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Madel-Böhringer, Claudia; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 44 = Münchener Reihe, 9. Band): Die Inschriften des Landkreises Günzburg — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.57400#0033
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len Hasten, und dünnem, bis zur Grundlinie herabreichendem Mittelteil, das spiegelverkehrte N ist
entsprechend gebildet.
Nach diesen verhältnismäßig frühen, in der Mehrzahl an klassischen Mustern orientierten Beispielen
finden sich im Bearbeitungsgebiet erst in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts wieder vergleichbare
Schriften. Zu nennen sind hier drei ebenso aus Augsburg stammende, wohl von Paulus Mair geschaf-
fene Epitaphien der Familie Schertlin in Burtenbach. Alle drei sind dem klassischen Schriftbild ver-
pflichtet, unterscheiden sich aber in der Gestaltung einzelner Buchstaben. Das um 1570 entstandene
Epitaph für Sebastian Schertlin von Burtenbach (Nr. 88) zeigt ein leicht konisches M mit herabgezo-
genem, aber nicht bis zur Grundlinie reichendem Mittelteil; O, Q und C sind kreisgerundet, die
Buchstaben mit Scheitel sind weit gestellt; auffällig sind das P mit unterschiedlicher Größe des Bo-
gens, G mit kurzer, senkrechter Cauda, die im spitzen Winkel am unteren Bogen ansetzt und R mit
konkaver Cauda unterschiedlicher Länge. Im Epitaph des Johann Philipp Schertlin (Nr. 81) von 1568
hat das M gerade Hasten und einen herabgezogenen Mittelteil. Die verschieden weit gezogenen
Wort- und Buchstabenabstände bewirken em weniger harmonisches Schriftbild. Ausgewogener in
den Proportionen und im Gesamteindruck ist das Epitaph von 1587 (Nr. 106), hier ist die Cauda des
R konvex auslaufend, das M hat gerade Hasten; hingegen ist das I mit Punkt ausgeführt. Anschließend
seien hier zwei Arbeiten genannt, die Christoph Murmann d.J. zugewiesen werden, und die ebenfalls
Beispiele für eine hochstehende, sich an den klassischen Buchstabenformen orientierende Renais-
sance-Kapitalis im ausgehenden 16. Jahrhundert sind: Der Rehlinger-Altar von 1593 in Wettenhau-
sen (Nr. 114) und das Epitaph für den Abt Jakob Miller in Ursberg (Nr. 120) von 1595. Der Altar zeigt
eine schöne, ausgewogene Schrift mit nahezu quadratisch proportionierten Buchstaben und über-
höhtem Anfangsbuchstaben. Das E trägt einen kurzen Mittelbalken mit trichterförmigen Serifen,
nach unten gezogenen Serifen am Kopfbalken, der verlängerte Fußbalken ist ebenso wie der des L
nach oben gezogen. Die Serifen des T sind nach unten gezogen. Der Wettenhausener Arbeit naheste-
hend ist das Schriftbild des Ursberger Epitaphs; Abweichungen zeigen sich in der kürzeren und steiler
gestellten Cauda des R sowie dem I mit Punkt.
Gesondert erwähnt, weil singulär, sei an dieser Stelle die Kapitalisschrift auf der Grabplatte für Frater
Paulus Fabricius in Ursberg von 1576 (Nr. 95). Die Buchstaben sind hier schlank proportioniert, auf-
fallend sind das rechtsschräg geschnittene A und V, das gespitzte O, das schrägliegende S und das ko-
nisch gebaute M mit kurzem Mittelteil. Die unterschiedlich weit gestellten und in der Höhe leicht va-
riierenden Buchstaben ergeben em unausgewogenes Schriftbild, das nicht nur dem schlechten Erhal-
tungszustand zuzuschreiben ist.
Auf Kapitalisschrift für einen deutschsprachigen Grabmal-Text treffen wir im Untersuchungsgebiet
zum ersten Mal 1577 im Epitaph für Tänzl von Tratzberg in Unterknöringen (Nr. 96). Die Buch-
staben entfernen sich hier zunehmend von der klassischen Form der Kapitalis, das E ist sehr breit,
mit stark verkürztem Mittelbalken, das N trägt unten rechts einen Sporn. Auffallend variiert die
Ausführung derselben Buchstaben innerhalb des Textes: A kommt sowohl gleichschenklig, als auch
mit schrägem An- und fast geradem Abstrich vor, R mit steiler, als auch mit auslaufender, nach
außen gebogener Cauda. Die Buchstaben sind in unregelmäßigem Abstand gesetzt. Das W ist aus
zwei sich überschneidenden V gebildet. Die Fußbalken des L und Z sind geschwungen und nach
unten gezogen. Das Epitaph stellt jedenfalls im Bearbeitungsgebiet für diese Zeit eine Ausnahme
dar, da es sich um den einzigen Grabtext in deutscher Sprache mit Kapitalisschrift handelt. Anson-
sten dient die Kapitalis zur Hervorhebung einzelner Worte, z.B. des ANNO DOMINI innerhalb
eines deutschen Textes, wie in den beiden Rettenbacher Wappenplatten von 1585 und 1586 (Nrr.
104, 105). Bei der letzteren ist die Form des N mit halbkreisförmiger Ausbuchtung des feineren
Schrägstriches auffällig.
Lateinische Zitate in ansonsten deutschsprachigen Texten werden gern in Kapitalis hervorgehoben, so
im Epitaph für Vitus Miller (Nr. 98) von 1580 in Unterknöringen. Hier ist die Ausführung der Schrift
etwas ungelenk; Größe, Ausrichtung und Abstand der Buchstaben schwanken. Teilweise ist der
Schrägstrich des N in der Mitte der linken Haste angesetzt. Das M der Jahreszahl ist gebildet aus C, I
und spiegelverkehrtem C, entsprechend das D aus I und spiegelverkehrtem C zusammengesetzt (sgn.
Humanistische Schreibweise). Im Epitaph für Ferdinand Ehinger (Nr. 119) von 1595 in Großkötz ist
der deutschsprachige Grabtext traditionell umlaufend in Gotischer Minuskel, und der lateinische
Bibelvers in Kapitalis gesetzt. Das Schriftbild wirkt hier sehr unruhig, die Buchstaben sind gelängt, das
o gespitzt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts trägt das Epitaph für Ferdinand Vöhlin (Nr. 139) eine ge-
längte Kapitalisschrift.
 
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