Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0469
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
11. Almosenordnung [1600]

keit jedes orts angezeigt werden sollen, welchen die-
selben nicht von handen zuelaßen, biß die straf er-
legt seie; und solche soll alle vierthel jars auch den
almusenpflegern geliefert, die büchsen aber von je-
der gemeind bestellet und bezahlet werden.
11. Gleichfals soll auch auf den jarmarckten in
den stätten, flecken und dörfern den frembden an-
wesenden krämern die almusenbüchs durch die ver-
ordnete almusenpfleger oder -diener fürge- 336r |
stellet und sie, den armen auch etwas zue gutem zu-
ereichen, vermahnet werden.
12. Item, was die marckmeister hin und wider in
stätten und flecken auf den wochen- und andern
märckten oder sonst zue handhabung guter policey
in kaufen und verkaufen von denen, so ihre wahr
uberschäzen62, es seie an brot, fleisch, kraut, obs
oder anderer eßenspeiß, abnehmen, soll ins almusen
geliefert werden.
13. Nicht wenigers soll in reichen herbst- und
erndtzeiten nicht allein von den vermüglichen bür-
gern und nachbarn das almusen gesamblet, sondern
auch die zehendherrn jedes orts von den eltisten,
dem almusen stewr zuethun, fleißig ersucht werden,
in ansehung, daß solche stewr nicht allein in dem
beschriebenen unfehlbaren wort Gottes gegrün-
det63, sondern auch die alten canones das viertheil
solcher gefälle den armen zuegeschrieben ha-
ben64.
14. Item die gottspfenning65 in kaufen und ver-
kaufen sollen jedem schultheißen, zentgrefen, bür-
germeister oder, wo die kaufbrief pflegen aufgericht
und gesigelt zue werden, durch die, so bei dem kauf
seint, zuegestellet und furter ins almusen geliefert
werden.
Unnd dieweill gemeinlich ein ubermäßiges frä-
ßen und saufen bei den weinkanten66 fürgehet, auch
wol etwan kauf geschehen allein freßens 336v | und
saufens halben67, da weder der kaufer noch ver-
62 Mit überhöhten Preisen anbieten.
63 Dtn 14,28-29; 15,1-11; 26,12-13.
64 Nach der im Decretum Gratiani festgelegten Vierteilung
der Zehnten sollte je ein Teil dem Bischof, dem Pfarr-
klerus, den Armen und Fremden sowie der Kirchenfa-
brik zukommen, Decr. Grat. I, C. 12, q. 2, c. 23-31 =
ClCan I, Sp. 694-698.
65 Handgeld, Trinkgeld.

kaufer lieferung thun kan, so soll hinfuro so viel ein
jeder weinkauf uber die landbrauchliche und sofern
zuegelaßene gebür sich weiter erstrecket, ebenso viel
auch vom kaufer und verkaufer, das ist von jedem
das halbig theil, zue straf in das almusen von der
obrigkeit jedes orths unnachläßig genommen und
den almusenpflegern geliefert werden.
15. Und damit die armen durftigen noch desto
beßer und mehr versorget werden mögen, so befeh-
len wir und vermahnen menniglichen, daß in allen
flecken, dörfern oder gemeindten alle wochen durch
die almußenpfleger, in stetten aber durch sondere
sambler, von haus zue haus gesamblet werde, was
jeder an gelt, korn, brot oder anderm freiwillig ste-
wren will, damit ein jeglicher des bettelns, so biß
anhero mit großer unordnung und beschwernus bei
vielen eingerißen, die wochen uber vor den thüren
möge uberhaben68 sein. Welche inwohner dan fur
sich selbsten freiwillig zue entschließen, was sie also
wochentlich in das almusen legen wollen, dahin auch
alle undergesezte obrigkeiten, kirchendiener und al-
musenpfleger jedes orts dieselben vermahnen, doch
einem jeden das freistellen sollen; und solches soll
alsdan von ihnen angenommen und zum gemeinen
almusen verschafft werden. | 337r |
Dargegen aber sollen obgedachte almusenpfleger
oder -sambler und verordnete bettelvögte diejeni-
gen, so fur sich und ihre kinder des bettelns vor den
hausern sich understehen, mit ernst davon abhalten,
in betrachtung, daß ein jedes haußgesäß69 vor-
hin70 sein gebürnus reiche. Welche sich uber solch
verbott aber des bettelns nochmaln understehen
würden, sollen der obrigkeit jedes orts, die alsdan
deßwegen gebürliches einsehen furzuenehmen, ange-
zeigt werden.
16. Diese unsere angestelte almusenordnung
aber soll mitnichten den verstand haben, daß etwan
unsere underthanen weniger, dan bißhero besche-
66 Weinkannen.
67 Kaufgeschäfte wurden mit einem Mahl besiegelt, vgl.
Scherner, Kauf/Kaufrecht, in: LMA 5 (1991),
Sp.1080-1082.
68 Enthoben, Grimm, DWb 23, Sp. 308.
69 Jede Familie, Grimm, DWb 10, Sp. 667.
70 Zuvor.

451
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften