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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0203
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10. Kirchenordnung 1543/1615

i-i Entwurf 1614, KO 1615: Hierauff soll das Vatter unser,
das Votum oder Wunsch [„oder Wunsch“ fehlt Entwurf
1614], wie oben gesetzet [siehe unten, S. 174], und der
Segen gesprochen werden.
Bericht, was zu erhaltung der rainen Lehr und nutzlicher
Ceremonien vonnöthen ist
Ein rechte, wol angestellte Kirchen Ordnung soll fürnemb-
lich drey Stuck haben, Als Erstlich den Grundt der reinen,
warhafftigen Lehr, welche man dem Volck einhelliglich für-
tragen und ob derselben fleißig und ernstlich halten soll, Zum
Andern die Christlichen Ceremonien, welche in der versam-
bleten Gemein der Kirchen bey der Predigt Göttliches Worts
und außtheylung der H. Sacramenten geübet und gebraucht
werden sollen. Von disen beyden Stucken ist bißhero in der
Kirchen Ordnung gehandelt worden. Volget nun das dritte
und letzte Stuck, so zu einer Christlichen Kirchen Ordnung
gehöret, Nemblich wie die reine Lehr und Christliche Cere-
monien mögen erhalten werden. Darzu nun gehören nachfol-
gende nöthige Stuck, als Schola bene constituta, legitima vo-
catio et ordinatio Ministrorum Ecclesiae etc., Zu Teutsch:
ein wohlbestelte Schuol und ordentlicher Beruoff und Einset-
zung der Kirchendiener [,,Zu Teutsch ... Kirchendiener“ fehlt
Entwurf 1614], Darvon ordentlich soll gesagt werden.
I. Von Christlichen Schulen
Es ist in [der] H. Schrifft mit allem fleiß zumercken und in
acht zunemmen, daß der Tempel und Kirch zu Jerusalem
zwar der Berg deß HERRN, die Prophetenschuol aber der
Hügel Gottes genannt wirdt [marginal: Esa. 2, V. 2;
1. Sam. 10, V. 10], Dann damit bildet Uns der H. Geist für,
wie nahe Gott, der HERR, Kirchen und Schuolen zusammen
verbunden hab und wie je Eine der Andern die Hand bieten
soll. Gibt Uns auch darmit klärlich zuverstehen, daß, ob wol
die Schuolen wie Hügel gegen einem Berg vor der Welt zwar
gering geachtet werden, Gleichwol aber, weil sie Gottes Hü-
gel seind und heissen, auß und von welchen der Berg deß
Herren soll erbawet und erhalten werden, so sey auch unserm
Herren Gott viel an den Schuolen gelegen und will sie war-
hafftig anderst nit als Seminaria Ecclesiae gehalten haben,
das ist, solche Hügel, darauß die schönsten Simplicia, Kräut-
lein, Pröpffreyßlein [vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1798] und
Bäum in den grossen Berg und Garten deß Herren, in die
Kirchen, zu nutzlicher bestellung der Kirchenämpter sollen
und können versetzt werden. Summa: Alle Ständt, Hohe und
Niderige, kommen auß den Schuolen her.
Und wie kan auch ein Prediger in der Kirchen das ορθο-
τομεινund ελεγχειν recht practicieren, das ist, das Wort der
Warheit recht theylen und die Widersprecher straffen, In-
massen S. Paulus von einem Prediger erfordert [marginal:
2. Tim. 2, V. 15; Tit. 1, V. 9], wann er nit zuvor in Schuolen
gewest und darinn neben dem Catechismo und der Christli-
chen Lehr auch die Freyen Künsten und Sprachen gelernet
oder gelehrt hatt. Daher D. Luther in den Tischreden sagt:
Man soll heutigs Tags, wo es geschehen und man die Leuth
haben kan, fürnemblich auß den Schuolen Prediger nemmen
[Luther, Tischreden, WA.TR 4, Nr. 5252], Dann die Prae-
ceptores oder Schuolmeister haben deß Redens in den Schuolen
gewohnet mit ihren Schülern, wie man der H. Schrifft Sprüch
fein handeln und außlegen soll. Ja, die tägliche Erfahrung
bezeuget, nach dem die Schuolen bestelt seind wol oder ubel,

