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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0030
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ehe einschließlich der Glocken89 schwer beschädigt. Die Augustinerkirche blieb offenbar unver-
sehrt. Die anschließende Barockisierung beider Kirchen war nicht nur eine Reparaturmaßnahme;
sie war auch Ausdruck einer neuen und selbstbewußten Katholizität, die vermutlich auf die bis
1669 in der Augustinerkirche nachweisbaren spätgotischen Inschriften-Denkmäler wenig Rück-
sicht nahm. Nach der Angliederung der Stadt an Württemberg 1802 wurden die Klöster aufgeho-
ben und die Augustinerkirche dem Abriß preisgegeben, was den Verlust ihrer sämtlichen Inschrif-
ten (31 Stücke)90 zur Folge hatte, falls diese nicht schon der Barockisierung zum Opfer gefallen
waren. Der im 14.Jahrhundert einsetzende Inschriftenbestand der Pfarrkirche ist mit 22 Stücken
immer noch eindrucksvoll. Besonders hervorzuheben sind die Inschriften-Denkmäler des Kirchen-
schatzes, darunter em spätgotisches Altarkreuz von überregionalem Rang (nr. 123). Doch ist be-
zeichnend, daß die Kirche seit der 1869-71 vorgenommenen Regotisierung durch den Architek-
ten Joseph Egle (1818-1899) keinerlei Grabmäler mehr besaß. Die heute vorhandenen Grabplatten
kamen erst 1982 bei der letzten Renovierung aus dem Fußboden zutage, davon stammen vier
Stücke (nrr. 26, 62, 82, 87) noch aus dem spätromanischen Vorgängerbau vor 1492. Einige der spä-
teren Grabschriften sind direkt in die Außenwand der Kirche eingehauen (nrr. 213, 250, 254) und
beziehen sich wohl auf Bestattungen in unmittelbarer Nähe auf dem Kirchhof. Spätestens seit
156791 war der Friedhof außerhalb der Stadtmauer angelegt, wo bis heute Epitaphien vom 16. bis
19.Jahrhundert erhalten blieben.
3.6 Gärtringen
In den Ritterschaftsorten stellen sich die Verhältnisse anders dar als in den Amtsstädten, wo der Adel
als Auftraggeber meist völlig fehlt. Auch wenn die Adligen — etwa als adlige Obervögte — ihren Sitz
in der Stadt hatten, zogen sie für die Bestattung ihrer Familienglieder meist die Familiengrablege ihres
Stammortes der Stadtkirche vor. Von den wenigen Ortschaften des Niederadels im Landkreis Böb-
lingen soll nur Gärtringen als exemplarisches Beispiel für einen bedeutenden Inschriften-Standort
vorgestellt werden92.
Die evangelische Pfarrkirche St. Veit ist eine der größten Dorfkirchen des Bearbeitungsgebietes
und besitzt noch heute eine reiche Ausstattung, darunter einen Inschriftenschatz von 28 Inschrif-
ten (4 verloren). Eine Pfarrkirche ist schon 1275 erstmals erwähnt. Der heutige Bau ist em voll-
ständig gewölbter Neubau aus der Zeit nach 1485 (Chor vollendet 1496); der wehrhafte Westturm
ist 1455 datiert. Noch während er emporwuchs, schenkte Graf Ludwig von Württemberg 1456
dem Herrenberger Chorherrenstift die Kirche und den Kirchensatz in Gärtringen. Deshalb waren
die Brüder vom Gemeinsamen Leben, seit 1481 Rechtsnachfolger des Stifts, zusammen mit der
Ortsherrschaft der Harder von Gärtringen baupflichtig für Chor und Langhaus, deren Gewölbe
demjenigen der Herrenberger Stiftskirche künstlerisch verwandt ist. Der Neubau stand vermutlich
in Verbindung mit einer damals aufblühenden Wallfahrt zu Ehren des hl. Veit, woraus dem Bau die
notwendigen Geldmittel zuflossen. In dem Grabmal des jugendlichen Hans Reinhart von Gärtrin-
gen, gefallen 1519, besitzt die Kirche eines der wenigen Grabdenkmäler von überregionalem Rang
(nr. 158). Auch die zeitlich anschließende Serie der Grabplatten ist erstklassig in der Ausführung
von Schrift und Wappen (nrr. 175, 180, 192, 202). Als Spezialität haben sich drei hölzerne Toten-
schilde (nrr. 159, 174, 201) und em noch vollständiges Holz-Epitaph (nr. 350) mit zugehörigen
Grabmälern erhalten. Die Denkmäler setzen sich bruchlos nach 1650 mit hochwertigen Stücken
fort93. Besonders reizvoll ist die um 1660 entstandene nachreformatorische Ausmalung der Kirche
mit zahlreichen Inschriften94. Zwar mußte auch Gärtringen in der Frühphase der Reformation

89 1629 sind fünf Glocken als vorhanden erwähnt; von diesen ist keine erhalten.
1 Diese sind 1663 noch als vorhanden bezeugt, aber möglicherweise bereits durch die Barockisierung dezimiert ge-
wesen.
Bauzahl 1567 an der Friedhofsmauer. — Angeblich soll schon 1388 anläßlich der Niederlage bei Döffingen ein Fried-
hof außerhalb der Stadt angelegt worden sein, um die Toten der Schlacht zu begraben; außerdem befanden sich
Kirchhöfe bei der Pfarrkirche und bei den Augustiner-Eremiten; vgl. Glöckle, Die Pfarrkirche von Weil der Stadt
1956,377.
Janssen, R., Die Kirche St. Veit bis zur Reformation. In: Ev. St. Veit-Kirche Gärtringen 1996, 7—39; Haibauer, K.,
Bau- und Kunstgeschichte. Ebd. 77-151.
Hier ist das gemalte Holz-Epitaph für Ulrich Oberanns, gest. 1672, zu nennen; derselbe hat auch laut Stifterinschrift
94 den Altarkruzifixus von 1665 gestiftet; vgl. Haibauer, ebd. 141 und Abb. 116; 118 f. und Abb. 92.
Eine gemalte Wandinschrift mit einem gereimten Mahnspruch, deren Entstehungszeit nicht näher bestimmt werden
konnte, ist im Anhang aufgenommen (Anh7a).

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