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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0150
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Württemberg

gebuest und die gnad gottes erworben von wegen
des verdinsts der werck unserer eigen frumckeit.
Mit disem uncristlichen Irthumb, so nicht anderst
ist dan ein lesterung unnd verleuckung der rechten
Majestett unsers Herren Jesu Christi, haben die le-
rer des bapstumbs beschmeist10 nicht allein die gut-
ten, alten Ceremonien, von den hailgen vettern in
der ersten kirchen auffgesetzt, sondern auch alle
gutte werck, von gott gebotten, alle freyhe ubung,
zur zucht angericht, den brauch des hochwirdigen
sacraments des nachtmals, die predig des Evangeli-
ons, kurtzlich alles, das nur guts gethon und ubels
gelitten haiß.
Dan zu disen allen stucken und zu ytlichem in
sunderhait haben sie den greulichen, uncristenlichen
zusatz gethon, das man von wegen der verdinst sol-
cher werck oder leydens die sund buesse, gottes
gnad erwerbe und das ewig leben verdiene. Was
were aber das für ein ungereumbt wesen, das man
alles gutt, von gott gebotten, und alles leiden, von
gott zugeschickt, der ursach halb, das es vom bepst-
lichen greuwel beschmeist ist worden, verwerffen
und gantz abthon wolt. Darumb, alle ungeschick-
lichkeit zuvorkommen, so soll man mit der ler des
hailgen evangeliums von Jesu Christo (welche ist,
das man nicht von wegen der verdinst unsers thons
oder leidens, sonder von wegen Jesu Christi durch
den glauben die verzeihung der sund habe und got-
tes gnad uberkomme) den bapstlichen greuwel von
allen gutten, nützlichen stucken absundern, den gre-
wel faren lassen, das gut aber unnd nutzlich behal-
ten und gebrauchen.
Wiewoll nun die lateinisch sprach, von dero ytz ge-
handelt wurdt, under dem bapstumb dahin ge-
braucht ist worden, | 231r | das man am aller meysten
lateinisch in der kirchen, diser mainung, als ob man
mit dem verdinst solchs wercks die sünd buesse und
ewigs leben erwurbe, gesungen und gelesen hatt, ye-

10 Beschmutzt.
11 1Kor 14,26.
12 Gemeint ist die Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, die
sog. Vulgata.

doch wan diser irthum von dem lateinischen singen
und lesen durch die predig des hailigen evangelions
abgesundert wurdt, so kan man woll ein feinen,
nutzlichen gebrauch der lateinischen sprach in der
kirchen finden.
Dan dieweyl der hailig Paulus sagt11: Wan ir
zusamen kompt, so hatt ein ytlicher psalmen, er
hatt leer, er hatt Zungen, er hatt offenbarung, er
hatt außlegung. Last es alles geschehen zur besse-
rung, etc. So ist leichtlich hierauß zuvernemen, das
ein frembde sprach in der kirchen nicht aller ding
vergeblich und unnutzlich sey. So seyen in der la-
teinisch sprach nicht allein die gottlich geschrift des
alten und neuwen testaments12, sonder auch vill an-
dere treffenliche, hochsinnige künsten, die nicht al-
lein zu disem zeitlichen leben, sunder auch zu
grundtlicher erfarung gottlicher gschrift hoch dinst-
lich, verfasset, und zu besorgen ist, die lateinisch
sprach aller ding auß der kirchen verworffen, es
wurde darmit ursach geben, sie auch auß den schu-
len zuverwerffen oder uff das wenigst vil feiner In-
genia von dem studio der lateinischen sprach ab zu
schrecken.
Hieruff ist fur nützlich und gutt angesehen, das
dannocht in der kirchen zur anreytzung und ubung
der lieben, zarten Jugendt auch ein brauch der la-
teinischen sprach, furnemlich in denen kirchen, dar-
in schuler oder andere person in der lateinischen
sprach erfaren seyen, bleyb und behalten werde.
|231v|
Dieweyll aber dannocht die weyssagung und
außlegung, als an denen am meysten gelegen nach
der leer Pauli13 den Zungen oder sprachen fur gezo-
gen werden und das regiment in der kirchen behal-
ten sollen, geburet es sich, die ehehafftigen14 stuck
unsers hailgen, cristenlichen glaubens bey den teut-
schen in teutscher sprach auß zurichten und zu bes-
serung gemeiner kirchen versamlung zuvolbringen.

13 1Kor 14.
14 Ehrbaren.

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