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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0103
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sonders geeignet schien. Trotz entschiedener Einlassungen der Universität schlug er am 29. März 1584
seine Thesen an. Die Forderung der lutherischen Theologen, ein notariell zu beglaubigendes Protokoll
zu führen, wurde abgeschlagen, da es sich um eine Disputation, nicht um ein Religionsgespräch handele.
Am 4. April 1584 wurde sie in Gegenwart Johann Casimirs von Ehem und Grynaeus eröffnet, als Re-
spondent fungierte der Zürcher Marcus Beumler. Mit Ausnahme der Sonntage wurde bis zum 13. April
disputiert, wobei zuerst einige lutherische Studenten, dann die Professoren Philipp Marbach und
Jakob Schopper und der Pfarrer und ehemalige Kirchenrat Wilhelm Zimmermann als Opponenten auf-
traten. Studententumulte richteten sich gegen Grynaeus, der schließlich am 14. April von Ehem zum
Sieger erklärt wurde, wogegen die beiden Theologieprofessoren - Kirchner war bereits einer Berufung
nach Weimar gefolgt - und die lutherische Stadtgeistlichkeit Protest einlegten. Auch daran schloß sich
eine längere literarische Fehde über Akten und Inhalt der Disputation.
Im Mai vollzog sich eine Reformation der Schulen, die diese ihre Präzeptoren und die Masse ihrer
Schüler kostete, die durch Reformierte ersetzt wurden. Am 9. Juli wurden die beiden lutherischen
Theologieprofessoren trotz einer am 14. von der Universität für sie eingebrachten Supplikation entlassen.
An Kirchners Stelle rückte Grynaeus, an die Marbachs der aus Marburg berufene Georg Sohn, an die
Schoppers gelangte aus Neustadt Franciscus Junius.
Fast zu derselben Zeit nahte auch das Ende lutherischen Gottesdienstes in Heidelberg. Trotz einer
Eingabe der verbliebenen Pfarrer vom 12. Juli erhielten sie am 17. insgesamt ihre Entlassung, gegen
die auch Supplikationen der Universität vom 27. und der lutherisch gesinnten Bürgerschaft vom 30.Juli
um Belassung des lutherischen Gottesdiensts nichts fruchteten. Die Entfernungen lutherischer Pfarrer
auf dem Lande setzten sich fort.
Ähnlich wie bei der Konfessionsänderung Ludwigs VI. bedeutete die seines Bruders Johann Casi-
mirs wiederum einen fast vollständigen Personalwechsel. Der neue reformierte Pfarrerstand rekrutierte
sich vornehmlich aus den Wetterauer Grafschaften, der Schweiz, dem Niederrhein und den Niederlanden
sowie aus kryptocalvinistischen Emigranten aus lutherischen Territorien. Der Wandel auf dem Lande
scheint keine Unruhen in der Bevölkerung zur Folge gehabt zu haben90.
81. Mandat und constitution ... [vom 17. Mai 1585].
Abgesehen von einigen Formalien ist dies eine wortgetreue Erneuerung des Mandats in der Fassung
des Landrechts von 1582 (Nr. 72). Es ist gleichzeitig für die Rheinpfalz und die Oberpfalz bestimmt.
Eine Beziehung zur Religionsänderung hat es sichtlich nicht.
Beschreibung, Text und Varianten finden sich bei Nr. 56.
Die beiden folgenden Ordnungen offenbaren in vollem Sinne die Religionsänderung Johann Casi-
mirs. Ohne daß wir im einzelnen darüber unterrichtet sind, muß ihnen der Auszug der meisten lutheri-
schen Kirchendiener voraufgegangen sein, so daß nun der reformierte Gottesdienst zum alleinherrschen-
den erklärt werden konnte.
82. Kirchenordnung, wie es mit der christlichen lehre, heiligen sacramenten und ceremonien in der
chur- und fürstlichen Pfaltz bey Rhein gehalten wirdt. Mit eynverleibtem kleinen catechismo von
neuem ubersehen und in druck gefertiget [vom 1. Juni 1585].
Dadurch, daß diese Kirchenordnung ohne eine eigene Vorrede des Administrators, ohne ein beson-
deres Einführungsmandat herausgeht, ordnet sie sich ganz in die Linie der bisherigen Kirchenpolitik
Johann Casimirs ein. Sie will einfach die väterliche Ordnung wiederherstellen, der sie im großen und
ganzen wörtlich folgt. Auch ist der obrigkeitliche Befehl, die neue alte Agende sofort und überall in Ge-
90 So D. L.Wundt, Geschiclnte der kirchlichen Veränderungen, in: Magazin I, 1793, S. 178, der noch die Kirchen-
ratsprotokolle kannte.

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