also ereygnet sich auch gemeyniglich der Zuostandt inn der
Kirchen guot oder böß.
Dieweil dann dem also, so sollen hie sonderlich die verord-
neten Visitatores Scholarum ihr Ampt fleißig und trewlich
außrichten, zuvorauß in disen letzten Zeiten, da der leydig
Sathan sein Feindtschafft auch an Christlichen Schuolen übet
und als ein tausentlistiger Geist mit wunderlichen Practicken
umbgehet, Da sollen nun die verordneten Visitatores die
Schuolen offtmals visitieren und besuochen und beydes, die
Schuolmeister und Schüler, ihres Ampts ernstlich erinnern,
auch uber der publicierten und introducierten Schuolordnung
(Lateinischen unnd Teutschen [vgl. oben, S. 159 Anm. h]),
daß nemblich dieselbe observiert und practiciert werde, vest
unnd ernstlich halten und also sich der Schuolen fleißig an-
nemmen. Darbey dann auch die Pfarrer das ihre thuon sollen,
nemblich nach dem Exempel Lutheri die Obrigkeit trewhert-
zig vermahnen, das sie Christliche Schuolen anrichten und
halten,wie die heyligen Patriarchen, Propheten, König etc.
gethan haben, auch den Pfarrkindern wolbestelte Schuolen
auffs best commendieren und befehlen und sie offtmals er-
mahnen, daß sie solche guote Gelegenheit für ihre herwach-
ßendte Jugendt nit versaumen etc. Nazianzenus [Gregor von
Nazianz] ait: Pietas et virtus optima haereditas, liberis a par-
entibus relicta. Bist du ein Vatter und lassest deinen Kindern
hinder dir ein gnädigen Gott, einen guoten, ehrlichen Namen
und ein klein Zehrpfenniglein, so gibe dich zufriden, du las-
sest Ihnen Guots und Schatzs gnuog hinder dir.
II. Vom Beruff, Examination und Ordination newer ange-
hendter Kirchendiener
Erstlich soll keiner zum H. Predigtampt zugelassen werden,
Er sey dann ordentlich darzu beruoffen worden [marginal:
Aug. Confess. Art. 14] [Confessio Augustana 1530, BSLK
S. 296f.], Dann niemand nimbt Ihm selbs die Ehr, sondern
der auch beruoffen sey von Gott, gleich wie der Aaron, sagt
die Epistel an die Hebraeer [marginal: Hebr. 5, V. 4], Und
D. Luther sagt: Der Beruoff macht Prediger. Et magna sem-
per fecerunt, qui vocante Deo docuerunt. Die haben allezeit
grossen Nutzen geschafft in der Kirchen, die ein ordentlichen
Göttlichen Beruoff gehabt [„Die haben ... gehabt“ fehlt Ent-
wurf 1614] [marginal: Postil. Eccles. in die Andreae [Luther,
Hauspostille 1544, WA 52, S. 563-571]. (Est autem vocatio
divina duplex: Immediata et mediata) [marginal: Syr. 10,
V. 31]. Es ist aber zweyerley Beruoff, der Eine ohne Mittel-,
der Ander durch Mittelspersonen [,,Es ist... Mittelsperso-
nen“ fehlt Entwurf 1614]. Wer aber ohne Beruoff lehret, der
lehret nit ohne schaden, beydes, Seiner und der Zuhörer, dar-
umb daß Christus nit bey Ihm ist. Dargegen: Wer ordentlich
beruoffen ist, der hat sich deß H. Geistes Krafft und Würck-
ung zuversehen, daß der werde durch seinen Dienst kräfftig
sein, hat sich auch seiner Hülff und Beystands zutrösten in
aller Widerwertigkeit, so Ihm in verrichtung seines Ampts
und Beruoffs in diser Welt begegnen mag. Darumb sich nie-
mand ohne ordentlichen Beruoff ins H. Predigtampt eintrin-
gen soll, wie dort von den falschen Propheten stehet: Sie lief-
fen und waren nit beruoffen. Das heißt, nicht zur rechten
Thür eingehen in den Schafstall, sondern anderstwo hinein
steigen und -brechen [marginal: Jer. 23, V. 21; Joan. 10,
V.l].
Zum andern soll keiner zum Predigtampt zugelassen wer-
den, Er sey dann zuvor nottürfftiglich examiniert worden,

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