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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0200
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Schwäbisch Hall

Volcks aus der Stadt gieng mit ir. Und da sie der
HERR sahe, jamerte in derselbigen und sprach zu
ir: Weine nicht! Und trat hinzu und rüret den Sarch
an, und die treger stunden, und er sprach: Jüngling,
ich sag dir, stehe auff! Und der todt richtet sich auff
und fieng an zu reden, und er gab in seiner Muotter.
|XCIa|
Ists aber ein junge Tochter, so lese man das fol-
gendt Evangelion: So wöllen wir hören das Evan-
gelion, das der heilig Evangelist Mattheus im
neundten Capitelκ schreibt: Es kame zu Jesu der
Obersten einer und fiel für in nider und sprach:
Herr, mein Tochter ist jetz gestorben, Aber komm
und leg dein hand auff sie, so wirt sie lebendig. Jesus
stund auff und folget im nach und seine Jünger. Als
er nun inn des Obersten haus kam und sahe die
Pfeiffer und das getümel des Volcks, sprach er zu
inen: Weichet, dan das Medlin ist nicht todt, sonder
es schlefft, unnd sie verlacheten in. Als aber das
Volck ausgetriben war, gieng | XCIb | er hinein und
ergriff sie bey der hand. Da stund das Medlin auff
und das gerücht erschallte in das gantz land.
Inn disem Evangelio wirt uns ein gros und her-
lichs wunderwerck fürgehalten, das Christus ein
jungs von todten aufferweckt hat. Nun hat Christus
hiemit nicht anzeigen wöllen, das die todten alwegen
für und für solten, ehe sie begraben würden, wide-
rumb zu disem leiblichen, ellenden und sterblichem
leben kommen, sonder das er darmit die warheit
seins Evangelions bestetiget unnd darneben kunt-
schafft gebe, das nicht allein die alten, sonder auch
die jungen seins Evangelions und der selben ewigen,
Himelischen Güter gniessen solten. Und nachdem
neben den alten auch die jungen sterben, so ist zu-
beden- |XCIIa| cken, das solchs nicht ongeferdc,
sonder mit wolbedachtem radt Gottis geschicht.
Dann es wil uns Gott hiemit die ungewisse der lenge
unsers lebens für die augen bilden und uns ermanen,
das wir kein farlessig, unbesunnen leben füren, son-
κ Entwurf 1614, KO 1615: Matth. 9, V. 18 [18-26].
λ Entwurf 1614, KO 1615: Rom. 6, V. 23.
μ Entwurf 1614, KO 1615: Rom. 5, V. 12.

der, dweil weder heil noch seligkeit on Christo er-
funden wirt, uns bey zeit zur rechten erkantnus
Christi und Christlichem gehorsam anschicken. So
wil auch Gott, wie gros und schwer die erbsünd sey,
aus der jungen todt uns zuerkennen geben. Dann
wiewol inn dem absterben eins jungen, das noch
nicht so viel als ein alter eusserlich gesündiget, grös-
ser hoffnung der seligkeit nach menschlichem won
entpfangen wirt, jedoch seyen die jungen inn disem
fall nicht nach menschlichem, sonder nach | XCIIb |
Götlichem ansehen zu urteilen, und ist keins wegs zu
achten, das sie die seligkeit von wegen irer eigen un-
schuld uberkommen. Dann nachdem die jungen
gleich wie die alten mit dem todt, der do ist ein bsol-
dung der sündenλuberfallen werden, so ist es ein
offenliche kuntschafft, das sie auch mit der sündt
beschweret und inn dem spruch, den der heilig Pau-
lus zu den Römern am fünfften schreibt, verfast sey-
en: Durch einen menschen ist die sünd kommen inn
die welt und der todt durch die sünd, und ist also
der todt zu allen menschen durch drungen, dweil sie
all gesündigt habenμ.
Es last sich auch bey zeit die sündtlich art mit
mancherley untugent inn der jugent sehen, Darumb
sol man nicht | XCIIIa | gedencken, das die jungen
von wegen irer eigen unschuld die seligkeit erwer-
ben, sonder, gleich wie die alten, haben allein ir se-
ligkeit aus der einigen unschuld unsers lieben Herrn
Jesu Christi, den sie mit dem glauben haben ange-
nommen. Also, sollen die jungen selig werden, so
müssen sie allein der unschuld Jesu Christi gniessen,
dann es ist ausserthalb Christi kein ander nam, wie
Petrus sagt, den menschen gegeben, darinn wir sol-
len selig werden179.
Nun seyen die jungen unserm Herren Christo
durch den Tauff solcher gestalt eingeleibt, das sie
mit Christo glidmas werdend und die gerechtigkeit
zu allen seinen Gütern uberkommen haben, Dann
Sanct Paulus spricht: Wie- | XCIIIb | viel ewer ge-
c Entwurf 1614: ohngefähr.
d Entwurf 1614, KO 1615: worden.
179 1Petr 4,14.16.

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