10. Kirchenordnung 1543/1615
wEin Leich predig
Wir haben uns inn Gottis namen zur begrebnus eins
Christlichen mitglids beyeinander versamlet, und
nach dem die Christen, so sie zusamen kommen, al-
les zur besserung sollen geschehen lassen160, So wöl-
fen“ fehlt Entwurf 1614], sagt Augustinus, l[iber] 1. de
civit. Dei, cap. 12 [Augustinus, De civitate dei,
CChr.SL 47, S. 13f.[.
Nota VI. Es haben die Alten die Begräbnussen bey oder
neben den Kirchen darumb verordnet, damit sie dar-
durch ihren Glauben bekenneten, daß sie nemblich eben
an dem Orth, da sie die Lehr von Christo, dem Uberwin-
der deß Tods etc., Predigen hören, auch die Aufferste-
hung ihrer verstorbenen Leiber erwarten und demnach
den Todt nur für einen süssen Schlaff und das Grab für
ein sanfft Ruohbethlein unnd Schlaffkämmerlein halten
[marginal: Esa. 26, V. 19; Ibid. 56 sub finem]. Darumb
die Kirchhöff oder Gottesäcker ehrlich und herrlich sol-
len gehalten und nit als Spiel-, Krämer- oder Zimmer-
plätz, Schwein- oder Küheställ etc. gebraucht und also
geunehret werden sollen. Und haben auch die Heyden,
die nit gantz wildt und ungezähm gewest, allein auß ein-
geben der Natur darfür gehalten, daß man die Orth der
Begräbnussen Ehrlich und Heylig halten soll, wie auß
der Historia von den Kindern Heth, Gen. 23 [1-20], of-
fenbar ist.
In den Römischen Legibus wirdt under anderm also ge-
schriben: Locus, in quem mortuum condis, tibi sacer
esto, das ist: Der Orth, darein du ein Todten begräbst,
soll billich von dir in allen Ehren gehalten werden [,,das
ist: ... werden“ fehlt Entwurf 1614; vgl. Dig. 11, 7, 2,
ClCiv I, S. 186]. Und Ulpianus: Sepulchri violati actio
infamiam irrogat. Wer ein Todtengrab verunreyniget
oder mit demselben ungebürlich umbgehet, der handelt
nit Redlich [„Wer ein ... redlich“ fehlt Entwurf 1614; vgl.
Dig 47, 12, 1, ClCiv I, S. 836]. Daher ist in dem Concilio
Coloniensi, welches under Keyser Rudolpho I. gehalten
worden, cap. II, also geschlossen: Die Freyheit oder
Kirchhöff und Gottesäcker sollen versperret und ver-
schlossen sein, damit nit etwan von Schweinen, Hunden
oder anderen Thieren die Todtenbeyn gefressen werden
[Kölner Diözesansynode vom 3. März 1281, Schan-
nat/Hartzheim, Concilia Germaniae 3, S. 667].
Daß aber die Kirchhöff Ehrlich und Heylig sollen gehal-
ten werden, das ist nit dem Orth selbst und seiner Ein-
weyhung, wie die Widersacher fürgeben, zuzumessen,
Sondern geschicht wegen der verstorbenen Leichnam, so
darinnen ligen, bey welchen sich die Lebendigen noth-
wendiger Stuck, darvon inn Leichpredigten gesagt wirdt,
zuerinnern haben. Dann nit der Orth den Todten, son-
dern der Todte den Orth heylig machet. [Entwurf 1614
gestrichen: Ob die jenigen, so sich selbst umgebracht,
ehrlich zubegraben, Legatur Pastorale Lutheri. Item
len wir hören die Predig Sanct Paulus, die er von
den abgestorbenen Christen gethon hat, das wir dar-
durch ein Götlichen trost im leid unnd stercke des
glaubens inn todts nöten aus gnaden des heiligen
| LXXIXb | Geists entpfangen.
Consil. 9. Dec. 5. Consil. Theolog. D. Bidembachii.
Item, ob in sterbens läufften die Ceremonien bey den
begräbnussen einzustellen, Legatur concio 15 de pesto,
M. Andrea Pancratii, parte 2 [Andreas Pancratius d. Ä.,
Christlicher Leichpredigten vierdter und letzter Theil,
Darinen die schreckliche Plag der Pestilentz ..., Frank-
furt 1597], deßgleichen ob ein Christ pestilentz mit gue-
tem gewissen flihen möge, Legatur Consil. 3. Dec. 2.
Consil. Theolog. D. Bidembachii].
