Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0040
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

Martin Luther. I. Gottesdienstordnungen.

den kirchen fur allem volk gehalten werden,
darunter viel sind, die noch nicht gleuben oder
christen sind, sondern das mehrer teyl da steht
und gaffet, das sie auch etwas neues sehen, gerade
als wenn wir mitten unter den turken oder
heiden auf eim freien platz oder felde gottis
dienst hielten ; denn hie ist noch keine geordente
und gewisse versamlunge, darinnen man kunde
nach dem evangelio die christen regiern. Sondern
ist eine offentliche reizung zum glauben und
zum christenthum
Aber die dritte weise, die rechte art der
evangelischen ordnunge haben solte, muste nicht
so offentlich auf dem platz geschehen unter aller-
lei volk; sondern die ienigen, so mit ernst
christen wollen sein und das evangelion mit hand
und munde bekennen, musten mit namen sich ein
zeichen und etwo in eim hause alleine sich ver-
samlen zum gebet, zu lesen, zu teufen, das sacra-
ment zu empfahen und andere christliche werk
zu uben. In dieser ordnunge kund man die, so
sich nicht christlich hielten, kennen, strafen,
bessern, ausstossen oder in den bann thun nach
der regel Christi Matth. 18. Hie kund man
auch ein gemeine almosen den christen auf-
legen, die man williglich gebe und aus teilet
unter die armen nach dem exempel S. Pauli.
2. Cor. 9. Hie durfts nicht viel und gros ge-
senges. Hie kund man auch ein kurze feine
weise mit der taufe und sacrament halten und
alles aufs wort und gebet und die liebe richten.
Hie muste man einen guten kurzen catechismum
haben uber den glauben, zehen gebot und vater
unser. Kurzlich, wenn man die leute und per-
sonen hette, die mit ernst christen zu sein be-
gerten, die ordnunge und weisen weren balde
gemacht. Aber ich kan und mag noch nicht eine
solche gemeine oder versamlunge orden oder
anrichten. Denn ich habe noch nicht leute und
personen dazu; so sehe ich auch nicht viel, die
dazu dringen. Kompts aber, das ichs thun mus
und dazu gedrungen werde, das ichs aus gutem
gewissen nicht lassen kan, so will ich das meine
gerne dazu thun und das beste, so ich vermag,
helfen. In des wil ichs bei den gesagten zwo
weisen lassen bleiben und offentlich unter dem
volk solchen gottis dienst, die jugent zu uben
und die andern zum glauben zu rufen und zu
reizen, neben der predigt helffen foddern, bis
das die christen, so mit ernst das wort meinen,
sich selbst finden und anhalten, auf das nicht
eine rotterei draus werde, so ichs aus meinem
kopf treiben wolte. Denn wir deutschen sind ein
wild, rho, tobend volk, mit dem nicht leicht-
lich ist etwas an zufahen, es treibe denn die
höhiste not.
Wolan in gottis namen! Ist aufs erste

im deudschen gottis dienst ein grober, schlechter,
einfeltiger guter catechismus von nöten. Cate-
chismus aber heist eine unterricht, damit man die
heiden, so christen werden wollen, leret und
weiset, was sie gleuben, thun, lassen und wissen
sollen im christenthum: da her man catechu-
menos genennet hat die leer jungen, die zu solcher
unterricht angenommen waren und den glauben
lernten, ehe denn man sie teufet. Dise unter-
richt oder unterweisunge weis ich nicht schlechter
noch besser zu stellen, denn sie bereit ist ge-
stellet von anfang der christenheit und bis her
blieben, nemlich die drei stuck, die zehen gebot,
der glaube und das vater unser. In disen dreien
stucken steht es schlecht und kurz fast alles, was
eim christen zu wissen not ist. Dise unterricht
mus nu also geschehen, weil man noch keine
sonderliche gemeine hat, das sie auf der cantzel
zu etlichen zeitten oder teglich, wie das die not
fodert, fur gepredigt werde und da heimen in
heusern des abents und morgens den kindern und
gesinde, so man sie wil christen machen, fur ge-
sagt oder gelesen werde. Nicht alleine also,
das sie die wort auswendig lernen noch reden,
wie bis her geschehen ist, sondern von stuck zu
stuck frage und sie antworten lasse, was ein iglichs
bedeute und wie sie es verstehen. Kan man auf
ein mal nicht alles fragen, so neme man ein
stuck fur, des andern tages ein anders. Denn
wo die eltern oder verweser der jugent diese muhe
durch sich selbs oder andere nicht wollen mit
ihn haben, so wird nimer mehr kein cathechis-
mus angericht werden. Es keme denn da zu,
das man eine sonderliche gemeine anrichtet, wie
gesagt ist.
Nemlich also sol man sie fragen: ‘Was bet-
testu?’ Antwort: ʻdas vater unser’. ‘Was ists
denn, das du sprichst: Vater unser im himel?’
Antwort: ‘Das gott nicht ein irdenischer, sondern
ein himlischer vater ist, der uns im himel wil
reich und selig machen’. ‘Was heist denn: dein
name werde geheiliget?’ Antwort: ‘das wir
seinen namen sollen ehren und schonen, auf das
er nicht geschendet werde’. ‘Wie wird er denn
geschendet und entheiliget?’ Antwort: ‘Wenn
wir, die seine kinder sollen sein, ubel leben,
unrecht leren und gleuben’. Und so fort an, was
gottis reich heisse, wie es kompt, was gottis
wille, was teglich brod etc. heisse. Also auch
im glauben: ‘Wie gleubestu?’ Antwort: ‘Ich
gleube an gott vater’, durchaus. Darnach von
stuck zu stuck, darnachs die zeit gibt, eines oder
zwei auf ein mal. Also: ‘was heist an gott
den vater almechtigen gleuben?’ Antwort: ‘Es
heist, wenn das herze ihm ganz vertrauet und
sich aller gnaden, gunst, hulfe und trost zu ihm
gewislich versihet zeitlich und ewiglich’. ‘Was
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften