Württemberg
10. Visitationsordnunga
[Sommer 1535]
Ordnung der visitation.
Wie wol die hailig, cristlich kirch durch unsern
Heren Jesum Christum selbs, als ein haubt der kir-
chen, und durch seinen hailgen gaist der gstalt so
gwaltiglich regirt, beschirmpt und erhalten würdt,
das auch die porten der hellen dar wider nicht ver-
müglich seien, yedoch wurdt hierzu nichts dester
weniger erfordert aller glider der kirchen hilff und
beystandt, nicht als haubtsacher (welcher Christus
durch seinen hailgen gaist allein ist), sonder als be-
ruffen, ordenlich mittel werckzeug, dardurch auß
der craft Christi die hailig, außerwelt kirch biß zu
end der welt bestendig bleibe.
Demnach geburt es sich, ist auch von Jesu Cri-
sto ernstlich bevolhen, das ein ytlicher in seinem be-
ruff, nemlich das gmein volck mitt betten und an-
dern geburlichen stucken, der pfarher mit predigen
und sacrament reichen, die oberkeit mit handtha-
bung der kirchen empter unnd ordnung, zu dem
hailgen bauw der cristenlichen kirchen fleyssig, alles
seins vermugens, behulffig sey.
Nun ist zur handthabung der kirchenempter
nichs nützlichers und nottigers dan ein statliche vi-
sitacion unnd jerliche besuchung der kirchen. Dan
nach dem die personen, so kirchen empter tragen,
ungleich sein, werden sie auch bald ein ungleicheit
beid, in leer unnd Ceremonien, anrichten, wo sie
durch die visitacion nicht in gleicheit gehalten wer-
den. | 237v | Unnd gleich wie die geschribne burger-
liche gsatz on die lebendigen gsatz kraftloß und todt
sein, also mag kein kirchenordnung langwirig bley-
ben, sie werd dan durch die visitacion als durch ein
lebendige kirchenordnung erhalten.
a Textvorlage (Handschrift): Stadtarchiv Schwäbisch
Hall, Haller Brenzsammlung 4/56 Bl. 237r-242v. Ab-
druck: Pressel, Anecdota Brentiana, Nr. LVII
S.166-170.
So haben die hailgen apostel, wie das buch Actorum
apostolorum und die epistel S. Pauls bezeugen, nicht
weniger fleys, muhe und arbait, die angerichten kir-
chen durch visitacion zu erhalten, als neuw kirchen
anzurichten, furgewendt unnd die visitacion so not-
tig geacht, das sie von der selben wegen sich zum
oftern mall in geferd leibs und lebens begeben ha-
ben, wie dan eben als ein grosse tugend ist, gwunnen
guth zu behalten als neuw gutt zu uberkomen1.
Wie fleyssig dan die kirchen zur erhaltung der
reinen leer des evangeliums von den hailgen bi-
schoffen nach der apostel Zeitt visitirt worden sein,
und was schadens und nachteyls der selen auß un-
derbleibung und verachtung der visitacion in der
cristenlichen kirchen endstanden seyn, das kan man
sich wol auß den actis der alten Concilien unnd
nachfolgends auß der thatt, so ytz vill Jaren vor au-
gen gwesen, erinnern. Darumb will mein gnediger
furst unnd her etc. das rein evangelium, die gleichait
der kirchen ordnung unnd geburlich Zucht und er-
barkeit in iren furstlichen gnaden landtschaft erhal-
ten und bey menigklich der stend des Reichs ein
gutt vorbild furtragen. So erfordert die nottdurft,
das sein furstlich gnad eins jerlich, und sonderlich zu
diser Zeitt in verkundigung der neuwen kirchenord-
nung2, stattliche visitacion, durch etlich von der
Ritterschaft unnd gelerten in allen vogteyen zu ge-
schehen und außzurichten gnedigklich verordne.
| 238r | Es mocht aber die instruction und befelch der
visitatoren nachfolgender weyß ongeverlich gestelt
werden.
1 Vgl. Apg 13-21; Röm 1,8-15; 15,22-33; 1Kor 16,5-12;
2Kor 13,1-13.
