XIII 1 Kirchenordnung 1564
unfried und streit under den fürnembsten unsers
teils theologicis durch Gottes gnaden ein wenig ge-
stillet worden, ist sich doch bei dieser letzten un-
rühigen welt keines bestendigen friedes und warer
einigkeit ebenso wenig in eußerlicher christlicher
kirchenordnung als in dem heuptsachen zu ver-
muten, weil noch fur und fur des mancherlei un-
nötigen flickwerks, neue kirchenordnungen anzu-
stellen, kein ende noch aufhören sein will; den es
nu mer dohin kommen ist, das ein jeder dorfpfarher
(besonder die außerhalben fürstlicher superinten-
denten under denen vom adel sitzen) etwas sonder-
liches will anrichten.
Solchen unrat zu verhüten, haben e[uer] e[rnvest]
anwesende brüder und vettern fur das beste an-
gesehen, das wir eine der eltesten und besten kirchen-
ordnungen, die bei des erwirdigen, gotterleuchten
manes d. Martini Lutheri leben in vielen christlichen
kirchen üblich und gebräuchlich gewesen, anstelle-
ten, welches wir uns zum hochsten gefallen lassen
und mit irer e[rnvest] rat die brandenburgische ord-
nung32, wie selbige von dem wolgelarten, getreuen
herrn magistro Veit Dietrich, des ermelten doctoris
Martini Lutheri getreuen discipulo33, mit sondern
fleiß bestellet, für uns genommen, die den Lutherus
(seliger gedechtnus), approbiret und gelobet hat34,
welche auch nach viel ermeltens herrn Lutheri ab-
sterben under dem adiaphorischen gezenk zuvor un-
geändert und ohn einiges hinzu- oder davontun ver-
blieben und bis auf diesen tag in der obern und un-
dern marggrafschaft35 und vieler andern sted und
flecken kirchen noch gehalten wird, aus und nach
welcher agenda wir uns nach bemelten punkten ver-
glichen haben.
32 Bei den Verfassern der Kirchenordnung wird offen-
sichtlich die Brandenburgisch-nürnbergische Kir-
chenordnung von 1533 (unsere Nr. III 4, S. 140-279)
und das Agendbüchlein Veit Dietrichs (unsere Nr. V 1,
S. 487—553) in eins gesetzt.
33 Siehe S. 487!
34 Das gilt für die KO 1533 (vgl. S. 120). Von einem
Urteil Luthers über das Agendbüchlein ist nichts be-
kannt.
35 Die an sich aus zwei räumlich voneinander getrenn-
ten Gebieten bestehende Markgrafschaft war 1541
zwischen Markgraf Georg und seinem Neffen Albrecht
Alzibiades geteilt worden, befand sich aber seit 1557
1. Von der vesper am sonabend.
Dieweil aus vielfältigen ursachen die sondere ver-
hör der communicanten wieder angerichtet soll wer-
den, damit man geraume zeit habe, nach notturft
die einfeltigen zu unterrichten, soll ein jeder pfar-
herr die leute vermahnen, das diejenigen, so folgen-
den sonntag wollen communiciren, mit der gewöhn-
lichen arbeit abbrechen und zu rechter zeit sich zu
der kirchen verfügen und soll der custos desto eher
feierabent leuten36 und mit dem pfarherrn einen
psalm singen. Darnach soll der pfarherr die collecten
singen und die personen, so vorhanden, verhören
und underweisen.
An furnembsten hohen festen aber, do gewöhn-
lich mer volks denn sonst zum abentmal pfleget zu
gehen, soll der pfarherr um 2 uhr lassen leuten und
mit dem custos und schüelern, so die vorhanden, ein
geistlich lied singen, darauf ein historien lesen, die
sich auf die zeit reumet, darnach wider einen kurzen
gesang und mit der collekten beschließen, hernach
die leut und communicanten verhören.
2. Am sonntag, so kommunikanten vorhanden.
Erstlich mag man singen das teutsche Kyrie37,
darnach Allein Gott in der höh sei ehr oder sonst
einen psalmen nach eines jeden gelegenheit. Nach
solchem wende sich der priester gegen dem volk und
singe: Der Herr sei mit euch! Antwortet der custos
und ganze chor: und mit deinem geist! Darauf singet
er die collecten oder gebet, wie die auf die fest und
sonntag verordnet sind. Darnach lese er gegen dem
volk die sonntagsepistel, deutsch und verständlich.
wieder geschlossen in der Hand Georg Friedrichs in
Ansbach. Von einer nennenswerten Verwendung von
Dietrichs Agendbüchlein in jener Zeit in Branden-
burg-Ansbach ist nichts bekannt.
36 Das abendliche Angelusläuten der mittelalterlichen
Kirche, das zum Beten des Englischen Grußes (Ave
Maria) einlud (LThK 1 2, 542f.).
37 Mit dieser Übung steht die Kirchenordnung weder
in Einklang mit der von 1533 noch mit dem Agend-
büchlein. Welches der verschiedenen deutschen Kyrie
(Wackernagel 3, 247—251. 427. — Kulp 130) ge-
meint ist, läßt sich nicht entscheiden.
