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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0087
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Einleitung

verknüpft.70 Auf Ersuchen dieses Ausschusses bat der Ulmer Rat in Straßburg, Basel und Konstanz darum,
die dort wirkenden Theologen Martin Bucer, Johannes Oekolampad71 und Ambrosius Blarer zur Unter-
stützung von Konrad Sam für einige Zeit nach Ulm zu entsenden.72 Am 21. Mai 1531 kamen die drei
auswärtigen Prädikanten in der Reichsstadt an und machten erste Vorschläge zur reformatorischen Neu-
gestaltung.73 Ihr Antrag, zunächst die Ulmer Landbevölkerung evangelisch zu unterweisen,74 wurde am
27. Mai 1531 vom Bürgermeister und den Fünf Geheimen (zwei Patrizier, drei Zunftherren) mit Zustim-
mung des Rates angenommen.75 Die drei Theologen wollten sich zunächst einen Überblick über die Glau-
benshaltung unter den Geistlichen in der Stadt und auf dem Land verschaffen.76 Zwischen dem 5. und
7. Juni 1531 wurden sämtliche Kleriker und Ordensleute im Rathaus versammelt und einzeln anhand der
18 Artikel77 - des „Ulmer Glaubensbekenntnisses“78 - nach ihrer Haltung zur neuen Lehre befragt.79 Von
den 35 Klerikern und 44 Konventualen in der Stadt befürworteten nur wenige die evangelische Lehre. Die
Mehrzahl der 67 Landgeistlichen war theologisch so wenig beschlagen, dass sie die Neuartigkeit der evan-
gelischen Glaubensgrundlagen in vielen Fällen nicht ermessen konnte.80 Mit diesem Personal war die Refor-
mation im ausgedehnten Ulmer Territorium nicht durchführbar, und so ging der Rat an die Neubesetzung
der Pfarrstellen. Seit Juni 1531 wurden evangelische Geistliche zunächst an solchen Kirchen installiert,
deren Patronatsrechte der Rat besaß. Bei den übrigen Pfründen, deren Patronat bei Klöstern oder altgläu-
bigen Laien lag, gelang es dem Rat nur vereinzelt, Besetzungsrechte auszuüben.81
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Reichsstadt zur Reformation war die Abschaffung der Messe am
16. Juni sowie die erste evangelische Abendmahlsfeier im Münster am 16. Juli 1531.82

70 Endriss, Reformationsjahr, S. 11-14.
71 Konrad Sam stand bereits in intensivem Austausch mit
Johannes Oekolampad, siehe Staehelin, Briefe und
Akten II, Nr. 463, 552, 624, 764, 836.
72 Endriss, Reformationsjahr, S. 14-18. Das Schreiben
des Ulmer Rats an die drei Prädikanten vom 19. April
1531 ist zuletzt abgedruckt bei Bucer, Briefwechsel VI,
Nr. 418. Bucers Antwort vom 25. April ebd., Nr. 422.
Vgl. auch Winckelmann, Correspondenz 2, Nr. 38 und
40. Der Briefwechsel zwischen dem Ulmer und dem Bas-
ler Rat sowie mit Oekolampad in dieser Sache ist abge-
druckt bei Staehelin, Briefe und Akten II, Nr. 843,
847-850, 870, 881.
73 Endriss, Reformationsjahr, S. 108-114; Bucer, Brief-
wechsel VI, Nr. 428. Bucer und Oekolampad blieben bis
31. Juni in Ulm. Blarer war bis 20. Juli in der Reichs-
stadt und hielt sich anschließend bis 15. September in
Geislingen auf, siehe unten, S. 71 Anm. 124. Vgl. Spek-
ker/Weig, Einführung S. 176; Bucer, Deutsche
Schriften 4, S. 194 Anm. 50.
74 StadtA Ulm A [8984/III], fol. 783r-785v. Vgl. Hofer,
Reformation, S. 80f.
75 StadtA Ulm A [8984/III], fol. 787r-791r. Vgl. Spek-
ker/Weig, Einführung S. 177; Endriss, Reformati-
onsjahr, S. 18-24.
76 Vgl. Staehelin, Briefe und Akten II, Nr. 858, 859.
77 Abdruck bei Endriss, Reformationsjahr, S. 115-118.
Die Artikel waren innerhalb einer grundlegenden Denk-
schrift zur Einführung der Reformation in Ulm formu-
liert worden, die Bucer, Blarer und Oekolampad dem
Ulmer Rat am 2. Juni 1531 übergeben hatten, vgl. ebd.,
S. 94; Köhler, Ehegericht II, S. 42. Da die Denkschrift

in engem Zusammenhang mit der Ulmer Kirchenord-
nung von 1531 steht, wird sie unten, S. 70 Anm. 109
näher beschrieben.
78 Keim, Reformation, S. 230.
79 Specker/Weig, Einführung, S. 179f.; Specker, Ulm,
S. 119; Keidel, Reformationsakten, S. 260-269; End-
riss, Reformationsjahr, S. 24-32.
80 StadtA Ulm A [8985], fol. 1r-7r, 8r-16r, 18r-27v. Vgl.
Specker/Weig, Einführung, S. 179-182; Specker,
Ulm, S. 119f. Zu diesem Examen siehe ausführlich End-
riss, Reformationsjahr, S. 24-36; Moeller, Disputa-
tionen, S. 323f. Die Listen mit den Antworten der Geist-
lichen sind paraphrasiert bei Keidel, Reformationsak-
ten, S. 260-269 sowie bei Endriss, Examen, S. 1-23.
81 Specker/Weig, Einführung, S. 182f.; Endriss,
Reformationsjahr, S. 36-44. Ulm erbat aus Straßburg
Rat, wie man sich gegenüber den altgläubigen Patro-
natsherren verhalten sollte. Eine Antwort aus Straßburg
scheint ausgeblieben zu sein, vgl. Winckelmann, Cor-
respondenz 2, Nr. 9.
82 StadtA Ulm A 3530 Ratsprotokolle Bd. 11, fol. 95r und
StadtA Ulm A [8985], fol. 72. Der Ulmer Rat hatte
bereits am 2. Februar 1531 an die Dreizehn in Straßburg
geschrieben, dass man vorhabe, die grewlich, widerchrist-
lich gotslesterung des verdamblichen messierns abzustellen.
Vgl. Specker/Weig, Einführung S. 183; Endriss,
Reformationsjahr, S. 62, 67f. Über die bereits erfolgten
und noch ausstehenden Veränderungen des Kirchenwe-
sens in Ulm berichteten Blarer, Bucer und Oekolampad
am 23. Juni 1531 an Joachim Vadian, siehe Bucer,
Briefwechsel VI, Nr. 430 und Schiess, Briefwechsel I,
Nr. 191.

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