2 Kirchenordnung Württemberg 1536, siehe Nr. 8.
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10. Visitationsordnunga
[Sommer 1535]
Ordnung der visitation.
Wie wol die hailig, cristlich kirch durch unsern
Heren Jesum Christum selbs, als ein haubt der kir-
chen, und durch seinen hailgen gaist der gstalt so
gwaltiglich regirt, beschirmpt und erhalten würdt,
das auch die porten der hellen dar wider nicht ver-
müglich seien, yedoch wurdt hierzu nichts dester
weniger erfordert aller glider der kirchen hilff und
beystandt, nicht als haubtsacher (welcher Christus
durch seinen hailgen gaist allein ist), sonder als be-
ruffen, ordenlich mittel werckzeug, dardurch auß
der craft Christi die hailig, außerwelt kirch biß zu
end der welt bestendig bleibe.
Demnach geburt es sich, ist auch von Jesu Cri-
sto ernstlich bevolhen, das ein ytlicher in seinem be-
ruff, nemlich das gmein volck mitt betten und an-
dern geburlichen stucken, der pfarher mit predigen
und sacrament reichen, die oberkeit mit handtha-
bung der kirchen empter unnd ordnung, zu dem
hailgen bauw der cristenlichen kirchen fleyssig, alles
seins vermugens, behulffig sey.
Nun ist zur handthabung der kirchenempter
nichs nützlichers und nottigers dan ein statliche vi-
sitacion unnd jerliche besuchung der kirchen. Dan
nach dem die personen, so kirchen empter tragen,
ungleich sein, werden sie auch bald ein ungleicheit
beid, in leer unnd Ceremonien, anrichten, wo sie
durch die visitacion nicht in gleicheit gehalten wer-
den. | 237v | Unnd gleich wie die geschribne burger-
liche gsatz on die lebendigen gsatz kraftloß und todt
sein, also mag kein kirchenordnung langwirig bley-
ben, sie werd dan durch die visitacion als durch ein
lebendige kirchenordnung erhalten.
a Textvorlage (Handschrift): Stadtarchiv Schwäbisch
Hall, Haller Brenzsammlung 4/56 Bl. 237r-242v. Ab-
druck: Pressel, Anecdota Brentiana, Nr. LVII
S.166-170.
So haben die hailgen apostel, wie das buch Actorum
apostolorum und die epistel S. Pauls bezeugen, nicht
weniger fleys, muhe und arbait, die angerichten kir-
chen durch visitacion zu erhalten, als neuw kirchen
anzurichten, furgewendt unnd die visitacion so not-
tig geacht, das sie von der selben wegen sich zum
oftern mall in geferd leibs und lebens begeben ha-
ben, wie dan eben als ein grosse tugend ist, gwunnen
guth zu behalten als neuw gutt zu uberkomen1.
Wie fleyssig dan die kirchen zur erhaltung der
reinen leer des evangeliums von den hailgen bi-
schoffen nach der apostel Zeitt visitirt worden sein,
und was schadens und nachteyls der selen auß un-
derbleibung und verachtung der visitacion in der
cristenlichen kirchen endstanden seyn, das kan man
sich wol auß den actis der alten Concilien unnd
nachfolgends auß der thatt, so ytz vill Jaren vor au-
gen gwesen, erinnern. Darumb will mein gnediger
furst unnd her etc. das rein evangelium, die gleichait
der kirchen ordnung unnd geburlich Zucht und er-
barkeit in iren furstlichen gnaden landtschaft erhal-
ten und bey menigklich der stend des Reichs ein
gutt vorbild furtragen. So erfordert die nottdurft,
das sein furstlich gnad eins jerlich, und sonderlich zu
diser Zeitt in verkundigung der neuwen kirchenord-
nung2, stattliche visitacion, durch etlich von der
Ritterschaft unnd gelerten in allen vogteyen zu ge-
schehen und außzurichten gnedigklich verordne.
| 238r | Es mocht aber die instruction und befelch der
visitatoren nachfolgender weyß ongeverlich gestelt
werden.
1 Vgl. Apg 13-21; Röm 1,8-15; 15,22-33; 1Kor 16,5-12;
2Kor 13,1-13.
2 Kirchenordnung Württemberg 1536, siehe Nr. 8.
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