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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0427
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8. Zuchtordnung 1531

Diewil die jugent fräch und unzüchtigklich uff den
gassen und sunst sich sehen laßt und vil der elteren
ettwan minder, dann not wäre, uffsehens habent
noch achtent, wie die kinder in züchtiger Maister-
schafft ufferzogen werdint, damit die zu aim tugen-
trichen und gott wolgefelligen alter kummint, so ist
ain ersamer rat uß schulden ires oberkaitlichen
ampts verursacht, in sölhem insehens zehaben, ouch
die gmainen burgerschafft zeermanen, das jegkliche
elteren in erziehung der kinden, die in irer verwal-
tigung sind, fürsichtiglich und gevlissen sich haltint,
sy von aller maisterloßkait, ouch unzucht und bößer
gewonhait besten vlyßes wysint und zu der forcht
gottes und christenlicher erberkait anlaitint.
Es ist ouch den zuchtherren bevolhen und irer
ordnung ingelibt118, wann sy erfarent, das ettwar si-
ner kinden und wer in siner verwaltigung stat, un-
achtig wär, sy zu erberer zucht nit zuge oder in un-
ärtigem leben maisterloßen ließe, das sy den selbi-
gen beschicken, ine mit worten, dessen abzeston, er-
manen und by im anhalten söllent, das er die sinen
zu der forcht gottes, ouch in zucht und erberkait ze
underrichten vlyß habe. By welhem aber sölhe er-
manung nichtz verfieng, der soll dem täglichen rat
angezaigt werden; der soll dann gegen dem selbigen,
ouch gegen dem jungen selbs, mit straf und sunst
handlen, das künftigs übel an den jungen fürkum-
men und die farläßigkait an den eltern gebessert
werde.
Und fürnemlich ist gut und not, das der jugent
anlaitung gegeben werde, die predigen zehören. Der-
halben söllent die eltern, oder in welhes versehung
junge lut stond, sy an die predigen und zu hörung
des göttlichen worts so vil |146k | ümmer möglich
fürdern. Welhe aber ettwan an fyrtagen zu den pre-
digen nit kummen könnten, die sollent doch uff den
gassen noch an andern orten zu ziten der predigen
nit umbschwayfen, sunder dahaimen in hüsern pli-
ben, sy werdint dann von iren eltern oder andern

118 Vgl. oben, S. 386, 389, 405.
119 Vorzeichen = Vorhalle der Stephanskirche, vgl. Grimm,
DWb 26, Sp. 1986.
120 Ibe = Eibe. Gemeint ist wohl mit Pfeil und Bogen aus
Eibenholz zu schießen, vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 78.

ußgeschickt, ettwas ußzerichten. Sollichs ußzerich-
ten soll inen nitt verbotten sin.
Item, sy sollent ouch zu glich wie die alten under
dem vorzaichen119 zu sant Steffan, so man prediget,
nit sitzen oder sin.
So aber junge knaben, welhe jungent halb under
den burgermaister noch nit gesworen habent, in söl-
chem, wie oben gemeldet, ungehorsam erfunden
wurdint, so söllent die zuchtherren sy, ouch ire el-
tern oder in wessen verwaltigung sy stond, für sich
beschicken und inen bevelhen, das sy die knaben
mit ainer ruten züchtigint. So aber die eltern das nit
thäten und das kuntbar wurd, so soll dann der rat
darinn nach der gepür handlen.
Item, welhe knaben mit den iben120 und arm-
brost schießent, die söllent an fyrtagen nit vor den
zwölffen uff die zilstatt gon. Sy söllent ouch, so bald
es halbe ains ist, uff niemants mer warten, sunder
anfahen schießen. Darzu, wann man das ander zai-
chen an die abent predig lüt, vom schießen uffhören
und harin in die statt gon und zur predig sich be-
vlyßen. Doch so sy ain gsellenschießen habent, deß-
glichen, so frömbde gsellschafften by inen sind und
allso sy, von vile wegen der schützen, so frü nit
möchtint vertig werden, alsdann mögent sy wol
ouch nach dem obermelten lüten ußschießen121.
Und zu erhaltung, das die knaben under der pre-
dig nit uff |1461| den Prül122 noch anderßwohin für
die thor gangint ze maisterlosen, sollent die thor-
hüter kainen knaben an fyrtagen vom morgen biß
das es im Münster zwölfe schlacht, zün thoren hinus
lassen, sy habint dann von den eltern ettwas ge-
schäfft oder bevelh, das sy ußrichten söllint oder das
die eltern selbs mit inen gangint.
Item, so junge knaben, die under den burger-
maister nit gesworen habent oder ires glichen junge
tochtern, in den swüren und flüchen, die den alten
verbotten sind, schuldig wurdint, so söllent sy durch
die eltern geswungen123 werden. So aber die eltern sy

121 Vgl. oben, S. 405 und 406.
122 Der Brühl = Aue, Wiese vor den Toren der Stadt, vgl.
Ruppert, Chroniken, S. 117, 224, 240, 253, 274, 284.
123 Geschlagen, gezüchtigt, vgl. Grimm, DWb 15,
Sp. 2691.

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