Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0149
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
9. Vorrede zur Kirchenordnung 1535

Von der leer.
Dieweyl das ewig leben, wie Christus sagt, daran
steet, das wir den einigen, rechten, waren gott und
Jesum Christum, den er gesandt hatt, erkennen, so
ist die leer, dar durch gott und sein Son Christus
erkent wurdt, das haubtstuck in der cristenlichen
kirchen. Es soll aber nicht vermeint werden, das al-
lein die predig uff der Cantzel ein leer sey, sonder
alles, so in der kirchen mit predigen, lesen, singen,
betten und sacrament reichen gehandelt wurdt, ist
nichts anders dan ein leer des glaubens und des, so
dem glauben anhengig und angehorig ist. |229v|
Dan das ist der hochst und greulichst mißbrauch des
bapstumbs, das die kirchenhandlung nicht auff die
leer des glaubens in Christum, sonder uff den ver-
dinst der werck wider den glauben gebraucht seyen
worden, wie auch die unverstandene Judenschaft ire
opfer und gottes dinst (so nicht anderst dan leer auff
den kunftigen Christum und den glauben in selben
gewesen) nicht für ein leer uff Christum, sonder fur
ein verdinst der gnad gottes und ewigs leben gehal-
ten haben. Hierauff, nach dem die recht, warhafftig
gottlich leer, so uns zur frumkeit und seyligkeit not-
turfftig, in der heiligen Biblia beid, alts und neuwes
testaments, grundlich und volkomentlich durch den
haylgen gaist verfast ist, so soll die biblia allein die
recht schnur und regell sein, nach welcher in der kir-
chen alle predig, lesen, singen, betten und Sacra-
ment reichen angericht werde. Unnd dieweyll in der
Zwispaltung der Religion ein ytlich partey sich der
Bibel berompt und einer die spruch und Inhalt der
biblischen bucher da hinauß, der ander dort hinauß
zeyhet, so sollen die selben biblischen bucher nach
einleitung und anweysung der Confessio und Apo-
logia, von dem Churfursten zu Sachsen, auch an-
dern fursten und stenden des Römischen Reichs K.
Mt. uff dem Reichstag zu Augspurg ubergeben6,
verstanden, gepredigt und außgelegt werden.
Etwas weytter von der leer des predigens, von
den locis communibus Christiane religionis7 hier in
6 Confessio Augustana 1530, BSLK, S. 44-137; Apologie
1531, ebd., S. 141-404.
7 Melanchthon, Loci communes rerum theologicarum seu
hypotyposes theologicae, CR 21, S. 59-230.

zu beschriben, ist gantz von unnötten, nach dem
gott lob die selb sunst in andern buchlin Christlich
beschriben und ein ytlicher kirchendiner vermüg
seins berufs unnd ampts die selben in fleysigem be-
velch haben soll. | 230r |
Von der Sprach.
Es ist ein gmeiner, ungereumbter won8 bey den
einfeltigen, das gar nahe alles, so under dem
Bapstumb gebraucht, bapstlich und derohalb un-
cristlich sey. Hieruff, dieweyl die lateinisch sprach
in dem bapstum breuchlich gewesen ist, so wurdt
darfur geacht, als ob es ungottlich sey, die lateinisch
sprach in der rechten, cristenlichen kirchen under
dem teutschen volck zu gebrauchen.
Damit nun in solcher und der gleichen handlung die
recht mittel straß getroffen unnd nicht zuvil zur
lincken oder zur rechten seytten außgetretten wer-
de, so ist zuvernemen, das, wiewoll vill Irthum und
mißbreuch in den Ceremoniis, so bis anher in ubung
gewesen, erfunden werden, so seyen doch der merer
teyl der selben Ceremonien keins wegs fur den greu-
wel des bapstumbs zu achten, dan sie zum theyl von
Mose, der vor allen bepsten gewesen, entlehnt, zum
teyl von den haylgen vettern, vor dem bracht des
bapstumbs auffgericht, zum teyl von der Griechi-
schen kirchen in die lateinische eingefürt worden
sein. Auch, so das alles für bapstlich und derohalb
für uncristlich geacht solt werden, das under dem
bapstums breuchlich gewesen ist, so mußt die hailig
gschrift, das hailig evangelium, der tauff, die crist-
lich kirch, ja Christus selbs, alles auff einen hauffen
fur uncristlich geurteylt und abgethan werden.
Nemlich, so Paulus sagt9; Das kind der verderbnus
uberheb sich uber alles, das gott oder gottes dinst
heiß und setz sich in den tempel gottes als ein got
unnd geb sich fur, er sey gott. Aber der greuwel
unnd haupt Irthum des bapstumbs hangt daran, das
man gelert und gehalten hatt, die | 230v | sünd werd
8 Wahn.
9 2Thess 2,4.

131
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften