27. Konsistorialordnung 1579
pastores uf dem land mit denn pfarrkindern zu ge-
schwind oder nach irhen affecten zuer excomunication
eilen, one was sich sonsten mehr bedenklichs und un-
gewißes derenhalben mag zuetragen — so sollen deren-
halben die verordnete consistoriales, sooft solche und
dergleiche ungewiße, zweifenliche und hedenkliche
sachen, die nit allerdings notori, offenbar und gnueg-
sam bewisen, darinnen mit aller hescheidenheit hand-
len, und was in denselbigen fällen ir guetbedunken und
beschlueß seye mit ubersendung der acta an uns und
unsere canzley gelangen lassen und unsers vernern be-
scheids und bevelchs darüber erwarten.
Werden wir nun befinden, das von verschlagenen,
boßhaften leuten under dem schein deß rechtens nur
abschrecken deß gegenteils und gefehrliche verlenge-
rung der sachen gesucht, darneben das ergernuß inmit-
tels mit großem schaden auf der kirchen Gottes hgen-
pleibt, und nit fürnemblich ir ehr und geruecht ge-
suecht würd, so wollen wir uns jederzeit daruf also er-
kleren wie sich das einer khristlichen oberkeit in sol-
chen fällen wol gebürt, und deßwegen dem gericht, da
die sach erörtert werden solle, allen nottwendigen be-
velch tuen, was gestalt und maßen darin procedirt, in
sonderheit aber kein gefehrliche * * 6, muetwillige und in
recht verbottene lengerung, dilationes, außzug und
umbtrieb 7 nit zu gestatten, sonder mit gebürender
endurteil zum fürderlichisten, sovil müeglich und sich
gebürt, vortzuschreiten, uf das sich niemand an andern
orten super renegata iustitia und verweigerung ordent-
lichen rechtens zu beclagen und auch dem ubel nit zu
lang zugesehen werden mög.
Und dieweil in zweivelhaftigen sachen niemands uf
bloße vermuetung und auser 8 coniecturis one volkom-
mene beweisrmg oder, in mangel derselben, ordenlicher
richterhcher erkantnus nit verdambt werden, so solle
der berüchtigten personn das christlich werk der ge-
vatterschaft und die besuchung und geprauch der
absolution und abentmals pendente ad huc lite 9 nit
verweigert oder sich deren zu enthalten undersagt 9a
werden, seitemal solches in verso ordine gehandelt
heisen würde, sonder mitgeteilt und keiner verweigert
werden solle, sie seie dann mit unserm vorwißen und
bewüligung durch das consistorium in den bann erkant.
Da aber die berüechtige personn das abentmal derge-
e-e Zuerst von Hyso in D eingefügt.
f Zuerst in I) eingefügt.
6 = betrügerisch, in böser Absicht.
7 Dilatio = Aufschub des richterlichen Urteils; aus-
zug = Einwand, Einrede (DRW 1, 1154); umtrieb
= Umstände (Grimm 11, 2, 1231).
8 = aus, auf Grund von.
9 = während noch schwebenden Prozesses.
9a= förmlich verkündet, befohlen (Grimm 11, 3, 1740).
stalt zu empfahen begerte, damit zu bestettigen, das
ir unrecht beschehe, solle sie biß zu erörtterung der
sachen darmit ufgehalten und abgewißen werden. Doch
da dieselbige personn in gefehrliche und tötliche
krankheit geriet, und zu besorgen, das sie das ende der
rechtvertigung nit erleben möchte, und sie deß Herrn
abentmals begeren würde, 10soll der pfarer abermals
allen fleiß fürwenden, das sie ire sünd erkenne und der-
selben von wegen Iesu Christi ledig gesprochen zu wer-
den beger, auch besserung ires lebens verspreche. Da
nun solches durch Gottes gnadt erlangt, soll der pfarr-
herr sie absolvieren, auf ir begeren mit dem nachtmal
Christi trösten und versehen 10 und sich in demselbigen
also erzeigen, damit durch ine sie an irer seelen heil und
seeligkeit nit verkürzt werde. Und solcher gestalt und
maßen soll es auch in solchem fall mit denen personnen,
die albereit excomunicirt weren, gehalten werden.
