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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0108
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Auch sie schließt sich gegenüber der Form unter Ludwig VI. (Nr. 59) im Wortlaut wieder ganz eng
an die väterliche Ordnung (Nr. 52) an und ergänzt diese nur durch einige Zusätze, die die Küsterpflichten
des Glöckners näher spezifizieren, wobei in deren erster der inzwischen in Kurpfalz üblich werdende
Psalmengesang im Gottesdienst zum Vorschein kommt.
Beschreibung, Text und Varianten finden sich bei Nr. 52.
Überblickt man die kirchliche Gesetzgebungstätigkeit Johann Casimirs als Administrator insge-
samt, so gliedert sie sich deutlich in drei Phasen. Die erste, deren Signum das Mandat de non calum-
niando ist (Nr. 80), scheint einen völligen Bekenntniswandel nicht beabsichtigt zu haben, sondern ein
auskömmliches Nebeneinander der beiden reformatorischen Konfessionen in einem Territorium an-
gestrebt zu haben. Die konkordistische Bekenntnistreue des lutherischen Ministeriums und deren mit
dem Vormundschaftsstreit unselig verquickter württembergischer Theologensukkurs einerseits und die
über dies Ziel hinausstrebenden Tendenzen der reformierten Berater des Pfalzgrafen ließen diesen
Versuch scheitern. Die zweite Phase von 1585 bis 1587 bringt demzufolge eine obrigkeitliche, mithin
violente Religionsänderung, die ihr Recht aus der Wiederherstellung von Bekenntnis, Gottesdienst und
Kirchenverfassung, wie sie zur Zeit Friedrichs III. galten, herleitete. Reste des kurpfälzischen Luther-
tums erhielten sich als kleine Minorität, die sich erst viel später kirchlich neu konstituieren konnte. Die
letzte Phase steht gewissermaßen im Zeichen einer Vertiefung und Ausformung der gesetzten Verhältnisse,
ihre Dokumente beabsichtigen eine Erziehung der gesamten Bevölkerung zum reformierten Ideal christ-
lichen Lebens.
Am 6. Januar 1592 starb Johann Casimir, nachdem sein letztes großes politisches Projekt eines
protestantischen Bündnisses durch den Tod seines Schwagers Christian von Sachsen und eine neuerliche
lutherische Reaktion in Kursachsen gescheitert war. Die Restauration der reformierten Kirche in Kur-
pfalz war das einzig dauerhafte Ergebnis seines Wirkens. Da seiner unglücklichen Ehe mit Elisabeth
von Sachsen ein Erbe nicht entsprossen war,fielen die von ihm innegehabten pfälzischen Ämter zugleich
mit der Regierung der Kurlande an seinen Neffen Friedrich.

VIII. Die Zeit der Selbstregierung Friedrichs IV. (1592-1610)
Als Johann Casimir starb, war sein Neffe und Mündel Friedrich IV. (1592-1610) 17½ Jahre
alt, zu dem von der Goldenen Bulle vorgeschriebenen Mündigkeitsalter, um sofort die Selbstregierung als
Kurfürst antreten zu können, fehlte ihm noch ein halbes Jahr. Dieser Umstand ließ seinen Großonkel
Reichard von Pfalz-Simmern auf den Plan treten und die Vormundschaft beanspruchen. Aus zwei Be-
stimmungen Kaiser Sigismunds leitete dieser sogar her, daß der Regierungsantritt des jungen Kurfür-
sten erst nach vollendetem 25. Lebensjahr stattfinden könne. In der Zwischenzeit hofften Reichard und
seine fürstlichen Freunde durch eine abermalige Religionsänderung das Luthertum in der Rheinpfalz
wieder restituieren zu können. Doch der Kurprinz erklärte sich sofort zum Kurfürsten, nahm die Landes-
huldigung ein und verlautbarte in verschiedenen Schreiben auf Mahnungen zu einer ,,Reinigung“ seiner
Landeskirche hin seine feste Absicht, die kirchlichen Zustände unverändert erhalten und in dem Glauben,
in dem er erzogen war, verharren zu wollen97. Durch seine frühe Vermählung mit Louise Juliana, der
Tochter Wilhelms I. des Schweigers von Nassau-Oranien und Nichte des politisch einflußreichen
Johann d.Ä. von Nassau-Dillenburg, wurde Friedrich auch familiär fest an die Häupter des deutschen
Reformiertentums gebunden. Die Kaiserliche Belehnung vom 12. August 1594 endigte den mit viel
Aufwand geführten, aber praktisch bedeutungslosen Rechtsstreit.
87 Vgl. v. Bezold, Briefe III, S. 600 nebst Anmerkungen.

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