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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0138
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12. Visitation 1558

[II.] Fragstuck an die pfarhern von der
oberkait und undertanen ampt und leben

[1.] Wie sich die amptleut, dergleichen gericht
und rat bey iren ämptern und regierungen halten.

[2.] Ob sie leichtfertigkeit under inen oder der
gmain gedulden und zusehen.

[3.] Item, ob ergerliche personen under inen oder
der gmain wohnen, als unehliche beysitzer, hurer,
ehebrecher, gotslesterer, die ire eltern in unehren
halten, mit schandlichen wucher umbghen und von
denn amptleuten niht gestrafft werden.

[4.] Item, ob auch etliche in seiner pfarr mit zau-
berey oder aberglauben umbghen, als mit warsa-
gern, und ob sie niht in der grentz wohnen und von
unsers gnedigen herren undertanen ainen zulauf
haben. Wer dieselbigen und wo sie geseßen seien 11.

[5.] Item, ob niht auch sectarii, als sacrament-
schender etc., vorhanden, gehauset und geherbergt
werden.

[6.] Item, ob niht noch ergerliche bildnußen,
fahnen, ampeln etc. vorhanden 12, und ob man niht
ergerlichs leuten, als Ave Maria, wieder das wetter,
nebel, reifen, hitz etc. erhalte 13.

[7.] Item, wie sich die hailigenpfLeger, baides in
pfarhen und in den filialn (welche man alle mit-
ainander in die hauptpfarr erfordern mag) halten.
Was und wieviel oder woher der hailig 14 sein ein-
kommen hab. Ob man auch alle iare rechnung höre

11 Württ. VisitationsO. 1547 (Reyscher 8, 72): Ob sie
leichtfertigkeit under der gemaind gedulden und
zusehen. Ob ärgerliche personen under der gemaind
wonen und von den amptleut nit gestraft werden.
... Ob auch in seiner pfarr etlich personen weren,
die mit zauberey oder aberglauben umbgeen, die
man warsager nennet, oder ob sie an den grenitzen
des ambts woneten und unsere untertanen den zu-
lauf zu inen hetten, wer dieselbigen seiend.

12 Nachdem 1556 die Veitswallfahrten in Waldenburg
abgeschafft werden mußten, sollte der Vogt nach der
Visitation 1558 verbieten, Sankt Urbans Bild umzu-
tragen. Ampeln enthielten das ewige Ö1 in der Kir-
che.

13 Vgl. KO 1553 (Nr. 5, § 23). Der (Rauh)reif schädigt
oder zerstört die Feldfrüchte. Das nächtliche Reif-
läuten war in Schwaben u. a. ein weitverbreiteter
Brauch. Das Nebelläuten hatte denselben apotro-
päischen Sinn zum Schutz der Ernte (HDA 7, 627;
6, 990).

14 = Kirchenvermögen, ursprünglich durch Stiftun-

und der pfarher darbey sey. Ob auch das einkom-
men gnugsam sey, die armen iehrhch davon zu
erhalten. Auch wie man das almusen samle. Ob
auch pfrundlin von der kirchen entwendt, die do
wol konten den rechten armen gegeben werden.

[8.] Item, ob auch die oberkeit inen, den pfar-
hern, vor betrubung, schmach und verachtung der
mutwilligen schutze und verholfen sey, das inen ire
competentz 15 trewlich ohne allen betrug und einred
geraicht werde. Oder, so etwas der pfarr und filialn
entzogen, durch wen solches und wozu es gescheen
sey. Ob sie auch gnugsame underhaltung haben
und woher inen möchte gholfen werden. Ob auch
ire heuser zum studieren bequem oder sonste er-
bawt seien, und woher dieselbigen möchten in we-
sentlichem baw erhalten werden 16.

In gleicher form mag man auch etliche guthert-
zige und ehrhebende leut bey gericht, rat oder der
gmain ad partem dieser puncten halben fragen.

[III.] Fragstuck der visitatorn an die
pfarhern von irer lehr und ampt

1. Was sein lehr sey von der rechtfertigung des
menschens vor Gott.

2. Was er halte von guten werken.

3. Was sein verstand sey von den sacramenten.

4. Was er von den adiaphoris halte 17.

gen an den Heiligen (Patron) der Kirche entstanden.
Der Heilige diente zu Bau und Ausbesserung der
Kirchen, Pfarr- und Schulhäuser usw. und wurde
gelegentlich mit deni Almosen verbunden. Es gab
jeweils 2 Heiligenpfleger.

15 Kompetenz, Unterhaltung = Besoldung. Sie be-
stand aus verschiedensten Einkünften und Abgaben
von Grundstücken, die der Pfarrei gehörten oder
ihr zugewiesen wurden. Erst nach der Visitation
wurden diese Gefälle und Nutzungen durch eine
feste Kompetenz abgelöst (Nr. 12b).

16 Gemeint: wie sie sonstgebaut seien. In wesentlichem
Bau = in gutem Zustand. Die Frage „woher“ be-
zieht sich auf den zuständigen Bauträger. In Sind-
ringen war es z.B. der Abt von Schöntal.

17 Die vier Fragen beziehen sich auf konkrete Lehr-
streitigkeiten. Zum Osiandrischen Streit über die
Rechtfertigung siehe unsere Nr. 7a (Osianders Lehre
wurde 1556 als besondere Gefahr in Hohenlohe be-
tracht-et). 1557 hatte Gräfin Idelena durch den Sti-
pendiaten Albrecht Fiecht über die Vorgänge in

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