Es fragt sich aber hie, ob die Jenigen, so sich selbst umb-
gebracht, Ehrlich zubegraben [sind]. Darauff ist zuwis-
sen, daß zweyerley Umbbringen sey. Eines geschicht auß
Schwachheit unnd Kranckheit (da dann kein assensus
rectae rationis oder rechte Vernunfft bey [„oder rechte
Vernunfft bey“ fehlt Entwurf 1614] ist und heißt non
facio hoc ego, sed in me habitans malum oder morbus
[marginal: Rom. 7, V. 17]: Solches thue nicht Ich, sonder
die Sünd, die in mir wohnet oder die grosse Kranckheit,
die Ich hab) [„Solches ... hab)“ fehlt Entwurf 1614], Das
Ander geschicht auß Unglauben unnd Verzweyflung.
Welche Leuth nun sich auß Schwachheit und Kranckheit
umbbringen, die soll man Ehrlich begraben. Welche
Leuth aber sich auß Unglauben und Verzweyflung umb-
bringen, die soll man nit Ehrlich begraben, sondern sie
lassen in Gottes und der Obrigkeit Gericht bleiben. Pas-
torale Lutheri von Begräbnussen [Conrad Porta, Pasto-
rale Lutheri, Eisleben 1582]. Item Consil. 9. Dec. 5. Con-
sil. Theolog. [Felix Bidembach, Consiliorum Theologi-
corum decas].
Es fragt sich hie auch, ob in Sterbensläufften die Cere-
monien bey den Begräbnussen einzustellen, Darauff ist
zuwissen, daß man zwar in solchen Läufften Christliche
Ceremonien nit so bald einstellen soll. Dann ob wol sol-
ches den Verstorbenen nichts nutzet, so nutzt es doch
den Lebendigen. Und ob wol solches deß Jungen Hauf-
fens halben Gefahr hat, so kan man doch Fürsichtigkeit
gebrauchen und sich trösten, daß uns Gott auff unsern
Ampts- und Lieb wegen behüten könne und wölle. Im
Fall aber, daß die Läuffte zu sehr einreissen unnd un-
müglich sein wolte, alle Leichen [Entwurf 1614: funera]
gewöhnlicher weiß zu deducieren oder beglaiten [„oder
beglaiten“ fehlt Entwurf 1614], auch der Personen, die
solches thuon solten, zu wenig sein und werden wolten
und also die Noth erfordert, daß man die Ceremonien
einstellen muoß, so soll mans einstellen.
Der gesamte Abschnitt fehlt Entwurf 1614, KO 1615.
160 Vgl. 1Kor 14,26.
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wEin Leich predig
Wir haben uns inn Gottis namen zur begrebnus eins
Christlichen mitglids beyeinander versamlet, und
nach dem die Christen, so sie zusamen kommen, al-
les zur besserung sollen geschehen lassen160, So wöl-
fen“ fehlt Entwurf 1614], sagt Augustinus, l[iber] 1. de
civit. Dei, cap. 12 [Augustinus, De civitate dei,
CChr.SL 47, S. 13f.[.
Nota VI. Es haben die Alten die Begräbnussen bey oder
neben den Kirchen darumb verordnet, damit sie dar-
durch ihren Glauben bekenneten, daß sie nemblich eben
an dem Orth, da sie die Lehr von Christo, dem Uberwin-
der deß Tods etc., Predigen hören, auch die Aufferste-
hung ihrer verstorbenen Leiber erwarten und demnach
den Todt nur für einen süssen Schlaff und das Grab für
ein sanfft Ruohbethlein unnd Schlaffkämmerlein halten
[marginal: Esa. 26, V. 19; Ibid. 56 sub finem]. Darumb
die Kirchhöff oder Gottesäcker ehrlich und herrlich sol-
len gehalten und nit als Spiel-, Krämer- oder Zimmer-
plätz, Schwein- oder Küheställ etc. gebraucht und also
geunehret werden sollen. Und haben auch die Heyden,
die nit gantz wildt und ungezähm gewest, allein auß ein-
geben der Natur darfür gehalten, daß man die Orth der
Begräbnussen Ehrlich und Heylig halten soll, wie auß
der Historia von den Kindern Heth, Gen. 23 [1-20], of-
fenbar ist.
In den Römischen Legibus wirdt under anderm also ge-
schriben: Locus, in quem mortuum condis, tibi sacer
esto, das ist: Der Orth, darein du ein Todten begräbst,
soll billich von dir in allen Ehren gehalten werden [,,das
ist: ... werden“ fehlt Entwurf 1614; vgl. Dig. 11, 7, 2,
ClCiv I, S. 186]. Und Ulpianus: Sepulchri violati actio
infamiam irrogat. Wer ein Todtengrab verunreyniget
oder mit demselben ungebürlich umbgehet, der handelt
nit Redlich [„Wer ein ... redlich“ fehlt Entwurf 1614; vgl.
