Heilbronn
Gericht in Würzburg bringen zu lassen, sondern die Entscheidungen selbst zu treffen. Hierfür richtete er am
3. April 1535 ein Ehegericht ein, das jährlich mit sechs neuen Richtern besetzt werden sollte.90 Das Heil-
bronner Ehegericht bestand zunächst bis 1548. Während des Interims und noch lange nach dessen offi-
ziellem Ende 1552 wurden die Ehegerichtsprozesse wieder an den Bischof von Würzburg verwiesen. Erst ab
1590 entschied der Rat sie erneut selbst, diesmal jedoch ohne spezielles Ehegericht: Für jeden Streitfall
wurde eine Kommission von zwei Ratsmitgliedern gebildet, der meist auch der städtische Syndikus beige-
ordnet war. Nachdem die Kommission den jeweiligen Fall zunächst selbstständig beraten hatte, fällte der
Rat das Urteil.91
13. Entwurf einer Gottesdienstordnung 11. März 1532 (Text S. 300)
14. Gottesdienstordnung 26. August 1532 (Text S. 304)
Die Kirchenordnung, die in das Heilbronner Bekenntnis von 1530 (Nr. 5) inseriert worden war, erachtete
man zwei Jahre später in ihren agendarischen Teilen - nicht zuletzt durch die inzwischen abgeschaffte
Messe-als überholt. Ende Januar 1532 reiste Jakob Ehinger im Auftrag des Heilbronner Rates nach
Sachsen, Hessen und Nürnberg, um Abschriften der dortigen Kirchenordnungen anzufertigen. Ehingers
Kopien der Wittenbergischen und Torgauischen Ordnung fanden sich vor dem Kriegsverlust ebenso im
Heilbronner Stadtarchiv92 wie die „Ordnung des Gottesdiensts zu Marburg“93 von Erhard Schnepf. Unter
Einbeziehung dieser Schriften legten die Heilbronner Geistlichen94 dem Rat am 11. März 1532 einen Ent-
wurf vor, „wie es mit dem Gesang und Predigen in der Kirchen hier bis auf gemeine Reformation zu halten
wär“ (Nr. 13).95 Hierin machten sie Vorschläge zu Gottesdienst und Predigt an Sonn- und Werktagen. Der
Entwurf stammt von der Hand Ehingers, er wurde von Johann Lachmann mit minimalen Zusätzen ver-
sehen, die den Inhalt jedoch nicht wesentlich veränderten.96
In den nächsten Monaten wurde der Entwurf ausgearbeitet und die daraus entstandene Ordnung am
26. August 1532 veröffentlicht. Den größten Teil des Textes nehmen detaillierte Regelungen zur Feier der
einzelnen Gottesdienste ein. Die Ordnung orientierte sich an der lutherischen Messe und formte damit den
seither üblichen Predigtgottesdienst in Heilbronn zur evangelischen Messe mit großem liturgischen Reich-
tum und starker Betonung des Kirchengesangs um. Abendmahl und Predigt blieben jedoch die zentralen
Bestandteile des Gottesdienstes.97 Dass der Heilbronner Predigtgottesdienst von der lutherischen Messe
abgelöst wurde, die größere Zugeständnisse an den alten Kultus machte, geht offensichtlich auf Johann
Riesser zurück, der dem Rat im Hinblick auf Ermahnungen durch das Reichskammergericht empfohlen
hatte, den altgläubigen Bräuchen in gemäßigter Form entgegenzukommen, ohne dabei jedoch den evan-
90 Nägele, Gerichtsverfassung, S. 124f.
91 UB Heilbronn IV, S. 684; vgl. Nägele, Gerichtsverfas-
sung, S. 124-126; Schmolz, 450 Jahre, S. 239.
92 UB Heilbronn IV, S. 745: Item, dweyl ein erber radt in
nachtrachtung stet, noch ander christenlich ordnung in die
kirchen zu richten, solt ir an den orten, ir zu handeln
bevelch habt, auch vorsehung irer chur und furstlich gnaden,
fursichtig und ersam weishait kirchen ordnung und cere-
monien haben, dieselben, sover erheblich und muglich, mit
euch pringen, damit sich ain erber radt auch darnach dest
fuglicher regirn mocht. Vgl. ebd., S. 771; von Rauch,
Lachmann, S. 49; Graner, Reformation, S. 34; Rol-
ler, Musikpflege, S. 17.
93 Vgl. UB Heilbronn IV, S. 771.
94 Nach der Aufschrift auf der Rückseite waren dies Peter
Dietz, Laux Trabolt, Borros, Hans Lantzmann, Andreas
Schnepf, Johann Kornmesser, Leonhard Hirnlin, Kaspar
Berlin, Steinmetz, Friedrich Beger und Wilhelm Gresser;
vgl. UB Heilbronn IV, S. 771.
95 Vgl. Roller, Musikpflege, S. 17.
96 Von Rauch, Lachmann, S. 49.
97 Zum Inhalt siehe Die Reformation der Reichsstadt Heil-
bronn, S. 531-534; Roller, Musikpflege, S. 17-22;
Graner, Reformation, S. 30f., 34-37; Schmolz,
450 Jahre, S. 246f.; Weismann, Anfänge, S. 67-69; vgl.
Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 41-44.
