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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0102
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Ernestinisches Sachsen. Cap. V. 1572—1600. Weimarer Theil.

Vertreter des Rathes und des gemeinen Kastens, Gemeinde-Älteste, aus den in Entfernung bis zu
sechs Meilen vom Sitze des Consistoriums entfernten Städten und Dörfern citiren und examiniren.
Die weiter abgelegenen Ortschaften sollten die Superattendenten mit dem Amtmann oder Schösser
(mit oder ohne Notar des Consistoriums) in ähnlicher Weise „visitiren und inquiriren“. Man
sieht, aus praktischen Gründen wurde theils „Synodus“, theils „Visitation“ angeordnet.
Ob diese Spezial- oder Lokal-Visitationen der Superintendenten sofort in’s Leben ge-
treten sind? Man kann diese Frage bejahen und gleichzeitig aber auch behaupten, dass sie kaum
ein besonderes Leben entfaltet haben werden. Denn es sind uns Nachrichten von ihnen
nicht erhalten.
Während die Consistorial-O. von 1561 keinerlei Bestimmungen enthält, befahl die
Consistorial-O. von 1569, dass „dieweilen alle Superintendenten inhalt der visitations-ordnung
auffgericht [darunter ist wohl die Instruktion von 1569 gemeint] jährlich die speciales visita-
tiones zu halten“ und die gefundenen Mängel dem Consistorium anzuzeigen haben, die Con-
sistoriales über diese Vorschrift wachen sollen. Hier wurden also jährliche Lokal-Visitationen
angeordnet. Aber es ist nicht anzunehmen, dass diese Vorschrift wirklich beobachtet worden ist,
denn nur aus dem Jahre 1573 finden sich einige wenige Visitationsprotokolle, und die Consistorial-O.
für Jena von 1574 schärfte die Bestimmung von Neuem ein: „Dieser commissarien ampt sol
furnemlich sein, das sie mit allem treuem vleis, gut acht und aufsehen haben, damit der jüngsten
Visitation, in allen artikeln nach gesetzt, der darinnen christlich angestellte consens, nach dem
wort gottes, biblischen, prophetischen, apostolischen schriften und Augspurgischen Confession,
wie es von denn hochbegabten und reinen lerern Luthero und Philippo in irer beider schrifften,
lauter rein und einhellig verfasst erhalten werde . Sie sollen auch darauf sehen, das in allen
Superintendenzen jährlich zwei Examina gehalten, und „dieselben anderer gestalt nicht angestelt,
auch darinnen verfahren werde, denn wie es jüngst die visitatores geordnet und verabschiedet“.
(Gemeint ist die zur Beseitigung des Flacianismus 1573 von Kurfürst August angeordnete Visi-
tation; vgl. die erste der drei oben abgedruckten Visitationsfragen.) Aber auch nach dieser
erneuten Einschärfung wird diese Art der Visitation nicht in Fluss gekommen sein. Wenigstens
liegen keinerlei bezügliche Akten in den Archiven vor.
Mögen auch von einigen eifrigen Superintendenten hie und da, vielleicht sogar jährlich
zweimal solche Visitationen vorgenommen worden sein, so haben wir doch hierin gewiss nur Aus-
nahmen zu erblicken, wie dies auch das sogleich zu nennende Mandat Kurfürst August’s vom
14. Oktober 1577 ausdrücklich bestätigt.
Wandlung brachte in dieser Beziehung erst die Vormundschaft des Kurfürsten
August. Dieser übertrug die kursächsischen Einrichtungen auch auf das Ernestinische Gebiet.
Er richtete die ständigen Lokal-Visitationen, sowie den sogleich zu nennenden General-Synodus
in derselben Weise ein wie in seinem eigenen Lande.
Die kursächsische Visitations-Instruktion von 1577 wurde auch für das Ernestinische Land
(Weimarischen wie Coburgischen Theils) publizirt. Ein Exemplar dieser angepassten Instruktion
bildet sich in einer Handschrift des 16. Jahrhunderts, in einem Sammelbande der Rathsschul-
Bibliothek zu Zwickau XVIII. V. 2. 37 Seiten. Die Abweichungen derselben von dem
Albertinischen Grundtexte sind bei dem unten abgedruckten Albertinischen Exemplar angemerkt.
Durch ein gedrucktes Mandat, d. d. Dresden den 14. Oktober 1577, welches Kurfürst
August „in Vormundschaft unserer geübten Vettern, Herzogen zu Sachsen etc. des Weimarischen
und Coburgischen Theils“ an „alle Pfarrherrn, Kirchen- und Schuldiener, Amtleute, Schösser,
Adel vom lande, Bürgermeister u. s. w.“ ergehen liess, wurde die neue Einrichtung eingeführt.
In diesem Mandat führte der Kurfürst aus: Es beständen grosse Mängel im Kirchenwesen, weil
nicht jährlich Visitationen gehalten würden; es sollte daher nicht bei den General-Visitationen
sein Bewenden haben, sondern es sollten in Zukunft dauernd jährlich zweimal alle Kirchen,
 
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