9. Vorrede zur Kirchenordnung 1535
9. Vorrede und Artikel zur Kirchenordnunga
1535
Vorred D. Johan Brentzen mit etlichen furnemlichen und notigen artickeln
auff die kirchen ordnung im furstenthom Wurtenberg gestelt.
Anno MDXXXV
Alle ding, sagt Paulus1, sollen zierlich und ordenlich
in der kirchen zu ghen. Hierauff, allerley verwir-
rung, unordnung und ergernus in kirchen handlun-
gen zu verhuetten und zu furkomen, ist dise gegen-
wertige kirchen ordnung verfaßt, darin nicht allein
die ordenlich handlung der gmeinen, nützlichen Ce-
remonien, sonder auch der aller nottigste und von
unserm hern Jhesu Christo zu der cristlichen kir-
chen hail und seyligkeit selbs eingesetzten und auf-
gerichten Sacramenten begriffen worden.
Wiewol nun die recht, warhafftig und allein se-
ligmachent cristlich Religion auff die eusserlichen
Ceremonien, gepreng und ordnung nicht gegrundt
ist, yedoch ist es erbarn, züchtigen leutten, wie die
Cristen sein sollen und die hailig gschrift von in er-
fordert, nicht allein eerlich, sunder auch zur leer und
underricht des hailgen cristenlichen glaubens, da-
rauß man allein von wegen Jesu Christi frum und
gerecht wurdt und entpfahung der hochwirdigen Sa-
cramenten, auß welchem der glaub im gwissen ver-
sichert, gesterckt unnd gebessert wurdt, nutzlich
und nottig, fein, fridlich und zierlich ordnung in ver-
samlung der kirchen zu halten.
Dan nach dem der auserwelt werckzeug Jesu
Christi, Paulus, die kirchen ordnung, so er bey sei-
nen Corinthiern2 auffgericht, nicht schlechte, kin-
dische, bossel3 arbeit, sonder des HERRN gebott
nennet, unnd sagt klarlich, welcher sich last be-
duncken ein prophet oder geistlich zu sein, der
|227v| würdt woll mercken, das des HERRN gebot
sein, was ich euch schreib. So ist leichtlich hierauß
zu vernemen, das gleich wie die satzung weltlicher
a Textvorlage (Handschrift): Stadtarchiv Schwäbisch
Hall, Haller Brenzsammlung 4/56 Bl. 227r-235r. Ab-
druck: Pressel, Anecdota Brentiana, Nr. LVI
S.156-166.
recht, so zur handthabung eusserlicher Zucht, friden
und Erbarkeit auffgericht seyen, fur gotlich ord-
nung geacht, also auch die ordnung der kirchen, so
zur leer gottes worts, auch zur außteylung und ent-
pfahung der haylgen sacramenten nach der einsat-
zung dinstlich und furderlich ist, billich fur gottes
ordnung gehalten werden soll.
Was ist aber einem frommen Christen erlicher und
geburlicher, dan sich seins hern und gots ordnung
gmes und gehorsamlich halten?
Zu dem, dieweyl unser HERR gott, wie Paulus
schreibtt4, kein ursacher der unordnung und verwir-
rung, sonder des fridens ist, so muß herauß volgen,
das solch kirchen ordnung, so zur fridlichen besse-
rung beid, im glauben fur gott und im leben vor der
welt, fur gnomen wurdt, nicht als menschen sat-
zung, sonder als gottes satzung geurteylt werden
soll. Darumb, welcher auß gnaden des hailigen
geists zum friden geneigt ist, der wurdt auch sich
dem haubtsacher des fridens und des selben ordnung
gehorsam zu sein, nicht weygern.
Weytter, so man den nutz und nott einer cristen-
lichen kirchenordnung bedencken will, erfundt sich,
das die selben unzalbarlich unnd unmaßlich seyen,
dan ein zierliche, ordenliche handlung in versamlun-
gen der kirchen bewegt, zeucht und reytzt nicht al-
lein die glaubigen zur fleyssigen besuchung der pre-
dig gottes worts und zur embpsigen entpfahung der
sacramenten, sonder auch zu Zeitten die unglaubi-
gen zu gottes forcht und eerlichem preys gottes na-
mens. Und gleich wie der glaubig durch geschickte
1 1Kor 14,40.
2 Vgl. 1Kor 5-8, 10-14.
3 Geringe.
4 1Kor 14,33.