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Gericht in Würzburg bringen zu lassen, sondern die Entscheidungen selbst zu treffen. Hierfür richtete er am
3. April 1535 ein Ehegericht ein, das jährlich mit sechs neuen Richtern besetzt werden sollte.90 Das Heil-
bronner Ehegericht bestand zunächst bis 1548. Während des Interims und noch lange nach dessen offi-
ziellem Ende 1552 wurden die Ehegerichtsprozesse wieder an den Bischof von Würzburg verwiesen. Erst ab
1590 entschied der Rat sie erneut selbst, diesmal jedoch ohne spezielles Ehegericht: Für jeden Streitfall
wurde eine Kommission von zwei Ratsmitgliedern gebildet, der meist auch der städtische Syndikus beige-
ordnet war. Nachdem die Kommission den jeweiligen Fall zunächst selbstständig beraten hatte, fällte der
Rat das Urteil.91
13. Entwurf einer Gottesdienstordnung 11. März 1532 (Text S. 300)
14. Gottesdienstordnung 26. August 1532 (Text S. 304)
Die Kirchenordnung, die in das Heilbronner Bekenntnis von 1530 (Nr. 5) inseriert worden war, erachtete
man zwei Jahre später in ihren agendarischen Teilen - nicht zuletzt durch die inzwischen abgeschaffte
Messe-als überholt. Ende Januar 1532 reiste Jakob Ehinger im Auftrag des Heilbronner Rates nach
Sachsen, Hessen und Nürnberg, um Abschriften der dortigen Kirchenordnungen anzufertigen. Ehingers
Kopien der Wittenbergischen und Torgauischen Ordnung fanden sich vor dem Kriegsverlust ebenso im
Heilbronner Stadtarchiv92 wie die „Ordnung des Gottesdiensts zu Marburg“93 von Erhard Schnepf. Unter
Einbeziehung dieser Schriften legten die Heilbronner Geistlichen94 dem Rat am 11. März 1532 einen Ent-
wurf vor, „wie es mit dem Gesang und Predigen in der Kirchen hier bis auf gemeine Reformation zu halten
wär“ (Nr. 13).95 Hierin machten sie Vorschläge zu Gottesdienst und Predigt an Sonn- und Werktagen. Der
Entwurf stammt von der Hand Ehingers, er wurde von Johann Lachmann mit minimalen Zusätzen ver-
sehen, die den Inhalt jedoch nicht wesentlich veränderten.96
In den nächsten Monaten wurde der Entwurf ausgearbeitet und die daraus entstandene Ordnung am
26. August 1532 veröffentlicht. Den größten Teil des Textes nehmen detaillierte Regelungen zur Feier der
einzelnen Gottesdienste ein. Die Ordnung orientierte sich an der lutherischen Messe und formte damit den
seither üblichen Predigtgottesdienst in Heilbronn zur evangelischen Messe mit großem liturgischen Reich-
tum und starker Betonung des Kirchengesangs um. Abendmahl und Predigt blieben jedoch die zentralen
Bestandteile des Gottesdienstes.97 Dass der Heilbronner Predigtgottesdienst von der lutherischen Messe
abgelöst wurde, die größere Zugeständnisse an den alten Kultus machte, geht offensichtlich auf Johann
Riesser zurück, der dem Rat im Hinblick auf Ermahnungen durch das Reichskammergericht empfohlen
hatte, den altgläubigen Bräuchen in gemäßigter Form entgegenzukommen, ohne dabei jedoch den evan-
90 Nägele, Gerichtsverfassung, S. 124f.
91 UB Heilbronn IV, S. 684; vgl. Nägele, Gerichtsverfas-
sung, S. 124-126; Schmolz, 450 Jahre, S. 239.
92 UB Heilbronn IV, S. 745: Item, dweyl ein erber radt in
nachtrachtung stet, noch ander christenlich ordnung in die
kirchen zu richten, solt ir an den orten, ir zu handeln
bevelch habt, auch vorsehung irer chur und furstlich gnaden,
fursichtig und ersam weishait kirchen ordnung und cere-
monien haben, dieselben, sover erheblich und muglich, mit
euch pringen, damit sich ain erber radt auch darnach dest
fuglicher regirn mocht. Vgl. ebd., S. 771; von Rauch,
Lachmann, S. 49; Graner, Reformation, S. 34; Rol-
ler, Musikpflege, S. 17.
93 Vgl. UB Heilbronn IV, S. 771.
94 Nach der Aufschrift auf der Rückseite waren dies Peter
Dietz, Laux Trabolt, Borros, Hans Lantzmann, Andreas
Schnepf, Johann Kornmesser, Leonhard Hirnlin, Kaspar
Berlin, Steinmetz, Friedrich Beger und Wilhelm Gresser;
vgl. UB Heilbronn IV, S. 771.
95 Vgl. Roller, Musikpflege, S. 17.
96 Von Rauch, Lachmann, S. 49.
97 Zum Inhalt siehe Die Reformation der Reichsstadt Heil-
bronn, S. 531-534; Roller, Musikpflege, S. 17-22;
Graner, Reformation, S. 30f., 34-37; Schmolz,
450 Jahre, S. 246f.; Weismann, Anfänge, S. 67-69; vgl.
Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 41-44.
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