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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0466
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Hanau-Münzenberg

den44, ihme solches undersaget, da er frembd, seines
thuns erfahren, und da solcher müßiggänger einiges-
fals undüchtig befunden, eingezogen45; wo aber
nicht, zur arbeit vermahnet. Und da er darüber
nicht arbeiten, sondern andern zum ergernus und

bösem exempel nochmaln also zue faulenzen umb-
gehen und in wirtsheusern liegen wolte, durch jedes
orts schultheißen und andere obrigkeiten mit thurn-
und andern leibsstrafen daraus getrieben wer-
den. I 331r|

IV. Cap.: Wie den rechten haußarmen soll an jedem ort handreichung geschehen

1. Da aber jemand aus leibs schwacheit oder anderer
unfäll, als mißwachs46, krieg, brandt, alter, viele der
kinder und was dergleichen mehr erhebliche ursa-
chen in dieser gebrechlichen welt vorgehen, in armut
gerhaten und vermögliche freundschaft47 hette, sol-
len dieselbe, ihre verwanten, solche dem almusen
nicht aufladen, sondern selbst zue underhalten
schüldig sein, wie dan die verordnete almusen pfle-
gere oder eltesten deswegen mit der freundschaft
handlen und sie dahin vermahnen, auch die obrig-
keit jedes orts sie, wo noth, mit ernst darzue hal-
ten48 soll.
2. Also auch ein jeder hausherr soll seine haus-
genoßen, wann sie etwas kranck oder sonst unver-
müglich, nicht als balt zum haus hinaus stoßen oder
furs almusen weisen, sondern noch eine weile ent-
weder daheim oder anderswo genugsam nach seinem
besten vermögen von dem seinigen versorgen, es seie
dan in gefehrlichen und ansteckenden seuchen, da-
von hernach49 soll gesagt werden. 331v |
3. Wan sichs nun befünde, daß in der gemeinde
einige personen vorhanden, die gottsfurchtig,
fromb, redlich und gerne arbeiten wolten und doch
von wegen rechtmeßiger und kundbahrer50 ursach
nicht könten oder dermasen mit jungen oder
krancken kindern uberladen, daß sie darüber ar-
muth, not und kummer leiden müßen, die auch un-
vermögliche freunde hetten und also anderst nicht
dan aus dem gemeinen almusen versehen und erhal-
ten werden könten, so sollen alsdan gedachte elte-
sten mitsampt den geordenten almusenpflegern und
kirchendienern fleißig ermeßen, wie viel solcher per-
son uber das, so sie täglichen hat und verdienen kan,
44 Vorgestellt, überschickt.
45 Eingesperrt, gefangengesetzt, Grimm, DWb 3, Sp. 354.
46 Missernte.
47 Wohlhabende Verwandtschaft.

zue ihrem täglichen brodt und notwendiger under-
haltung mangelet und von nöthen sein möchte, und
solches etwa wochentlich durch die verordneten al-
musenpfleger ihnen aus dem gemeinen almusen zue
reichen, biß auf beßere vermüglichkeit oder leibs ge-
sundheit, erkennen.
4. Weiches dan die verordneten also trewlich ver-
richten und ihnen zuestellen sollen, daß sie entweder
auf einen gewißen tag die ar- 332r | men an einem
orth, so darzue namhaft gemacht und verkündet
werden soll, oder den krancken und solchen armen,
die gewißens oder scham halben das almusen zue-
fordern underlaßen und doch grose noth leiden,
(welche dan ein jeder kirchendiener und almusen-
pfleger wißen und solche trewlich in der gemeinen
versamblung der eltesten und almusenpfleger anzei-
gen soll) durch trewe, beeidigte personen schicken
oder selbst bringen.
5. Auch sollen die almusenpfleger die armen flei-
ßig und zum oftern mal, insonderheit aber, da sie
schwach und kranck wehren, beneben dem kirchen-
diener nach gelegenheit besuchen und, nachdeme ei-
nes jeden notturft erfordert, aus Gottes wort trö-
sten, zue einer christlichen, gottseeligen und spar-
samen haushaltung vermahnen, anleitung und an-
weisung geben, auch, so etwas weiter oder weniger,
dan zue deren underhaltung verordnet, vonnöthen,
daßelbig unverzüglich ferners anbringen und die ge-
bür verschaffen.
6. Insonderheit mit verstand, wie den armen
zuehelfen, nachsinnen, die medicos, arzt oder sche-
rer51 an jedem ort umb Gottes willen zue solchen
zuegehen ersuchen, ob vielleicht manchen 332v j
48 Anhalten, ermahnen.
49 Siehe unten, S. 453f.
50 Bekannter, Grimm, DWb 11, Sp. 2619.
51 Barbiere, Wundärzte.

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