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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0027
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Bearbeitungsgebietes an Elisabeth von Bayern (1329-1402), Witwe des 1388 in der Schlacht bei Döf-
fingen gefallenen Grafen Ulrich, abgetreten. Mechtild von der Pfalz (1419-1482), in erster Ehe mit
dem Grafen Ludwig I. (1412-1450) verheiratet, behielt Böblingen auch nach ihrer zweiten Ehe mit
Erzherzog Albrecht VI. von Österreich als einen ihrer Wohnsitze. Im Jahr 1483 fiel Böblingen an Bar-
bara Gonzaga, Gemahlin des Herzogs Eberhard imBart (1445-1496), die hier 1503 als Witwe starb73.
Unter Herzog Ulrich (1487-1550) wurde die Burg ab 1535 analog zu den meisten älteren Anlagen
zum Residenzschloß und Jagdsitz für die Jagden im nahen Schönbuch ausgebaut. 1820 ging das
Schloß an die Stadtgemeinde über, die es teilweise ab reißen ließ. Die letzten Reste wurden bei der
Stadtzerstörung durch einen Luftangriff von 1943 schwer beschädigt.
Mit Schloß und Stadt sank 1943 auch die Schloßkirche St. Dionysius in Schutt und Asche. Sie
wurde nach ihrer Erhebung zur Pfarrkirche im Jahr 1419 als geräumige Saalkirche mit gewölbtem
Chor und Westturm erbaut74 75. Das einzige historische Grabmal, das für diese Kirche überliefert ist,
war für em Glied der Familie der Pfalzgrafen von Tübingen (nr. 20) aus der Linie Tübingen-Böb-
lingen (ab 1358 Tübingen-Lichteneck) bestimmt. Diese Grabplatte von 1336 blieb bis zum Bom-
benangriff erhalten; da eine photographische Dokumentation des Innern der Schloßkirche vor dem
Krieg nicht vorgenommen wurde, ist heute nur mehr eine Rekonstruktion nach älteren Bildquellen
möglich. Das ehemals fünfteilige Geläute der Kirche (nrr. 15, 79, 287; ferner Glocken von 1765 und
1789) fiel der Glockenablieferung anheim. Daß sich die kunstvoll gegossene Ave-Maria-Glocke von
1473 (nr. 79) wie auch die Schweizerscheibe (nr. 194) mit dem Stadtwappen von 1552 erhalten haben,
erscheint als Laune des Zufalls; diese Stücke gelangten vermutlich über den Kunsthandel in das Würt-
tembergische Landesmuseum Stuttgart.
Nicht nur die ev. Stadtkirche, sondern auch die ehemalige Friedhofskapelle U. L. Frau7? hat alle
ihre Inschriften-Denkmäler eingebüßt und ist heute nur noch in einem Mauerrest greifbar. Diese
Kirche war vermutlich die alte Mutterkirche der Schloß- und Pfarrkirche; ihre Existenz ist aus einer
Urkunde von 1261 zu erschließen, in der em „Walterus plebanus de Bobelingen“ genannt ist. Nach
Auflassung des Friedhofs 1836 wurde die damals bereits profanierte Kirche noch als „an Grabmälern
reich“ bezeichnet; angeblich waren nur noch zwei Grabplatten von 1473 und 1520 (nrr. 80, 163)
identifizierbar76. Angesichts der einstigen Bedeutung als Amtsstadt und Nebenresidenz kann auch
in Böblingen ein Bestand historischer Inschriften vorausgesetzt werden, dessen Umfang vermut-
lich nicht hinter demjenigen in Leonberg oder Herrenberg zurückblieb. Doch scheint hier schon
im frühen 19.Jahrhundert parallel zum frühen Einsetzen der Industrialisierung die Bereitschaft
zur Erhaltung historischer Substanz gering gewesen zu sein, denn auch ältere Hausinschriften fehlen
völlig. Mit nur acht nachweisbaren Inschriften, von denen nur noch drei erhalten sind, steht die große
Kreisstadt hinsichtlich ihres Bestandes heute am Ende der Statistik.

3.4 Sindelfingen
Die Stadt Sindelfingen ist em Beispiel dafür, daß hohes Alter und eine bedeutende historische Ver-
gangenheit eines Ortes sich keineswegs in einem bedeutenden Inschriftenbestand niederschlagen
müssen. Sindelfingen war zunächst dem Amt Böblingen zugehörig, erhielt erst von 1605 bis 1807 den
Rang einer württembergischen Amtsstadt, allerdings ohne Amtsorte77. Sindelfingen geht auf eine
merowingische Besiedlung zurück, wird aber nicht vor dem 11.Jahrhundert in den Schriftquellen

73 Sie wurde in der Kirche des Dominikanerinnen-Klosters in Kirchheim unter Teck bestattet; ihr Grabmal ist verloren.
74 Ursprünglich Burgkapelle, 1419 anstelle der außerhalb der Mauern gelegenen Friedhofskirche U. L. Frauen zur
Pfarrkirche erhoben, was vermutlich Baumaßnahmen nach sich zog; 1468 dem Kloster Hirsau inkorporiert; mit die-
sem nach der Reformation an Württemberg; vgl. OABBöbhngen 1850, 120; KdmNeckarkreis 1889, 92-94; Amtl-
Kreisbeschreibung 3, 1978, 87.
75 Baugeschichte unklar; turmlose Saalkirche mit spätgotischen Maßwerkfenstern; an der Nordseite Bauzahl 1586',
OABBöblingen 1850, 101.
76 Ebd. — Zwei weitere, nicht mehr in den Bearbeitungszeitraum fallende Grabmäler sind von hier in die überdachte
Vorhalle des Neuen Friedhofs übertragen worden. Es handelt sich um das Epitaph des württembergischen Forst-
meisters Johann Eberhard Truchseß von Höfmgen (gest. 1688) und seiner Gemahlin Ursula Margretha von Nip-
penburg (gest. 1696) sowie um das verwitterte Grabmal einer Adligen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts; Photos im
Epigraphik-Archiv der Heidelberger Inschriften-Kommission. Herrn J. H. Sostmann, Stadtarchiv Böblingen, ver-
danke ich den Hinweis auf drei weitere, nicht mehr identifizierbare Stücke des 18. Jahrhunderts; Photos im Stadt-
archiv Böblingen.
77 Graessle, H., Dorf, Stadt und Stift bis zur Mitte des 16.Jahrhunderts. Sindelfingen 1954; Weisert, H., Geschichte der
Stadt Sindelfingen. Sindelfingen, 2. Aufl. 1977; ders., Sindelfingen im Wandel der Zeit. Sindelfingen 1988.

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