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Zahn, Peter; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 90 = Münchener Reihe, 16. Band, Nürnberg, Teilband 3,1) (1609-1650) — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.57583#0042
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2765, 2917), Meppen (1349), Gent (1382, 2298, 2887, 4304a), Antwerpen (1420, 1642, 1700, 1735, 1744,
1762, 1855, 1976a, 2075, 2253, 2374, 2460, 2463, 2578, 3001, 3029, 3185, 4139, 4461), aus Brügge (2300,
3433, 3870), Lüttich (2968), weiteren Orten im Hennegau (1561, 1813, 2032, 2390, 2480, 2602, 2765,
3274, 3276, 3626, 4094) und aus Brabant (2891). Sie bringen aus ihrer Heimat spezielle Fertigungs-
kenntnisse, weitgespannte Handelsverbindungen und oft beträchtliche Vermögen mit: unter ihnen sind
aus Antwerpen dieTacquet (Nr. 1420), die Piepelaer (Nr. 1762), de Stiger (Nr. 2075 und 2578), aus den
Niederlanden die Monan (Nr. 2390) und ausTournai im Hennegau die Legrand (Nr. 2766). Auch fast
alle Vertreter des in Nürnberg neu eingeführten Gewerbes der Tuchfärbung und Tuchbereitung nach
„englischer“ Art sind Calvimsten aus den südlichen Niederlanden (Nr. 1642, 1700, 1701, 1735, 1855,
1952, 2374, 2463, 2602, 3001, 3185), wie auch fast alle Tuchhändler (1264, 1382, 1349, 1561), sowie die
(Seiden-)Bortenwirker und Seidenhändler (Nr. 1813,2390, 2719, 2968, 3274, 4091,4139, 4461). In diese
Gruppe gehören auch Juweliere, Gold- und Silberarbeiter sowie die Händler mit Leonischen Draht-
waren (Nr. 3276, 3433, 4154) und die neue Gruppe der Geld- und Wechselhändler.
Die seit Mitte des 16. Jahrhunderts zu achtzig Prozent protestantischen Länder Österreichs werden
in der Gegenreformation rekatholisiert. Parallel zur Zuwanderung aus den Niederlanden, wirkt sich
daher seit den späten 1570er Jahren die Migration aus Österreich aus, mit Spitzen vor und nach den
Bauernaufständen (1595/96) und den Ausweisungen unter Ferdinand II. (1578 — 1637, Kaiser ab 1619),
schließlich mit den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges ab 1618. Im September und Oktober 1598
und im Sommer des Jahres 1600 kommt es zu ersten Ausweisungen der Prediger und Schulmeister. Es
folgt eine bürgerliche Auswanderungswelle von „Frühexulanten“, die allem aus der Steiermark etwa
2500 Personen umfaßt. Zwischen 1598 und 1605 sollen aus ganz Innerösterreich rund 11 000 Men-
schen emigriert sein,38) wobei ab 1596 die Angst vor den näherrückenden Türken und wirtschaftliche
Motive von den religiösen nicht immer zu trennen sind. Weitere bürgerliche Exulantenwellen folgen
auf das kaiserliche Generalmandat vom 4. Oktober 1624, das die „Ausschaffung aller evangelischen
Prediger und Schulmeister“ aus Oberösterreich anordnet. Ein Bauernaufstand wird im Mai 1625 mit
aller Härte niedergeschlagen. Für große Teile der Bevölkerung wird es ab Oktober 1625 zur Pflicht,
katholische Gottesdienste zu besuchen, die Fasttage einzuhalten, Beichtzettel vorzuzeigen und bei
Fronleichnamsprozessionen mitzugehen.39) Die adeligen Exulanten folgen ab 1628/29 der allgemeinen
Bewegung.
Für viele Zuwanderer ist Nürnberg besonders anziehend: sie finden ein relativ liberales Luthertum,
einen noch immer reichen und differenzierten Handel, rege Geldgeschäfte (die zur Einrichtung der
zweiten deutschen Börse geführt hat), einen hohen Stand der metallverarbeitenden Handwerke, bis hin
zum Musikinstrumentenbau, und ein hochentwickeltes vorindustrielles „Verlagswesen“, das imstande
ist, in kürzester Zeit ganze Heere auszurüsten. Auch dank seines Druckgewerbes gilt Nürnberg mit
seinem regen geistigen Leben als Kunstmetropole für den deutschen Süden und genießt den Ruf einer
Musenstadt. Die Reichsstadt an der Pegnitz zieht daher unter den österreichischen Exulanten nicht nur
Kaufleute an, sondern auch Kunsthandwerker und in anderen Berufen tätige, wie den Wiener Hofgla-
ser Gallus Walldt (Nr. 4070). Nach Nürnberg kommen die Kärntner Leonhard Roßbacher (Nr. 3331)
und der Weinhändler Pangratz Pilgram (Nr. 4093,4286), die Stetner aus Laibach und Villach (Nr. 1667,
3900, 3993,3994), der Kaufmann Thomas Neßmann (Nr. 2575,4114), der Montanhändler Andreas Auer
(Nr. 2940), der Handelsmann und ehemaliger Ratsbürger Christoff Schwäger (Nr. 3135), und der Rats-
herr und Stadtrichter Rochius Gräsl (Nr. 4044), alle vier ebenfalls aus Villach. Aus Salzburg kommt der
Kaufmann Andreas Althamer (Nr. 3536). Aus der Steiermark wandern die Putz (Nr. 2862, 3490), Rich-
ter (Nr. 4142) und die Peuchel (Nr. 4263) ein. Die Hauptwelle der Migration aus Österreich erreicht
Nürnberg nach 1608, zuerst mit Geistlichen und Beamten (Nr. 2940, 3024, 3273,4099, 4253,4302), wie
der Steiermärker Schulrektor Georg Mauritius (Nr. 3086), dann mit Vertretern des Adels und Hoch-
adels, die sich im evangelischen Umfeld der Reichsstadt neue, wenn auch bescheidenere Herrensitze
suchen, wie die Pauli zu Nagerschick (Nr. 3005) (Nr. 4205, 4305,4306, 4400) undTürck von der Eisen-
tratten (Nr.4147). Zuletzt kommen Geistliche und Beamte aus den wieder in den alten Glauben ge-
zwungenen Gebieten der Oberpfalz und Böhmens: etwa der Lehensschreiber des Marschalck von
Ebneth, Abraham Jareyß aus Tirschenreuth (Nr. 4344), der Pfarrer und Prediger zu Viechdach Valentin
Meder (Nr. 3616), der Böhme Andreas Schreder (Nr. 3959), der Zeugwirker aus Tirschenreuth Joel
Geisel (Nr. 4084), der Seidenfärber Jonas Geißel aus Tirschenreuth (Nr. 4206), der pfalzgräfliche Berg-

38) Werner Wilhelm Schnabel, Österreichische Exulanten in oberdeutschen Reichsstädten. Zur Migration
von Führungsschichten im 17. Jahrhundert. (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte; 101) München 1992,
S.39ff.
39) Ebenda S. 50 ff.

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