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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0467
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11. Almosenordnung [1600]

krancken armen, so, wan er gesundt, sein brot wol
erwerben könte, hiedurch zuehelfen, wo es dan die
notturft, solchem auch die arzenei bestellen und aus
dem almusen bezahlen.
7. Item, ob etwan etliche kinder zue hand-
wercken und andern zue verdingen und hierdurch
den armen zuehelfen, daß sie hernach ohne das al-
musen ihr brodt erwerben möchten, sollen sie auf
solchen fall durch hülf negster freund solches thun.
Und was die freunde von den ihren deswegen zue
leisten nicht vermögen, aus dem gemeinen almusen
erstatten und also des armen noth abhelfen.
8. Da aber die kirchendiener oder almusenpfle-
ger merckten, daß die, so das almusen emphahen,
ubel haushielten, sie selbst und ihre kinder nicht zur
predigt göttliches worts und den gebrauch der hei-
ligen sacramenten gingen, sondern die verachteten,
die kinder auch nicht zur gottesfurcht oder arbeit
anhilten noch zum catechismo schickten, sondern
nur zue faulheit, betlen, umblaufen und strun-
zen52 gewehneten (deßen sich dan jeder almosen-
pfleger in seinem quartier bei den genachbarten flei-
ßig zuerkündigen), sollen sie solches bei |333r| den

eltisten anzeigen, die ihnen das almusen biß auf be-
ßerung abzuestricken53 haben. Und da auch nach-
maln keine beßerung erfolgen thete, soll die obrig-
keit, deren es dan anzuebringen, gegen ihnen thurn-
oder andere gebürliche strafe furnehmen.
9. Es sollen auch ermelte verordnete almusen-
pfleger gute achtung haben, wan grose thewerung
oder andere schwere zeit durch mißwachs, groß ge-
wäßer54, brand, kriegswesen oder dergleichen unfall
vorhanden, ob sie ihren mitbürgern mit fürstre-
ckung korns oder gelts aus dem armut und zue be-
ßerer ihrer nahrung ohne beschwerliche auflage oder
aufschlage verholfen sein können, daßelbige thun,
und hernacher, wan jemand dardurch vermöglicher
worden, dem almusen zueguet wider einbringen, auf
daß man zur zeit der thewrung wider vorrhat haben
und andern gleicher gestalt helfen möge.
10. Wan nun den armen aus ihrer noth geholfen
und sie ihr brodt widerumb selbst erwerben können,
soll denselbigen das almusen nicht ferners gereichet
werden, auf daß man nicht ewige pfründten aus dem
almusen mache, sondern die einzige55 noth die richt-
schnur deßelben bleibe.

V. Cap.: Woher die almußen, so auszuespenden, zuenehmen |333v

1. Damit aber die verordnete almusenpfleger wißen
und haben mögen, woher sie ihren armen zue hülf
und stewer kommen mögen, so soll bei einem jeden
orth und bei einer jeden gemeindt bleiben alles, was
von alters oder sonst zum almusen fur die armen
gestiftet und verordnet ist und von demselbigen
nichts hinweg genommen, sondern bei jedem orth
im vorrhat gelaßen werden.
2. Es sollen auch dahin trewlichen angewendet
und von jedes orts schultheißen oder zentgräfen ge-
meltem almusen pflegern jeder enden geliefert wer-
den die geltstrafen, so vermög unserer disciplinord-
nung56 dem almusen gebühren, welche dan die al-
musenpfleger zue empfahen und neben andern zue
verrechnen haben.

52 Müßig umherstreifen, Grimm, DWb 20, Sp. 135.
53 Zu verweigern, zu entziehen, Grimm, DWb 1, Sp. 134.
54 Hochwasser.

3. Item, was unsere beampten biß anhero den
armen an brodt, gelt, korn, schue oder anderm aus-
zuespenden in jedem ampt underhanden und macht
gehabt, soll hinfüro in jedes ampt, darin es gestiftet,
und solches mit gebürender uhrkundt, so derselbe
verrechnete beampter in seiner rechnung beizuele-
gen, an die ort eingetheilet werden, da hiebevor am
wenigsten ist, welches dan die almusenpfleger dero-
selben orth auch empfangen, austheilen und ver-
rechnen sollen. 334r |
4. Dergleichen, was fur newe legata jedes orths
oder ampts den armen zum besten gestiftet (dahin
dan die vermögliche inwohner durch die beampten,
auch kirchendiener, notarien und andere, so zue zei-
ten bei aufrichtung der testamenten seint, fleißig

55 Einzelne, besondere.
56 Zuchtordnung von 1599/1602, siehe oben, Nr. 7.

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