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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0098
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Auch wenn sich die Hoffnungen des Vaters, ,,filium großzumachen“78, nicht erfüllten, so wurde er doch
1576 mit großem Pomp in Heidelberg als ein neuer Gideon gefeiert. Seine 1570 mit Elisabeth von Sach-
sen geschlossene Ehe sollte das kurpfälzisch-kursächsische Bündnis festigen, aber so kurzlebig und
wirkungslos dieses war, so unglücklich wurde jene79. Noch einen Tag vor seinem Tode vollzog Friedrich
jenes Codicill zu seinem Testament, das diesen seinen Lieblingssohn begünstigte.
Nach dem Tode des Vaters und während des Aufenthalts des Bruders in der Oberpfalz im Winter
1576/77 hatte Johann Casimir in Heidelberg das Statthalteramt inne. Gemeinsam mit Kräften in Regie-
rung, Universität, Kirche und Bevölkerung versuchte er in diesen Monaten, der drohenden Religions-
änderung entgegenzuwirken. Wenn er auch früher, wohl unter dem Einfluß seines Predigers Johann
Willing, der Einführung der Kirchenzucht widerstrebt hatte, so tritt er nun mit großer Entschiedenheit
für die Geltung der Konfession des Vaters ein. Zeugnis dessen ist:
78. Kirchenordnung ... [von 1576/1577].
Auf dem Titelblatt ist als Druckjahr 1576 genannt, während das Impressum am Schluß 1577 ver-
zeichnet. Dies ist wohl so zu deuten, daß der Druck 1576 begann, aber erst im Folgejahr vollendet werden
konnte. Die Veranlassung des Neudrucks ist nicht ersichtlich. Im kirchlichen Gebrauche waren meist die
Quartausgaben der Kirchenordnung. Diese Ausgabe könnte für das Gebiet Johann Casimirs bestimmt
gewesen sein. Näher noch liegt die Vermutung, daß der Pfalzgraf mit der Publikation des Bekenntnisses
seines Vaters, des Abendmahlstraktats des Tossanus aus der gleichen Zeit und mit eben diesem Druck
der Kirchenordnung der Verteidigung des überkommenen reformierten Kirchenwesens dienlich sein
wollte.
Der Neudruck ist ein getreuer Nachdruck der früheren Oktavausgaben von 1565 (Nr. 39) und 1567
(Nr. 42). Beschreibung, Text und Varianten finden sich bei Nr. 31.
Zusammen mit dem konfessionellen Zwiespalt, bei dem sich Johann Casimir bald von der Frucht-
losigkeit seiner Bemühungen überzeugen konnte, taten sich zwischen den Brüdern gleichzeitig auch
Mißhelligkeiten wegen der Ausführung des väterlichen Testaments auf. Schon die Testamentseröffnung
erreichte der Jüngere nur nach wiederholten Vorstellungen. Über das ihm dort zugeschriebene Statt-
halteramt der Oberpfalz wurde nicht einmal ernstlich verhandelt. Auch als Johann Casimir sich nach
der Bestimmung des Codicills die einträglicheren Ämter Lautern, Neustadt und Böckelheim wählte,
konnte er diese nur in längeren und ihn demütigenden Verhandlungen gegen den hinhaltenden Wider-
stand des Bruders erlangen80. Der Stadt Neustadt bemächtigte er sich schließlich im August 1577 mit
Gewalt.
In diesen Verhandlungen spielt die Verfügung über die geistlichen Gefälle in diesen drei Ämtern
eine Rolle. Im Mai 1577 einigten sich die Brüder, diese zu gleichen Hälften zu teilen und die zuständigen
Beamten gemeinsam in Pflicht zu nehmen.
Mit einer besonderen Eidesformel leisten die Beamten Johann Casimir die Huldigung. Diese
spricht ihm die Vogtei, Schirmherrschaft und sogar landesfürstliche Gewalt zu, wohingegen der Kurfürst
die halbe Nutzung behält. Dies letztere ist nicht Wirklichkeit geworden, da Johann Casimir im Protest
gegen die Heranziehung seiner Ämter zur Türkensteuer durch den kurfürstlichen Bruder in der Folge-
zeit die geistliche Gefälle voll einbehielt. Er begründete dies damit, daß er die von Kurpfalz abgeschafften
reformierten Kirchen- und Schuldiener, die in großer Zahl in sein Gebiet strömten, zu versorgen habe.
Der am 27. Januar 1578 in Heidelberg geschlossene Vertrag zwischen den Brüdern entschied diese Streit-
frage zugunsten Johann Casimirs.
78 Vgl. Kluckhohn, Briefe II, S. 1054.
79 Vgl. dazu die einschlägigen Arbeiten von Kluckhohn und v. Bezold.
80 Zum einzelnen Kuhn, Pfalzgraf Johann Casimir, S. 5-48.

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