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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0121
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Die bischöfliche Verfassung. Die Consistorien.

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Visitationen hatten wohl die Reformation eingeführt und die nothdürftigsten Organisationen,
Pfarreien und Superintendenturen, geschaffen; darüber hinaus blieb aber noch unendlich viel zu
organisiren übrig. In Ermangelung einer anderen Instanz griff zunächst der Landesherr ein.
Er entschied die an ihn gestellten speziellen Anfragen, aber er traf auch Anordnungen für eine
Allgemeinheit von Fällen. Unter dem 21. Mai 1543 erliess Herzog Moritz zwei Mandate, welche
neben anderen auch wichtige kirchliche Angelegenheiten betrafen, nämlich „Bann, geistliche
Güter, Verwalter des bischöflichen Amts und verbotene Grade“.
Diese Artikel werden in der Regel „Landes-Ordnung“ genannt, so im Cod. Aug. I, 18,
von Georg Müller in Beitr. zur Sächs. Kirchengesch. 9, 101 ff. und von Anderen. Genauer
betrachtet sind sie ursprünglich zwei selbständige Mandate gewesen. Dieselben sind in besiegelten
Originaldrucken erhalten in Dresden, H.St.A. Loc. 7434, Herzog Moritzens Ordnung 1543. Diese
Mandate erschienen dann zusammengezogen im Drucke 1543 („gedruckt zu Leipzig durch Nickel
Wolraben 1543“) unter dem Titel: „Des durchlauchtigen hochgeborenen fürsten und herrn,
herrn Moritzen herzogen zu sachsen u. s. w., dreier schulen und in etlichen andern artikeln
neue landesordnunge, 1543.“ (Exemplare in der Zwickauer Rathsschulbibliothek XII. VI. 12;
Kgl. Bibliothek Dresden; vgl. König S. 47.) Darnach Abdruck im Codex Augusteus 1, 13 bezw.
1, 18. Hier sind die beiden Mandate in eines zusammengezogen, und die Einleitung der zweiten
O. ist durch eine Überschrift „Von des bischöflichen amts verwaltern“ zu einem besonderen
Capitel erhoben. Den Zwecken dieser Sammlung entsprechend, gelangt die originelle Fassung
zum Abdruck, natürlich nur so weit es sich um kirchenrechtliche Bestimmungen handelt.
(Nr. 27 a, b.)
Diese Verordnungen des Herzogs, namentlich die einseitige landesherrliche Regelung
des Kirchenbanns, erregten das Missfallen Luther’s, der übrigens auch mit der sachlichen Nor-
mirung des Kirchenbanns nicht einverstanden war. Sie gaben Veranlassung zu einer der so
interessanten und so häufig missverstandenen Äusserungen Luther’s über die Trennung des welt-
lichen und geistlichen Regiments. Vgl. den Brief Luther’s an Pfarrer Greser in Dresden vom
22. Oktober 1543. (de Wette 5, 596.) Man vgl. Georg Müller, a. a. O. 9, 101 ff.; Sohm,
Kirchenrecht, Leipzig 1892 1, 603; Rieker, Die rechtliche Stellung der ev. Kirche, Leipzig
1893, S. 169 ff.
Mit diesen Verordnungen war natürlich das vorhandene Bedürfniss entfernt nicht be-
friedigt. Insbesondere fehlte es an höheren Aufsichts-Organen und an Ehegerichten. Ja, wenn
die katholischen Bischöfe im Lande, zu Merseburg und Meissen, übergetreten wären, so wäre
die Organisation leicht gewesen. Man wäre einfach in den alten Bahnen unter veränderten Ge-
sichtspunkten fortgefahren. Das wäre Moritz die angenehmste, weil auch bequemste Lösung
gewesen. Sie schien sich zunächst nicht verwirklichen zu lassen. Wie sagt doch Herzog Moritz
selbst in seiner Landesordnung von 1543? „Von des bischoflichen ampts verwaltern. Es tragen
sich bei unsern zeiten allerlei unrichtigkeiten in denen kirchen zu, unter anderen das sich zwo
personen mit einander zu der ehe versprechen und auf der canzel offentlich aufbieten lassen
und dann einander die ehe wieder aufsagen, so ist auch niemand der die kirchen visitirt und
darauf achtung giebt, wie das pfarrampt gehalten wird, welchs sich alles doher verursachet das
die bischöf ir ampt nicht recht gebrauchen und dem an keinem ort genuge thun. Weil wir
dann von unserer landschafft ausschuss unterthänig angelanget, das wir das einsehen thun
wollten, dass die bischoff in unsern landen ir bischöflich ampt und consistoria christlich und der
göttlichen schrifft gemess übeten und hielten, haben wir die beiden bischöff zu Meissen und
Merseburg durch etzliche desselben ausschusses ires ampts treulich und fleissig erinnern lassen.
Weil sie aber in der zeit nicht zu vermugen, werden wir verursacht etzliche prälaten aufzulegen,
in unserm lande das bischoflich ampt mit der visitation und sonst christlich heiliger göttlicher
schrift gemess, auszurichten und nachfolgende artikel zu verordnen. Den wir vermerken, wie
 
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