Im fall auch, da die excomunicirt person one beße-
rung empfangner absolution und deß Herrn abent-
mals auß dißem leben abscheide, so soll das pfarrvolk
der begrebnus nit beiwohnen, noch mit der leicht gehn,
eauch in der kirchen nicht geleutet werden e, sonder
alß ein abgeschnitten gliedt von der christlichen kir-
chen, doch gleichwoll uf den kirchoff begraben lassen 11.
Begebe sich aber, und der pfarer begerte derwegen
seines gewißens halben vom consistorio einen bericht,
das in solcher schwacheit 12 der berüechtige ihme alß
seinem beichtvatter und seellsorger an Gottes statt zu
entledigung seines gewißens die mißhandlung be-
kennde, die er doch offentlich leugnete, und derowegen
wider andere rechtvertigung 13 anfienge oder die ange-
fangene prosequiren wolt etc., so soll das consistorium
keinem pfarrhern raten oder gestatten, solche heimb-
liche beicht, so Gott selbsten geschehen, zu offenbaren
und daruf die excommunication und hinwider auch die
offentliche abbitte zu gründen, sonder soll es biß in
seine gruben behalten.
Darneben soll der krank, die rechtvertigung einen
weg wie denn andern zu prosequiren 14 - aber doch, da
im der gegenteil 15 oder vor f der welt scheinete unrecht
geton haben, denselben in keine gefahr der ehren oder
uncosten muetwillig pringen, sonder die sach in der
güette vertragen zu lassen etc. - von dem pfarrher
geraten, auch sancte promittendo durch inne angehal-
10- 10 Aus Württ. KO 1559 (Bl. 253 a).
11 Dieser Abschnitt erweitert aus Württ. KO 1559.
12 = Krankheit.
13 Prozeß, hier das durch den Pfarrer eingeleitete Ex-
kommunikations verf ahr en.
14 Sinn: Soll dem Kranken von dem Pfarrer geraten
werden, das Yerfahren in jedem Falle bis zur öffent-
lichen Abbitte fortzusetzen.
15 = die andere Partei, der Gegner. Ist nach der Ein-
fügung von ,,vor“ hier „heimlich“ zu ergänzen?
397
pastores uf dem land mit denn pfarrkindern zu ge-
schwind oder nach irhen affecten zuer excomunication
eilen, one was sich sonsten mehr bedenklichs und un-
gewißes derenhalben mag zuetragen — so sollen deren-
halben die verordnete consistoriales, sooft solche und
dergleiche ungewiße, zweifenliche und hedenkliche
sachen, die nit allerdings notori, offenbar und gnueg-
sam bewisen, darinnen mit aller hescheidenheit hand-
len, und was in denselbigen fällen ir guetbedunken und
beschlueß seye mit ubersendung der acta an uns und
unsere canzley gelangen lassen und unsers vernern be-
scheids und bevelchs darüber erwarten.
Werden wir nun befinden, das von verschlagenen,
boßhaften leuten under dem schein deß rechtens nur
abschrecken deß gegenteils und gefehrliche verlenge-
rung der sachen gesucht, darneben das ergernuß inmit-
tels mit großem schaden auf der kirchen Gottes hgen-
pleibt, und nit fürnemblich ir ehr und geruecht ge-
suecht würd, so wollen wir uns jederzeit daruf also er-
kleren wie sich das einer khristlichen oberkeit in sol-
chen fällen wol gebürt, und deßwegen dem gericht, da
die sach erörtert werden solle, allen nottwendigen be-
velch tuen, was gestalt und maßen darin procedirt, in
sonderheit aber kein gefehrliche * * 6, muetwillige und in
recht verbottene lengerung, dilationes, außzug und
umbtrieb 7 nit zu gestatten, sonder mit gebürender
endurteil zum fürderlichisten, sovil müeglich und sich
gebürt, vortzuschreiten, uf das sich niemand an andern
orten super renegata iustitia und verweigerung ordent-
lichen rechtens zu beclagen und auch dem ubel nit zu
lang zugesehen werden mög.