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unfried und streit under den fürnembsten unsers
teils theologicis durch Gottes gnaden ein wenig ge-
stillet worden, ist sich doch bei dieser letzten un-
rühigen welt keines bestendigen friedes und warer
einigkeit ebenso wenig in eußerlicher christlicher
kirchenordnung als in dem heuptsachen zu ver-
muten, weil noch fur und fur des mancherlei un-
nötigen flickwerks, neue kirchenordnungen anzu-
stellen, kein ende noch aufhören sein will; den es
nu mer dohin kommen ist, das ein jeder dorfpfarher
(besonder die außerhalben fürstlicher superinten-
denten under denen vom adel sitzen) etwas sonder-
liches will anrichten.
Solchen unrat zu verhüten, haben e[uer] e[rnvest]
anwesende brüder und vettern fur das beste an-
gesehen, das wir eine der eltesten und besten kirchen-
ordnungen, die bei des erwirdigen, gotterleuchten
manes d. Martini Lutheri leben in vielen christlichen
kirchen üblich und gebräuchlich gewesen, anstelle-
ten, welches wir uns zum hochsten gefallen lassen
und mit irer e[rnvest] rat die brandenburgische ord-
nung32, wie selbige von dem wolgelarten, getreuen
herrn magistro Veit Dietrich, des ermelten doctoris
Martini Lutheri getreuen discipulo33, mit sondern
fleiß bestellet, für uns genommen, die den Lutherus
(seliger gedechtnus), approbiret und gelobet hat34,
welche auch nach viel ermeltens herrn Lutheri ab-
sterben under dem adiaphorischen gezenk zuvor un-
geändert und ohn einiges hinzu- oder davontun ver-
blieben und bis auf diesen tag in der obern und un-
dern marggrafschaft35 und vieler andern sted und
flecken kirchen noch gehalten wird, aus und nach
welcher agenda wir uns nach bemelten punkten ver-
glichen haben.
32 Bei den Verfassern der Kirchenordnung wird offen-
sichtlich die Brandenburgisch-nürnbergische Kir-
chenordnung von 1533 (unsere Nr. III 4, S. 140-279)
und das Agendbüchlein Veit Dietrichs (unsere Nr. V 1,
S. 487—553) in eins gesetzt.
33 Siehe S. 487!
34 Das gilt für die KO 1533 (vgl. S. 120). Von einem
Urteil Luthers über das Agendbüchlein ist nichts be-
kannt.
35 Die an sich aus zwei räumlich voneinander getrenn-
ten Gebieten bestehende Markgrafschaft war 1541
zwischen Markgraf Georg und seinem Neffen Albrecht
Alzibiades geteilt worden, befand sich aber seit 1557
1. Von der vesper am sonabend.
Dieweil aus vielfältigen ursachen die sondere ver-
hör der communicanten wieder angerichtet soll wer-
den, damit man geraume zeit habe, nach notturft
die einfeltigen zu unterrichten, soll ein jeder pfar-
herr die leute vermahnen, das diejenigen, so folgen-
den sonntag wollen communiciren, mit der gewöhn-
lichen arbeit abbrechen und zu rechter zeit sich zu
der kirchen verfügen und soll der custos desto eher
feierabent leuten36 und mit dem pfarherrn einen
psalm singen. Darnach soll der pfarherr die collecten
singen und die personen, so vorhanden, verhören
und underweisen.
An furnembsten hohen festen aber, do gewöhn-
lich mer volks denn sonst zum abentmal pfleget zu
gehen, soll der pfarherr um 2 uhr lassen leuten und
mit dem custos und schüelern, so die vorhanden, ein
geistlich lied singen, darauf ein historien lesen, die
sich auf die zeit reumet, darnach wider einen kurzen
gesang und mit der collekten beschließen, hernach
die leut und communicanten verhören.
2. Am sonntag, so kommunikanten vorhanden.
Erstlich mag man singen das teutsche Kyrie37,
darnach Allein Gott in der höh sei ehr oder sonst
einen psalmen nach eines jeden gelegenheit. Nach
solchem wende sich der priester gegen dem volk und
singe: Der Herr sei mit euch! Antwortet der custos
und ganze chor: und mit deinem geist! Darauf singet
er die collecten oder gebet, wie die auf die fest und
sonntag verordnet sind. Darnach lese er gegen dem
volk die sonntagsepistel, deutsch und verständlich.
wieder geschlossen in der Hand Georg Friedrichs in
Ansbach. Von einer nennenswerten Verwendung von
Dietrichs Agendbüchlein in jener Zeit in Branden-
burg-Ansbach ist nichts bekannt.
36 Das abendliche Angelusläuten der mittelalterlichen
Kirche, das zum Beten des Englischen Grußes (Ave
Maria) einlud (LThK 1 2, 542f.).
37 Mit dieser Übung steht die Kirchenordnung weder
in Einklang mit der von 1533 noch mit dem Agend-
büchlein. Welches der verschiedenen deutschen Kyrie
(Wackernagel 3, 247—251. 427. — Kulp 130) ge-
meint ist, läßt sich nicht entscheiden.
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