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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0486
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Isny

Zum Andern bitten, das sein Reich khome |34r | und
gemehret werd, das er alle sünder, verderbte, ver-
blente und vom Teuffel in sein Reich gefangen zu
erkhantnus des rechten glaubens an Jhesum Chris-
tum, seinen Son, bringen und die Zal der Christen
groß machen wölle. Er wölle unsere verderbte Na-
tur, die naygung zur sünd, sündtlich flaisch, böse
list und begirde, Sünd, Teuffel und Welt nit lassen in
uns walten und maister sein, sonnder uns regieren
mit seinem hailigen Gaist, das wir seinem hailigen
wort glauben und also sein Reich hie in uns anfahl in
gnaden, damit wir dort werden Erben Christi in
dem Reich seines Vatters.
Zum Dritten, so bitten, das sein will geschäch,
wie im Himel under seinen hailigen Engeln, also
auch auff erden bey uns menschenkhindern50, die
wir nach seiner bildtnus und gleichnus erschaffen
sind51, das wir seinem hailigen willen, den er uns in
seinen |34v | gebotten eroffnet hat, nimermehr wi-
derstreben, das wir nach im, unserm himelischen
Vatter, unsern yrdischen und leiblichen Vättern,
Vatter und Mutter, der Oberkheit, den Predigern,
Seelsorgern und allen, so uns weisen und leeren, gern
gehorsamen, das wir auch unserm nechsten khainer-
lay schaden zufüegen, weder an seinem leben noch
an seinem leib noch an seinem gut noch an seinen
ehren noch an seinem Gemahel, Kind oder gesind,
mit khainerlay lüsten und untrew wider die lieb sy
an uns bringen, sonder vilmehr seinen nutz und
frommen fürdern, seinen schaden wenden wo wir
khünden, mit worten und werckhen. Er wölle auch
unsere Hierten und Regenten, Gaistliche und Welt-
liche, jKayser, König, Fürsten und Herren, Bi-
schoff, Prediger, Pfarrherr, alle Oberkheit und Un-
derthonenj mit seinem hayligen Gaist laytten und
sterckhen, damit sy alle, ain jegclicher seinem Ambt
unnd be- |35r | rueff, getrewlich außwarten wie es
Gott gefallet, seinem hailigen Namen und zu erhal-
tung gemaines fridts, Burgerlicher Policey aller gu-
ten Stattuten, Ordnung, Sitten und gebreuch für-
stendig, besserlich sey. Er wölle uns allen verleihen
Unterstrichen.
50 Mt 6,10.

sein Göttliche gnad, das wir seinen hayligen willen
gedultig und willig tragen mögen, Wann er durch
Creutz, leyden und anfechtung unsern flaischlichen
willen dempffen, brechen und thödten will, es sey
mit armuth, kranckheit, Theurung, Krieg oder ster-
bet, Das wir erkhennen, glauben und nit zweyfflen,
das Gott, der Herr, alles Creutz, leiden und anfech-
tung umb aines bessern willen aufflegt, Namblich zu
demmung52 unsers sündtlichen Adams, auff das wir
nit (wo wir nach dem aignen willen unsers sündtli-
chen flaischs lebten) in der Helle, do aigner will
brennet, ewigclichen büessen müessen. Bitten auch
hiebey, das Gott wölle allen bösen menschen und
Teuffeln |35v | Iren bösen willen wören, alle falsche
lehr, böse, gifftige anschleg hindern und uns ster-
cken, das wir bey seinem Evangelio bleiben und
gern gleichförmig sein der bildtnus Gottes Son, mit
im leyden und sterben, unser Creutz willig anne-
men, seinen Kelch frölich trinckhen und also mitten
im Creutz anrüeffen, loben und preysen, seinem wil-
len außwarten, biß so lang er uns entlich vom
Creutz erlöse, wie er seinen Sohn Christum erlöset
hat.
Zum Vierdten lassen uns Gott bitten, das er uns
geben wölle unser taglich brott53, das ist alles, was
zu unser leibs narung gehört, als essen, trinckhen,
Klayder, gesunden leib, damit wir alle, ain jeder im
schwayß seines angesichts nach seinem Ambt, seins
leibsnarung, auffrecht wie redlich gewinnen mögen.
Er wölle uns auch geben eusserlichen friden, uns vor
Kriegen, Rauber, dieben, |36r | Mordt und auffruer
behüeten und ain fridtsam, Gottsförchtig Regiment
verleihen, das unsere Fürsten und alle Oberkheit im
frid regieren, das wir rüewig und ainigklich mit
danksagung unser brott mögen essen unnd unsere
Khinder mügent zu Gottes lob und ehr erziehen. Er
wolle uns geben Regen und gut wetter zu seiner
Zeit. Er wölle unns die frücht auff dem Veld vor
allem ungewitter und unfall behüeten. Darbey uns
aber gnad verleihen, das wir alle speiß, tranckh
unnd leibsnarung in rechter maß und beschayden-
51 Gen 1,26-27.
52 Verdammung.
53 Mt 6,11.

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