Dig 47, 12, 1, ClCiv I, S. 836]. Daher ist in dem Concilio
Coloniensi, welches under Keyser Rudolpho I. gehalten
worden, cap. II, also geschlossen: Die Freyheit oder
Kirchhöff und Gottesäcker sollen versperret und ver-
schlossen sein, damit nit etwan von Schweinen, Hunden
oder anderen Thieren die Todtenbeyn gefressen werden
[Kölner Diözesansynode vom 3. März 1281, Schan-
nat/Hartzheim, Concilia Germaniae 3, S. 667].
Daß aber die Kirchhöff Ehrlich und Heylig sollen gehal-
ten werden, das ist nit dem Orth selbst und seiner Ein-
weyhung, wie die Widersacher fürgeben, zuzumessen,
Sondern geschicht wegen der verstorbenen Leichnam, so
darinnen ligen, bey welchen sich die Lebendigen noth-
wendiger Stuck, darvon inn Leichpredigten gesagt wirdt,
zuerinnern haben. Dann nit der Orth den Todten, son-
dern der Todte den Orth heylig machet. [Entwurf 1614
gestrichen: Ob die jenigen, so sich selbst umgebracht,
ehrlich zubegraben, Legatur Pastorale Lutheri. Item
len wir hören die Predig Sanct Paulus, die er von
den abgestorbenen Christen gethon hat, das wir dar-
durch ein Götlichen trost im leid unnd stercke des
glaubens inn todts nöten aus gnaden des heiligen
| LXXIXb | Geists entpfangen.
Consil. 9. Dec. 5. Consil. Theolog. D. Bidembachii.
Item, ob in sterbens läufften die Ceremonien bey den
begräbnussen einzustellen, Legatur concio 15 de pesto,
M. Andrea Pancratii, parte 2 [Andreas Pancratius d. Ä.,
Christlicher Leichpredigten vierdter und letzter Theil,
Darinen die schreckliche Plag der Pestilentz ..., Frank-
furt 1597], deßgleichen ob ein Christ pestilentz mit gue-
tem gewissen flihen möge, Legatur Consil. 3. Dec. 2.
Consil. Theolog. D. Bidembachii].
Es fragt sich aber hie, ob die Jenigen, so sich selbst umb-
gebracht, Ehrlich zubegraben [sind]. Darauff ist zuwis-
sen, daß zweyerley Umbbringen sey. Eines geschicht auß
Schwachheit unnd Kranckheit (da dann kein assensus
rectae rationis oder rechte Vernunfft bey [„oder rechte
Vernunfft bey“ fehlt Entwurf 1614] ist und heißt non
facio hoc ego, sed in me habitans malum oder morbus
[marginal: Rom. 7, V. 17]: Solches thue nicht Ich, sonder
die Sünd, die in mir wohnet oder die grosse Kranckheit,
die Ich hab) [„Solches ... hab)“ fehlt Entwurf 1614], Das
Ander geschicht auß Unglauben unnd Verzweyflung.
Welche Leuth nun sich auß Schwachheit und Kranckheit
umbbringen, die soll man Ehrlich begraben. Welche
Leuth aber sich auß Unglauben und Verzweyflung umb-
bringen, die soll man nit Ehrlich begraben, sondern sie
lassen in Gottes und der Obrigkeit Gericht bleiben. Pas-
torale Lutheri von Begräbnussen [Conrad Porta, Pasto-
rale Lutheri, Eisleben 1582]. Item Consil. 9. Dec. 5. Con-
sil. Theolog. [Felix Bidembach, Consiliorum Theologi-
corum decas].
Es fragt sich hie auch, ob in Sterbensläufften die Cere-
monien bey den Begräbnussen einzustellen, Darauff ist
zuwissen, daß man zwar in solchen Läufften Christliche
Ceremonien nit so bald einstellen soll. Dann ob wol sol-
ches den Verstorbenen nichts nutzet, so nutzt es doch
den Lebendigen. Und ob wol solches deß Jungen Hauf-
fens halben Gefahr hat, so kan man doch Fürsichtigkeit
gebrauchen und sich trösten, daß uns Gott auff unsern
Ampts- und Lieb wegen behüten könne und wölle. Im
Fall aber, daß die Läuffte zu sehr einreissen unnd un-
müglich sein wolte, alle Leichen [Entwurf 1614: funera]
gewöhnlicher weiß zu deducieren oder beglaiten [„oder
beglaiten“ fehlt Entwurf 1614], auch der Personen, die
solches thuon solten, zu wenig sein und werden wolten
und also die Noth erfordert, daß man die Ceremonien
einstellen muoß, so soll mans einstellen.
Der gesamte Abschnitt fehlt Entwurf 1614, KO 1615.
160 Vgl. 1Kor 14,26.
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