Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0062
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Reutlingen

bocht33 werden, wie dann yedermann sich also an in
zu rechen freyheit haben will, wie dann Paulus,
1. Tessa. 5 [12], leeret, so er spricht: Wir bitten uch
aber, lieben brüder, das ir erkennen, die an uch ar-
beiten und uch fürstehn in dem Heren und verma-
nend uch, |14| haltend sy dester mer in der liebe
umb ires wercks willen und seydt fridsam mit in;
und 1. Timo. 5 [17] sagt er, das die eltesten, so wol
furstehn, und sonderlich die, so im wort fürstehen,
seygen zwifacher ehren werdt; und zun Hebreern 13
[17] will er, das man den vorgengern gehorche, da-
mit si ir ampt mit freiden und nit mit seuffzen ver-
walten müssen, dieweyl sy wachen uber die seelen
und rechenschafft darfür geben müssen.
eDen predigern aber, allen in gemaindt, soll auch
auffgelegt und bevolhen werden, das sy alle jar zu
vier malen den catechismum den kindern und jun-
gen, neben und usserhalb iren gewonlichen predigen
und zit, predigen und fürhalten, wie es dann Gott
auch bevolhen hate im alten testamendt, mann solle
den kindern die gebott und wolthat Gottes fürhal-
ten und in34 die scherpffen, das ist, fleyssig und
ernstlich leren und einbilden, Deute. 6 [7] und 11
[18-19]. Darzu, so gebiet auch Christus, man solle
die kindlein laussen zu im kommen, Luc. 18 [16],
Mat. 19 [14], welchs dan on die leer und wort nit
geschechen kan. Sollichs soll auch den pfarhern in
dörffern auffgelegt werden, also das sy auch den ca-
techismum zu vier malen im jar predigen auff die
feirtag nach dem morgenessen, darzu, das sy zu
wintters zit, wann man nit sonder geschefft am feldt
hat, alle wochen, so kein feyrtag darynn ist, am
wercktag nach gelegenheit eins yden fleckenn auch
ain predig thuen.
Item die predicanten unnd kirchendiener sollen
sich |15 | ye zu zeitten, als ongevarlich zu dreien mo-
naten ain mal, zusamen fiegen und sich da mitai-
nander irer leer und predig, auch des lebens unnd
wandels halber besprechen, darmit sy dester einhel-
liger seigen und baß betrachten mügen, was sie für

e-e Vgl. Anm. d.
33 Verhöhnt.
34 Ihnen.
35 Gelegentliche.

bücher, hinfurter zupredigen, für sich nemen wollen
und zufallige35 fäl und mangel bessern und corrigiern
mügen. Zu disser samlung sollen sich die dorffpfar-
hernn auch schicken und fügen, so vil müglich ist,
da auch lernen und zuhören, wie und was in der kir-
chen am notigisten sey, in taglicher predig zu trey-
ben. Dan also hat im auch der heilig Paulus gethon
(wie er selbs zun Gallatern am 2. [1-10] bezeugt), da
er mitsampt Barnaba und Syla, nach dem er ain
zitlang geprediget hett, von Damasco gen Jherusa-
lem zoche, das er da sein leer mit den aposteln ver-
gleichte.
In sonderheit soll aber in sollicher versamlung
von der leer gehandlet werden: Als wa einer ain
hanndel oder ort der schryfft nit verstunde oder vi-
leicht etwas onverstanden der gemaind fürtragen
und nit wol troffen het, dem sol es da undersagt
werden und ja er selbs, was er nit verstatt, da fur-
tragen und von den anndern bericht begern und
empfachen, gleich wie die apostel in der samlung zu
Jherusalem thetten, da etlich jhuden die christen zu
Antiochia der beschneidung halber verirrt hätten,
Actorum 15.36
Dieweyl aber Paulus will, das wir ainannder er-
manen und trösten sollen mit geistlichen liedern,
psalmen und lobsangenn, Colloß. 3 [16], Eph. 5 [19],
1. Corint. 14 [15], und aber alles soll zur |16| bösse-
rung und bawung geschechen37, so sollen nun auff
sollichs die schulmaister mit iren knaben kein lied
noch gesanng in der kirchen singen38, es sey dann
zuvor von den eltesten unnd predicanten examiniert
und ersucht, ob es der schrifft gemeß unnd zur bös-
serung dienstlich und fürderlich sey.
Von der tauffe
Hie soll auch gehalten werden bey der tauffe, das
man kein kindlin tauffe, es sey dann zuvor vollig
und gar39 geboren, und nit, wa man ain glidlin oder
das haupt säche, von stund an toffen wolte, wie et-

36 Apg 15,1-21.
37 1Kor 14,26.
38 Vgl. die Reutlinger Schulordnung von 1565/66 mit einer
Liste der Kirchenlieder, siehe unten, S. 47 Nr. 3.
39 Ganz und gar, vollständig.

42
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften