstrichen, und dem etwas verkürzten E-Mit-
telbalken. Die Proportion der Schrift kann hier nicht grundlegend gewertet werden, da sie einer ver-
laufenden Zeilenhöhe angepaßt wurde. An Einzelformen sind zu nennen das M mit breiten, paralle-

111 Vgl. Bornschlegel, Renaissance-Kapitalis 221, Abb. 4.
112 Bornschlegel, Inschriften des Loy Hering 40 f.

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