Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0065
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2. Kirchenordnung [um 1531]

nitt all damit mussen beladen sein, sonder mügen es
die alweg durch etlich, als der sachen verstendig-
sten, außrichten und versechen.
Vom bann
Dieweyl aber der bann der kirchen in sonderheit ge-
ben ist, das sy dardurch gleych als durch ir schwerdt
die ungehorsamen, offentlich sünder zieche55 und sy
zue buoß und widerkeren treybe, wie es dann Chris-
tus, Mat. 18 [15-20], und Paulus, 1. Corint. 5 [1-13],
fleyssig bevolhen haben, so sollen nun die christen-
lichen verwalter der gemaind sollichen auch in der
kirchen yeben nach der leer der heiligen schrifft, also
das man die offentlichen hurer, eebrecher, weinsäuf-
fer und der gleichen ain mal, zwey oder drey erma-
nen unnd, wa das nit verfachen wolt, sy darnach
außschliessen, unnd hie mügen sy ains yeden ver-
gangen wesens und leben, ob es auß blödigkeyt56
oder bossheyt bescheche, betrachten. Dann so ye-
mandts von den kirchendienern ermant würde, von
seinem ergerlichen hanndel abzustehn, und er sich
zu bessern zusagte und doch nit hielte unnd sollichs
also ain mal viere57 thatte, mocht man in alsdann, so
er die kirchen umbtreybe, heissen vom sacramente
styll stehn58, biß so lang er recht geschaffne |23|
werck der buß brachte.
Item, so die zuchthern und verwalter der kir-
chen von ainem, der sich ain bruder unnd christen
nennen welt, ain unchristlich, ergerliche hanndlung
glaublich und gwißlich für keme, also das sy darauff
hanndlen dörfften, so sollen sy alsdann ainen oder
zwen auß inen zu im schicken, das [sie] in inn der
stylle heimlich warnen, zur besserung vermanen
unnd in umb seine mißhandlung straffen, und so es
offtmals gescheche und ye nit hellffen wolt, mügen
sy in für sich beruffen lassen, und so er ernstlich und
dapffer ermant und gestrafft, noch nit abstehn, son-
der in seiner mißhandlung verharren wolt, möchten
sy in durch ain diener in offentlicher predig verkün-
i Gemeint ist wohl: cassiert.
55 Züchtige.
56 Unvermögen.
57 Zum vierten Mal.
58 Fernzubleiben.

den und bannen lassen, biß so lang er sich besserte,
wie Paulus, 1. Corint. 5 [1-13], mit dem hurer, der
mit ainer stieffmuter zuthon hett, handlet59.
Vonn eehänndeln
Dieweyl aber noch im bapstlichem bruch, vil kinder
hinderrücks irer elter verheyren60, und darzu auch
etlich sich fleyssen, den reichen ire kinder heimlich
abzuwerben, dargegen auch etliche vatter ire kinder
lenger dann sich geburt von der ee auffhalten61 oder
aber wider derselben, irer kinder, willen an ort und
end, da sy nit lust unnd willen haben, tirannischer
weyß zu notten62 understehn, derhalben sich dann
vil und mangerlay spänn63, irrung, zanck |24| in
eehenndeln zutragen, ist auch von noten, seytemal
der kirchen vill ergernus darauß erwachssen mag, so
vil muglich sollichen für zukommen und zuverhue-
ten.
Wa nun ain sollicher aigensinnger, grober vatter
erfunden, den sollen die erwelten verwalter der kir-
chen beschicken, in umb sein unbillich furnemen sei-
nes ampts ermanen, und wo sollichs vonn im nit ge-
acht und onerschießlich sein wolt, so sollen sy das
selbig kind, grössers zu vermeiden, verheyratten,
dieweyl doch der vatter sein ampt unnd gerechtsa-
me hie durch seinen mißbruch verwürckt hätte.
So aber nun der vatter an seinem ampt nichts
versumpte und das kind on nott wider des vatters
willen sich heimlich hinder im verheyrate, es wer ain
madtlin oder knablin, so soll solliche ehe und -ver-
sprechen nichts gelten, auch fur nichtig und krafft-
loß erkennt werden, dann das gebott Gottes, das
man vatter unnd mutter gehorsam sey64, sollichs
versprechung causierti unnd zu nicht macht; dann
was wider Gottes gebott zugesagt und versprochen
wirdt, soll bey den christen nichts gelten noch ge-
halten werden, wie mann es alle tag an der predig
hören und lernen mag.

59 Vgl. Mt 18,15-17.
60 Sich verheiraten.
61 Abhalten, die Eheschließung verhindern.
62 Nötigen.
63 Streitigkeiten, vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1862.
64 Eph 6,1; Kol 3,20.

45
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften