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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0064
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Reutlingen

der selbs bringen und in zuhoren, so sie rechen-
schafft geben, also das die muter mit den tochterlin
und der vatter mit den knäblin oder sünen khomm
unnd darbey seye oder, so die jüngen nit vatter oder
muter hätten, das alsdann die jhenigen, den sy be-
volhen seind, frundtschafft48, gvatterschafft49, pfleg-
schafft halber an statt vatter und muter erscheinen
und die jungen herzu fieren. Damit auch aller böser
argwon, und in sunderheit mit den weybern, verhiet
werd, soll sollichs in der kirchen erbar unnd züchtig
beschecheng.
Darneben, das auch die diener wissen, irs ampts
dest baß zugewartenn, sollen die, so rechenschafft
geben unnd zu dem tisch des hern gehn wöllen, sich
alweg am sambstag nach der vesper unnd des sun-
tags am morgen vor und zwischen den predigen her-
zu schicken unnd alda rechenschafft, wie vor gemelt
ist, geben und trost entpfachen. Unnd so yemandts
lust hatt zu ainem predicanten, |20| welchers were,
mag er sich in der wochen zu im schicken, wans in
beyden gelegen sein will, unnd alda sein rechen-
schafft thon und trost empfachen. Deßgleichen auch
mit dem pfarrher und den hellffern mocht es auch in
der wochen geschechen, so sy an andern geschefft
nit verhindert weren. So aber ain junge person, es
were matlin oder knablin, so erschrocken unnd
schamhafft were, das es [dem] diener nit kunde ant-
wurten auff die fragen, ob es gleich wol bericht were,
wie dann offt geschicht, so mag als dan der diener
dem vatter oder muter und ainem andern christen,
so zugegen were, bevelhen, das er die jungen person
fragte und im rechenschafft gegeben wurd, allein
das der diener darbey wer und zuhorte und die jun-
genn durch scham nit verhindert würd. Und so
ymandts kurtzlich rechenschafft thon oder sunst
seins glaubens und lebens halb wolbekant were, ist
nit von nöten, das er vil gefragt werde, sonder allein
den trost und verzeichung der sünd entpfache
durchs wort der absolution.
g Verschrieben: beschechen und nit in der kirchen.
h Papier zerstört.
48 Verwandtschaft.
49 Taufpaten.
50 Zu Eli und Samuel siehe 1Sam 1-4. Zu Elias und Elisa
(Heliseus) siehe 1Kön 17-19; 2Kön 1,1-6,7.

Solliche ordnung soll fürderlich darumb iren für-
gang haben und alle christen sy zu halten willig sein,
das durch sollichs die absolution und verzeichung
der sünd einem yeden in sunderheit verkundt würdt
und als sein aigen geschenck und guthat, von Chris-
to erlangt, im zugestelt und durchs wort uberant-
wurt und zu aigen gebenn wirdt, gleich wie es bey
denn |21| krancken auch yedem sonderlich gepredi-
get und verkunt [würde]h, aber sunst in der kirchen
in gemain geschicht auff der kantzel.
Von der visitation
Es haben die frommen vätter und propheten alweg
im brauch gehapt, das sy die iren als die kinder der
propheten heimsuchten und im lannd umher zogen,
zubesechen, wie sich die vorgenger propheten unnd
Leviten hielten, wie dann Eli und nach im die hail-
gen propheten Samuel, Elias unnd Heliseus auch ge-
thon haben50. Deßgleichen die heiligen apostel seyen
auch wider durch die stett und land gezogen, do sy
zuvor geprediget haben und sy besucht und gese-
chen, das es alles recht im schwang bleyb und die
kirchenampter besetzt und niendert51 mangelhafft
were52. Derhalben sollen die kirchen auch alle jar ain
mal besucht und die dorffpfarhern und gemainden
visitiert werden, durch welches man erkundigen,
was für mangel oder gebrechen beyde, an den pfar-
hern und dienern oder an der gemaind oder iren ord-
nungen und gebrüchen, zubessern seye.
Unnd dieweyl man auch in der schul die kinder
den glauben unnd christenliche zucht leret, sollen
auch die selbigen besucht und visitiert werden nach
lut der schulordnung53, damit alle mangel dardurch
gebessert unnd abgestelt werden. Zu disser besu-
chung aber und visitation |22 | mügen die zwölff kir-
chenverwalter oder zuchthern54 zwen, drey oder füer
auß inen verordnen, die es alwegen versechen, das sy

51 Nirgends.
52 Vgl. Apg 8,4-40; 9,19-35; 11,1-30; 13-14; 16-21.
53 Diese Schulordnung ist nicht überliefert. Die Reutlinger
Schulordnung von 1565/66 (Nr. 3) erwähnt derartige Vi-
sitationen nicht, Votteler, Lateinschule, S. 334.
54 Siehe oben, S. 39.

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