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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0039
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8. Deudsche messe und ordnung gottis diensts. 1526.

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schlechte meister seien; wie denn der christlichen
freiheit alle wegen geschicht, das wenig der
selbigen anders gebrauchen denn zu eigener lust
oder nutz und nicht zu gottis ehre und des nehisten
besserung. Wie wol aber eim iglichen das auf
sein gewissen gestellet ist, wie er solcher freiheit
brauche, auch niemands die selbigen zu weren
oder zuverbieten ist, so ist doch darauf zu sehen,
das die freiheit der liebe und des nehisten diener
ist und sein sol. Wo es denn also geschicht, das
sich die menschen ergern oder irre werden uber
solchem mancherlei brauch, sind wir warlich
schuldig die freiheit einzuzihen und, so viel es
müglich ist, schaffen und lassen, auf das die leute
sich an uns bessern und nicht ergern. Weil denn
an diser eusserlichen ordnung nichts gelegen ist
unsers gewissens halben fur gott und doch den
nehisten nutzlich sein kan, sollen wir der liebe
nach, wie S. Paulus leret, darnach trachten, das
wir einerlei gesinnet sein und, aufs beste es
sein kan, gleicher weise und geberden sein,
gleich wie alle christen einerlei taufe, einerlei
sacrament haben und keinem ein sonderlichs von
gott geben ist.
Doch wil ich hiemit nicht begeren, das die
ienigen, so bereit ihre gute ordnunge haben oder
durch gottis gnaden besser machen konnen, die
selbigen faren lassen und uns weichen. Denn es
nicht meine meinunge ist, das ganze deutsche
land so eben müste unser Wittembergische ord-
nung an nemen. Ists doch auch bis her nie ge-
schehen, das die stifte, klöster und pfarhen in
allen stucken gleich weren gewesen. Sondern
fein were es, wo in einer iglichen hirschaft
der gottsdienst auf einerlei weise gienge und
die umbligende stedlin und dörfer mit einer stad
gleich bardeten; ob die in andern hirschaften
die selbigen auch hielten oder was besonders dazu
thetten, sol frei und ungestraft sein. Denn
summa, wir stellen solche ordnunge gar nicht
umb der willen, die bereit christen sind; denn
die bedurfen der dinge keins, umb wilcher willen
man auch nicht lebt, sondern sie leben umb unser
willen, die noch nicht christen sind das sie uns
zu christen machen; sie haben ihren gottis
dienst im geist. Aber umb der willen mus man
solche ordnunge haben, die noch christen sollen
werden oder sterker werden. Gleich wie ein
christen der taufe, des worts und sacraments
nicht darf als ein christen, denn er hats schon
alles, sondern als ein sunder. Aller meist aber
geschichts umb der einfeltigen und des jungen
volcks willen, wilchs sol und mus teglich in der
schrift und gottis wort geubt und erzogen werden,
das sie der schrift gewonet, geschickt, leuftig und
kündig drinnen werden, ihren glauben zuver-
treten und andere mit der zeit zu leren und

das reich Christi helfen mehren; umb solcher
willen mus man lesen, singen, predigen, schreiben
und tichten, und wo es hulflich und fodderlich
dazu were, wolt ich lassen mit allen glocken dazu
leuten und mit allen orgeln pfeiffen und alles
klingen lassen, was klingen kunde. Denn darumb
sind die bebstlichen gottis dienste so verdamlich,
das sie gesetze, werk und verdienst draus ge-
macht und damit den glauben verdruckt haben
und die selbigen nicht gericht auf die jugent und
einfeltigen, die selbigen damit in der schrift
und gottis wort zu uben, sondern sind selbst dran
beklieben und halten sie als ihn selbst nutz und
nöttig zur selikeit; das ist der teufel. Auf wilche
weise. die alten sie nicht geordnet haben noch
gesetzt.
Es ist aber dreierlei unterscheid gottis
diensts und der messe. Erstlich eine latinsche,
wilche wir zuvor haben lassen ausgehen, und
heist formula missae. Dise wil ich hie mit nicht
aufgehaben oder verendert haben, sondern wie
wir sie bis her bei uns gehalten haben, so sol
sie noch frei sein, der selbigen zu gebrauchen,
wo und wenn es uns gefellet oder ursachen be-
wegt. Denn ich in keinen weg wil die latinische
sprache aus dem gottis dienst lassen gar weg
komen, denn es ist mir alles umb die jugent zu
thun. Und wenn ichs vermöcht und die kriech-
sche und ebreische sprach were uns so gemein
als die latinische und hette so viel feiner musica
und gesangs, als die latinische hat, so solte man
einen sontag umb den andern in allen vieren
sprachen, deutsch, latinisch, kriechisch, ebreisch
messe halten, singen und lesen. Ich halte es gar
nichts mit denen, die nur auf eine sprache sich
so gar geben und alle andere verachten. Denn
ich wolte gerne solche jugent und leute aufzihen,
die auch in fremden landen kunden Christo
nütze sein und mit den leuten reden, das nicht
uns gienge wie den Waldenser in Behemen, die
ihren glauben in ihre eigene sprach so gefangen
haben, das sie mit niemand konnen verstendlich
und deutlich reden, er lerne denn zuvor ihre
sprache. So thet aber der heilige geist nicht im
anfange. Er harret nicht, bis alle welt gen Jeru-
salem keme und lernet ebreisch, sondern gab
allerlei zungen zum predig amt, das die Apostel
reden kunden, wo sie hin kamen. Disem exempel
wil ich lieber folgen; und ist auch billich, das
man die jugent in vielen sprachen ube, wer
weis, wie gott ihr mit der zeit brauchen wird?
dazu sind auch die schulen gestiffet.
Zum andern ist die deudsche messe und
gottis dienst, da von wir itzt handeln, wilche
umb der einfeltigen leien willen geordent werden
sollen. Aber dise zwo weise mussen wir also
gehen und geschehen lassen, das sie offentlich in
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