Und dieweil in zweivelhaftigen sachen niemands uf
bloße vermuetung und auser 8 coniecturis one volkom-
mene beweisrmg oder, in mangel derselben, ordenlicher
richterhcher erkantnus nit verdambt werden, so solle
der berüchtigten personn das christlich werk der ge-
vatterschaft und die besuchung und geprauch der
absolution und abentmals pendente ad huc lite 9 nit
verweigert oder sich deren zu enthalten undersagt 9a
werden, seitemal solches in verso ordine gehandelt
heisen würde, sonder mitgeteilt und keiner verweigert
werden solle, sie seie dann mit unserm vorwißen und
bewüligung durch das consistorium in den bann erkant.
Da aber die berüechtige personn das abentmal derge-
e-e Zuerst von Hyso in D eingefügt.
f Zuerst in I) eingefügt.
6 = betrügerisch, in böser Absicht.
7 Dilatio = Aufschub des richterlichen Urteils; aus-
zug = Einwand, Einrede (DRW 1, 1154); umtrieb
= Umstände (Grimm 11, 2, 1231).
8 = aus, auf Grund von.
9 = während noch schwebenden Prozesses.
9a= förmlich verkündet, befohlen (Grimm 11, 3, 1740).
stalt zu empfahen begerte, damit zu bestettigen, das
ir unrecht beschehe, solle sie biß zu erörtterung der
sachen darmit ufgehalten und abgewißen werden. Doch
da dieselbige personn in gefehrliche und tötliche
krankheit geriet, und zu besorgen, das sie das ende der
rechtvertigung nit erleben möchte, und sie deß Herrn
abentmals begeren würde, 10soll der pfarer abermals
allen fleiß fürwenden, das sie ire sünd erkenne und der-
selben von wegen Iesu Christi ledig gesprochen zu wer-
den beger, auch besserung ires lebens verspreche. Da
nun solches durch Gottes gnadt erlangt, soll der pfarr-
herr sie absolvieren, auf ir begeren mit dem nachtmal
Christi trösten und versehen 10 und sich in demselbigen
also erzeigen, damit durch ine sie an irer seelen heil und
seeligkeit nit verkürzt werde. Und solcher gestalt und
maßen soll es auch in solchem fall mit denen personnen,
die albereit excomunicirt weren, gehalten werden.
Im fall auch, da die excomunicirt person one beße-
rung empfangner absolution und deß Herrn abent-
mals auß dißem leben abscheide, so soll das pfarrvolk
der begrebnus nit beiwohnen, noch mit der leicht gehn,
eauch in der kirchen nicht geleutet werden e, sonder
alß ein abgeschnitten gliedt von der christlichen kir-
chen, doch gleichwoll uf den kirchoff begraben lassen 11.
Begebe sich aber, und der pfarer begerte derwegen
seines gewißens halben vom consistorio einen bericht,
das in solcher schwacheit 12 der berüechtige ihme alß
seinem beichtvatter und seellsorger an Gottes statt zu
entledigung seines gewißens die mißhandlung be-
kennde, die er doch offentlich leugnete, und derowegen
wider andere rechtvertigung 13 anfienge oder die ange-
fangene prosequiren wolt etc., so soll das consistorium
keinem pfarrhern raten oder gestatten, solche heimb-
liche beicht, so Gott selbsten geschehen, zu offenbaren
und daruf die excommunication und hinwider auch die
offentliche abbitte zu gründen, sonder soll es biß in
seine gruben behalten.
Darneben soll der krank, die rechtvertigung einen
weg wie denn andern zu prosequiren 14 - aber doch, da
im der gegenteil 15 oder vor f der welt scheinete unrecht
geton haben, denselben in keine gefahr der ehren oder
uncosten muetwillig pringen, sonder die sach in der
güette vertragen zu lassen etc. - von dem pfarrher
geraten, auch sancte promittendo durch inne angehal-
10- 10 Aus Württ. KO 1559 (Bl. 253 a).
11 Dieser Abschnitt erweitert aus Württ. KO 1559.
12 = Krankheit.
13 Prozeß, hier das durch den Pfarrer eingeleitete Ex-
kommunikations verf ahr en.
14 Sinn: Soll dem Kranken von dem Pfarrer geraten
werden, das Yerfahren in jedem Falle bis zur öffent-
lichen Abbitte fortzusetzen.
15 = die andere Partei, der Gegner. Ist nach der Ein-
fügung von ,,vor“ hier „heimlich“ zu ergänzen?
397