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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0038
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Martin Luther. I. Gottesdienstordnungen.

3. Deudsche messe und ordnung gottis diensts. 1526.
Obwohl man schon an verschiedenen Orten mit einer Verdeutschung der Messe vor-
gegangen war, war Luther selbst zur Abfassung einer deutschen Messe nur schwer zu bewegen.
Einmal kam er den schon früh hervor getretenen Wünschen nach einheitlicher Festlegung der
Ceremonien ungern entgegen; er fürchtete, dass daraus leicht „Gesetze, Fallstricke der Ge-
wissen“ werden könnten. Nullos magis odi, sagte er einmal, quam eos qui caeremonias liberas
et innoxias exturbant et necessitatem ex libertate faciunt, (de Wette 3, 294; Enders 6,226.)
Aehnliche Gedanken äusserte er gegen Nikolaus Hausmann (vgl. de Wette 2, 563;
Enders 5, 52 ff.), und später wiederholt [vgl. de Wette 3, 36; Enders 5, 257 (Brief
an die Erfurter); de Wette 6, 90 (Brief an Georg von Anhalt), und namentlich auch die
Vorrede zur deutschen Messe]. Sodann übersah er nicht die grossen Schwierigkeiten eines solchen
Werkes. Es genügte ihm nicht, einfach die lateinischen Worte ins Deutsche zu übertragen,
sondern „Es muss beide Text und Noten, Accent, Weise und Geberde aus rechter Muttersprach
und Stimme kommen“ („Wider die himmlischen Propheten“, 1524. Werke, Erlangen 29, 134).
Ueber die Gründe, welche Luther endlich im Jahre 1525 bewogen, an die Arbeit zu gehen, und
uber seine Bemühungen, in Text und Musik den von ihm selbst gestellten Anforderungen zu
genügen, vgl. Walther in der Weimarer Ausg. 19, 46 ff.
Am 29. Oktober 1525 wurde die Messe versuchsweise in Wittenberg eingeführt, nach-
dem Luther in einer charakteristischen Ansprache der Gemeinde die wahre Bedeutung der
Neuerung, und namentlich auch seine Gründe für die Abfassung auseinandergesetzt hatte:
„Darumb hab ich mich auch so lang gewehrt mit der deutschen Messe, dass ich nicht Ursach
gäbe den Rottengeistern, die hineinplumpen unbesunnen, achten nicht, ob es Gott haben wölle.
Nun aber so mich so viel bitten aus allen Landen mit Geschrift und Briefen, und mich der welt-
lich Gewalt darzu dringet, könnten wir uns nicht wohl entschuldigen und ausreden, sonder
müssen darfür achten und halten, es sei der Will Gottes.“
Die ersten Drucke wurden 1526 ausgegeben.
Zur Geschichte vgl. Köstlin, Luther 2, 15; Jacoby, Liturg. der Bef. 1, 275; Walther
in der Weimarer Ausg. 19, 44 ff. Zu den Ausgaben vgl. Walther in Weimarer Ausg. 19, 60 ff.
Walther nennt 10 Drucke und 19 Sonderabdrucke einzelner Abschnitte aus dem 16. Jahrh. —
In den Gesammtausgaben findet sie sich: Wittenberg (1561) 7, 369—375 (in anderen
Auflagen Bl. 399—403, bezw. 429 — 435); Jena 3, 277 ff.; Altenburg 3, 467 ff.; Leipzig 22, 241 ff.;
Walch 10, 268 ff.; Erlangen 22, 226 ff.; Weimar 19, 72 ff. Ausserdem in: Luthers Werke für
das christliche Haus, herausgeg. von Buchwald, Braunschw. 1891 ff. 7, 159 ff.; Lomler,
Luther’s Deutsche Schriften. 2. Bd. (Gotha 1816) S. 126 ff.; Daniel, Codex liturg. 2, 97 ff.;
Dichter, K.O. 1, 35. Die Musiknoten sind nur abgedruckt in der Erlanger Ausgabe, in
„Luther’s Werke für das christliche Haus“, und mustergültig in der Weimarer Ausgabe.
Wir geben hier einen Abdruck nach dem Texte der Weimarer Ausgabe, mit Weglassung
der Musiknoten und der nach dem Segen eingefügten „Exercitatio, oder ubunge der melodeyen“.

VORRHEDE MARTINI LUTHER.
Vor allen dingen wil ich gar freundlich ge-
beten haben, auch umb gottis willen, alle die
ienigen, so diese unser ordnunge im gottis dienst
sehen oder nach folgen wollen, das sie ja kein
nötig gesetz draus machen noch jemands gewissen
damit verstricken oder fahen, sondern der christ-
lichen freiheit nach ihres gefallens brauchen, wie,
wu, wenn und wie lange es die sachen schicken

und fodern. Denn wir auch solchs nicht der
meinunge lassen ausgehen, das wir jemand dar-
innen meistern oder mit gesetzen regiern wolten,
sondern die weil allenthalben gedrungen wird auf
deutsche messen und gottis dienst und gros klagen
und ergernis gehet uber die mancherlei weise
der neuen messen, das ein iglicher ein eigens
macht, etliche aus guter meinunge, etliche auch
aus furwitz, das sie auch was neues auf bringen
und unter andern auch scheinen und nicht
 
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