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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0036
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dann auch andererseits niemand zu ihr gezwungen werden solle, beschreitet Pfalz einen Mittelweg zwi-
schen den Religionsparteien, der, ähnlich wie die politische Linie, den Kurs des nächsten Jahrzehnts
bestimmt.
Im Inneren erlebt die reformatorische Bewegung in der Pfalz in dieser Zeit einen neuen Auf-
schwung, an dem besonders Heinrich Stoll als Prediger und Professor großen Anteil hat. Vergeblich
wirbt Vergerio als päpstlicher Nuntius bei Ludwig für die Unterstützung eines Konzils auf italieni-
schem Boden. Seine Berichte konstatieren den großen Einfluß evangelisch gesinnter Räte und den für
katholische Augen unerfreulichen Zustand der Pfälzer Kirche. Gerade diese Mittelposition aber befä-
higte Kurpfalz zur Vermittlerrolle zwischen den Reichsständen. Zusammen mit Albrecht von Mainz
schafft Ludwig die Voraussetzungen des Nürnberger Religionsfriedens von 1532. Auch an der Vor-
bereitung des Frankfurter Anstands von 1539 ist er wesentlich beteiligt. Noch bedeutsamer wird die
Rolle der Pfalz auf den Religionsgesprächen. 1540 in Worms vertreten der altgläubige Matthias Keuler
und der evangelische Heinrich Stoll, beide Heidelberger Theologieprofessoren, gemeinsam die pfälzische
Kirche. 1541 in Regensburg präsidiert des Kurfürsten Bruder zusammen mit Granvella dem Kollo-
quium, auf dem Stoll für die Beibehaltung der bereits ausgearbeiteten Artikel des Regensburger Buchs
eintritt und die Forderung eines freien Konzils erneuert. Das liegt ganz auf der Linie kaiserlicher Reli-
gionspolitik dieser Jahre, der sich Kurpfalz besonders seit 1535, als des Kurfürsten Bruder Friedrich
die Nichte des Kaisers Dorothea, die Tochter des Dänenkönigs Christian II., geheiratet hatte, ganz ver-
schrieben hatte, weil nur auf diesem Wege Hoffnung zu bestehen schien, die dänischen Thronansprüche
für Friedrich zu realisieren.
So steht bis zu seinem nach längerer Krankheit erfolgten Tode am 16. März 1544 die Religions-
politik Ludwigs V. im Schatten politischer Erwägungen. Ludwig selbst ist, obgleich er zeitweise evange-
lisch gesinnten Hofpredigern den Vorzug gab, im katholischen Glauben gestorben. Sein Bruder Friedrich
erbat und erhielt vom Speyerer Domkapitel ein feierliches Leichenbegängnis und Seelenamt für den ver-
storbenen Kurfürsten, dem auch der Kaiser und sein Bruder Ferdinand anwohnten. Selbst Adam
Bartlme, der Hofprediger von Ludwigs 1542 zur Reformation übergetretenem Neffen Ottheinrich in
Neuburg, weiß in seiner Leichenpredigt von dem Verstorbenen nur zu sagen, daß er Gerechtigkeit zu
Schutz und Schirm der Armen geübt, eine starke Neigung zum Frieden besessen und sich um Ausgleich
in den Spaltungen der Zeit bemüht habe, was ihm den Beinamen des Friedfertigen zu Recht eingetragen
habe. Eine Förderung der Reformation kann ihm nicht nachgesagt werden. Ludwig V. hatte eine defini-
tive Entscheidung in der Reformationssache für sein Land vermieden. Vereinzelt hatte er gegen kräftigere
Ansätze der reformatorischen Bewegung eingegriffen, doch nie allzu streng und konsequent und selten
ohne allgemein politische Veranlassung. So konnte die evangelische Bewegung bei Hofe, in der Haupt-
stadt und im Lande eine nicht entscheidend gehemmte Fortentwicklung nehmen, die zu einer wichtigen
Voraussetzung der späteren Reformation wurde.
Nun findet sich in der Literatur vereinzelt1 die Behauptung, daß bereits Ludwig V. am 8. Oktober
1538 ein der Reformation günstiges Religionsmandat erlassen habe, das nicht nur für die Oberpfalz,
deren Stände die Berufung evangelischer Prediger, die communio sub utraque und die Unterwerfung der
geistlichen Personen unter die weltlichen Gerichte gefordert hatten, sondern auchfür die rhein-pfälzischen
Lande Gültigkeit besessen habe. Wir wissen, daß Ludwig für die Rheinpfalz 1531 und 1537 gleich-
lautende Befehle hat ergehen lassen, daß keine Privatperson, insonderheit seine Beamten nicht, liegende
oder andere Güter von Geistlichen oder Ordensleuten erwerben dürften2. Dies sollte augenscheinlich einer
schleichenden Säkularisation des Kirchenguts entgegenwirken, zeigt also gegenläufige Tendenz. Der An-

1 Bossert in ZGO 58 NF 19 (1904), S. 573 und 576-577; Stamer II, S. 291.
2 Vgl. Janson, S. 3-4.

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