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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0470
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Hanau-Münzenberg

hen, ihr almusen zue reichen wolten, sondern viel
mehr schüldig sein, ein jeder in sein gewißen zuege-
hen, den armen (wo müglich) etwas weiter, dan biß-
hero beschehen, zue leisten, alleine, daß er solches
hinfuro den almusenpflegern als verordneten eins-
amblern zue sondern verordneten tägen und nicht
den landstreichern reiche. Was nun also die almu-
senpfleger jederzeit einsamblen oder was sonsten fur
die armen beigebracht und in den almusenkasten
oder -stock jeder zeit eingeleget oder mit umbtra-
gung des seckels aufgehaben und gesamblet wirt,
sollen | 337v| sie fleißig abzehlen und in die einnah-
me, was sie aber nach ausweißung dieser ordnung
fur die armen wider davon ausgeben, in die ausga-
ben ihrer almusenrechnung durch den kirchendiener
(wofern sonst keiner schreiben oder lesen kan, son-
sten aber durch einen aus ihrem mittell71) verzeich-
nen und das ubrige in den gemeinen almusenkasten
legen, welcher kasten in der kirchen an einen ge-
wahrsamen orth oder da sonsten die eltisten zue-
sammen zuekommen pflegen, und mit zweien oder
dreien underschiedlichen schloßern (darzue der
pfarrherr den einen und einer oder zween aus den
almusenpflegern jeder auch ein besondern schlüßell
haben, damit keiner ohne den andern den kasten öf-
nen könne) verwahrt stehen und zuegleich auch die
almusenregister oder die kerfen72 verwahret darin
liegen bleiben sollen.
17. Im fall nun, solcher kasten von wegen menge
der armen eröset73, soll der pfarrherr die gemeind
ernstlich vermahnen, zue verhutung göttliches zorns
reichlichen von ihrem uberfluß in das almusen zue-
legen, er selbst auch nach seinem vermög habender
ehrlicher bestallung jerlichen inkommen und ver-
mögen seinen anbefolenen 338r | zuehörern mit gu-
tem exempel hierin vorgehen.
18. Auch sollen die verordnete almusenpfleger in
sonderlichen zuetragenden notfallen extraordinari

71 Aus dem Kreis der Almosenpfleger.
72 Holzbrett oder -stab, auf dem die Einnahmen und Aus-
gaben durch Kerben vermerkt wurden (Kerbholz).
73 Aufgebraucht, leer, Grimm, DWb 3, Sp. 935.
74 Erwerbsbeschäftigungen, Grimm, DWb 10, Sp. 470.
75 Bescheinigung, Grimm, DWb 14, Sp. 2426f.
76 Die zu Klassen zusammengefassten Pfarrsprengel, wie

collecten thun, die reichsten ihrer gemeindte, ampt-
leuthe und andere, so mit handthierungen74 umbge-
hen, umb stewr von hauß zue hauß in eigener person
ersuchen, in betrachtung, daß jeder alsdan desto
reichlicher stewret und es auch niemand eine schand
ist, Christo dem herrn in seinen armen glidern zue
dienen und was in solchem fall contribuiret wirt,
aufzeichnen.
19. Da aber eine gemeindt oder pfarr selbst so
arm an almusen, an gefällen und sonsten, daß sie
ihre rechte armen alle zue underhalten nicht ver-
möchte und deßen schein75 von ihren eltesten fürb-
rechte, soll eine oder mehr nach gelegenheit und grö-
ße der not und menge der armen genachbarte pfarr
der classen76, darein das dürftig ort gehört, es seien
stätte, flecken oder dorfe, durch den kirchendiener
und almusenpfleger des dörftigen orts umb hülf er-
suchet werden und dieselbigen andere pfarren nach
ihrem vermögen ihnen zuehelfen schuldig sein, de-
ßen von ihrem vorrhat zue thun macht haben und
ihnen in rechnung paßirt77 werden. 338v |
20. Und im fall, eine genachbarte pfarr zue hel-
fen nicht genugsam, mögen sie durch die amptleuthe
oder inspectores eines jeden ampts solche ihre noth
an mehr und im fall an alle pfarren derselben claßen
gelangen laßen, welche ihnen auch, wie ob gemelt,
hülf zue thun schüldig, auf daß also die armen not-
turftigen durch der reichen uberfluß erquicket und
erhalten werden.
21. Da es auch not, sollen kirchendiener und al-
musenpfleger, in eine classen gehörig, zue abhelfung
und richtigmachung der mängel, so der armen un-
derhaltung halben furfallen, macht haben, zuesam-
men zuekommen, sich freundlich, christlich und
mitleidenlich, wie solchem abzuehelfen, zuebeden-
cken, und was bedacht, von ihrem vorrhat ins werck
zuerichten.
22. Damit auch alle oberzelte posten und stück,

sie in der Ordnung der Landesverwaltung von 1600 an-
geordnet wurden, oben, Nr. 10. Vgl. auch die Konvents-
ordnung [1609], in der die Klassen beschrieben sind, un-
ten, Nr. 14.
77 Berücksichtigt, angerechnet, Grimm, DWb 13,
Sp.1488.

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