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9. Vorrede und Artikel zur Kirchenordnunga
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Vorred D. Johan Brentzen mit etlichen furnemlichen und notigen artickeln
auff die kirchen ordnung im furstenthom Wurtenberg gestelt.
Anno MDXXXV
Alle ding, sagt Paulus1, sollen zierlich und ordenlich
in der kirchen zu ghen. Hierauff, allerley verwir-
rung, unordnung und ergernus in kirchen handlun-
gen zu verhuetten und zu furkomen, ist dise gegen-
wertige kirchen ordnung verfaßt, darin nicht allein
die ordenlich handlung der gmeinen, nützlichen Ce-
remonien, sonder auch der aller nottigste und von
unserm hern Jhesu Christo zu der cristlichen kir-
chen hail und seyligkeit selbs eingesetzten und auf-
gerichten Sacramenten begriffen worden.
Wiewol nun die recht, warhafftig und allein se-
ligmachent cristlich Religion auff die eusserlichen
Ceremonien, gepreng und ordnung nicht gegrundt
ist, yedoch ist es erbarn, züchtigen leutten, wie die
Cristen sein sollen und die hailig gschrift von in er-
fordert, nicht allein eerlich, sunder auch zur leer und
underricht des hailgen cristenlichen glaubens, da-
rauß man allein von wegen Jesu Christi frum und
gerecht wurdt und entpfahung der hochwirdigen Sa-
cramenten, auß welchem der glaub im gwissen ver-
sichert, gesterckt unnd gebessert wurdt, nutzlich
und nottig, fein, fridlich und zierlich ordnung in ver-
samlung der kirchen zu halten.
Dan nach dem der auserwelt werckzeug Jesu
Christi, Paulus, die kirchen ordnung, so er bey sei-
nen Corinthiern2 auffgericht, nicht schlechte, kin-
dische, bossel3 arbeit, sonder des HERRN gebott
nennet, unnd sagt klarlich, welcher sich last be-
duncken ein prophet oder geistlich zu sein, der
|227v| würdt woll mercken, das des HERRN gebot
sein, was ich euch schreib. So ist leichtlich hierauß
zu vernemen, das gleich wie die satzung weltlicher
a Textvorlage (Handschrift): Stadtarchiv Schwäbisch
Hall, Haller Brenzsammlung 4/56 Bl. 227r-235r. Ab-
druck: Pressel, Anecdota Brentiana, Nr. LVI
S.156-166.
recht, so zur handthabung eusserlicher Zucht, friden
und Erbarkeit auffgericht seyen, fur gotlich ord-
nung geacht, also auch die ordnung der kirchen, so
zur leer gottes worts, auch zur außteylung und ent-
pfahung der haylgen sacramenten nach der einsat-
zung dinstlich und furderlich ist, billich fur gottes
ordnung gehalten werden soll.
Was ist aber einem frommen Christen erlicher und
geburlicher, dan sich seins hern und gots ordnung
gmes und gehorsamlich halten?
Zu dem, dieweyl unser HERR gott, wie Paulus
schreibtt4, kein ursacher der unordnung und verwir-
rung, sonder des fridens ist, so muß herauß volgen,
das solch kirchen ordnung, so zur fridlichen besse-
rung beid, im glauben fur gott und im leben vor der
welt, fur gnomen wurdt, nicht als menschen sat-
zung, sonder als gottes satzung geurteylt werden
soll. Darumb, welcher auß gnaden des hailigen
geists zum friden geneigt ist, der wurdt auch sich
dem haubtsacher des fridens und des selben ordnung
gehorsam zu sein, nicht weygern.
Weytter, so man den nutz und nott einer cristen-
lichen kirchenordnung bedencken will, erfundt sich,
das die selben unzalbarlich unnd unmaßlich seyen,
dan ein zierliche, ordenliche handlung in versamlun-
gen der kirchen bewegt, zeucht und reytzt nicht al-
lein die glaubigen zur fleyssigen besuchung der pre-
dig gottes worts und zur embpsigen entpfahung der
sacramenten, sonder auch zu Zeitten die unglaubi-
gen zu gottes forcht und eerlichem preys gottes na-
mens. Und gleich wie der glaubig durch geschickte
1 1Kor 14,40.
2 Vgl. 1Kor 5-8, 10-14.
3 Geringe.
4 1Kor 14,33.
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