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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0151
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9. Vorrede zur Kirchenordnung 1535

Von der klaidung im kirchenampt.
Die kleidung macht an ir selbs weder frum noch
unfrum unnd wurdt under die freyen stuck gezelet.
Yedoch, nach dem in den freyen stucken angesehen
werden soll, welches teyll der kirchen am nutzlich-
sten und fuglichsten sey, unnd sich auß viln ursa-
chen befindt, das der gebrauch des Chorrocks in kir-
chen emptern zu diser zeitt gantz nützlich und fug-
lich ist, so soll fürohin alwegen in den kirchen emp-
tern der Chorrock gebraucht werden.
Dan dieweyll alles in der kirchen zierlich und
ordenlich zu ghen soll15, so ist es nicht die geringst
eusserlich kirchen zier, das der jenig, so im brauch
des kirchenampts vor der gemeinen kirchen ver-
samblung stheet, bey einem erbarn underschidlichen
claid erkennet werde. Darzu ists offenbar, das vill
schwach glaubige on andere ursach, auch von wegen
diser ursach, das sie den kirchendienern on biß an-
her gewonliche kirchen cleidern allein in einem
stumpfen rocklin in den emptern sehen sthen, ein
mercklich abscheuhen von der predig des hailgen
evangelium, auch von brauch der sacramenten uber
komen. | 232r | So ist auch die verwerffung aller kir-
chenclayder den anstossenden nachbauren, so der
freyhait mittelmessiger ding noch nicht bericht, der
gstalt so ergerlich, das es mangerley nach red von
schmehung und lesterung des evangeliums bey inen
erweckt. Nun haben woll die freyen, mittelmessigen
stuck dise art unnd natur an inen, das sie irer selbs
halben on geferd der gwissen vor gott uff beider
seytten geschehen mogen. Aber wan sich erfindet,
das der gebrauch uff einer seytten dem nechsten er-
gerlich und zu guttem hinderlich, so determinirt und
lendet die liebe des nechsten als ein meisterin aller
mittelmessigen stuck den gebrauch der freyhait uff
die ander seytten und macht den selben gebrauch so
nottig, das, welcher anderst handelt, wider die lieb
des nechsten handelt. Aus disem grund hatt der hai-
lig Paulus zu den Chorinthern16 von dem fleisch, den
gotzen geopfert, also geschriben: Wan das fleisch
15 1Kor 14,40.
16 1Kor 8,13.
17 Apg 15,29.
18 Gal 5,6.

mein bruder ergert, so will ich mein lebtag kain
fleisch essen. Auß dem selben grund haben die hail-
gen, lieben Apostell in actis apostolorum17den hai-
den das gotzenopfer, das erstickt und das blut zur
selben zeitt zu essen verbotten, unnd nennen sie dar-
zu notige stuck zu halten, (das ist) necessaria non
fidei, sed caritatis18.
Darumb, nach dem der gebrauch des Chorrocks
in kirchenamptern zu diser Zeit der kirchen versam-
lung zierlich unnd den schwachglaubigen zur an-
reytzung in die predig des Evangelions etwas dinst-
lich, auch zur verhüttung allerlei lesterwort der wi-
derwertigen nutzlich ist, so soll sich ein frumer, frid-
licher kirchen diener den Chorrock in den kirchen
emptern zu gebrauchen gar nit beschweren. | 232v |
Von feiertagen.
Wiewoll auß vermüg cristlicher freyhait und der
leer des hailgen apostels Pauli19 die Cristen von dem
judischen sabbath unnd anderen judischen festen
gefreyet und nach der weyssagung Esaiae20 ein sab-
bath am andern und alle tag geistliche feyertag ha-
ben, yedoch umb der predig, offentlich gebeths,
dancksagung, handelung des hochwirdigen sacra-
ments, auch umb der leiblichen ruw willen, deren
stucken allen wir an leib und selen umb unser
schwacheit willen nicht entperen mogen, muß man
etlich tag furnemen, an denen sich yederman zu got-
tes dinst mussigen und ander offentliche handwerck
oder feld arbait die weyl fallen und underlassen söll.
Es sollen aber dise nachvolgende fest- und feyertag
gehalten werden:
Alle Sontag.
Aller apostelltag.
Weyhennacht oder geburtstag Christi.
Sant Stephans tag, also das sant Steffans und sant
Johans apostels und evangelisten fur ein einzelichen
feyrtag gerechnet werd21.

19 Kol 2,16; vgl. Röm 14,5.
20 Jes 66,23.
21 St. Stephan = 26. Dezember; St. Johannes Ev. =
27. Dezember.

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