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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0279
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22. Ehegerichtsordnung 1565

Mutter, Vogt, Pfleger und nächsten Freundt etc.,
wie gehört, versprochen und verpflicht werden, die
sollen statt und fürgang haben.
Doch so ettliche, die noch in vätterlichem Ge-
walt oder sonst verpflegert weren, vermeinen wur-
den, rechtmässige Ursachen zuhaben, sich one irer
Eltern, Pfleger oder nächst Verwandten Rhat, Wis-
sen und Willen ehelichen zuverheuraten, so soll dan-
nocht das keins wegs durch sie, bey Vermeidung un-
serer Straff, eigens Fürnemens, beschehen, Sonder
unserm geordnetem Ehegericht fürgetragen und
rechtlichen Entscheids hierinn erwartet und dem ge-
horsamlich gelebt werden.
Darbey auch sollen und wöllen wir niemandt der
unsern gestatten, ire Kinder zu onanmütiger8 Ehe
züzwingen oder zu lang auffzuhalten. Die beide zu-
fürkommen (wie auch solches die Keiserlichen
Recht verbietten), haben wir unsern Richtern Be-
velch gethon, ein getrew auffsehen auff die erwachs-
sen Sön und Töchtern zuhaben, und wo sie einichen
Falsch der Eltern finden, dieselben darvon zuwei-
sen, sollichen Gewalt abzuschaffen und insonder mit
den erwachßnen Sönen und Töchtern zu- | VIII |
handlen und fürzuschreiten, wie das unser Gesatz
der anfälligen Güter9 halb, des Fünffzehenhundert

Eheverloben auch das Junckfrawschwöchen, schwän-
gern, oder ye beyschlaffen ervolgt unnd fürgangen, unnd
doch unnsere Eherichter solche Eheen auß sondern hoch-
wichtigen, bewegenden ursachen zulassen unnd für bün-
dig erkennen, Aber bey derselben unnserer Ordnung inn
spetie nicht vermeldt oder gesetzt worden, was dieselbige
sunndere hochwichtige, bewögende ursachen sein sollen,
umb welcher willen ain Ehegericht solche Eheen zulassen
unnd für bindig sprechen möcht, Also unnd zu weitterer
erklärung derselben unnserer Ordnung unnd Gesatzes
unnd zu unnserer Eherichter mehrerer nachrichtung Ist
unsere Mainung, Decret unnd bevelch, das es nochmaln
bey berhürter unnserer Publicierten Ordnung unnd
ernstlichen verbieten deß bemeldten aigenwilligen Ehe-
verlobens unnd der Winckelehen halber verbleiben und
gelassen werden solle, Jedoch mit dem unnderschid und
erleutterung, das bey unnd vor unnserem Ehegericht die
Eheen, bey welchen nicht allain berhürter Kinder aigen-
willig Eheversprechen, sonnder auch gehört Beyschlaf-
fen ervolgt unnd klagt worden, Aber alßdann und nicht
anders fur bündig gehalten unnd erkendt werden sollen,
Dann wann erstlich, wie sich den Rechten nach gebürth,
bewiesen worden, das solch Eheversprechen und dann,
zum Anndern, das berhürt Beyschlaffen fürgangen, Das

und eins und dreissigsten Jars gethon und furge-
nommen und im verschinen ein und sechtzigisten
Jar widerumb ernewert, lautter vermag und zuer-
kennen gibt.
Nachdem sich aber zuweilen zutregt, das ett-
wann einer Wittibin Sone oder Tochter einen Heu-
rat vorhaben, der Ehren und Guts halben gleich,
und die Mutter dannocht sich underfangen wolt,
denselben zuverhindern oder abzutreiben, So haben
wir für billich entschlossen, wo die Pfleger in solchen
Heurat ires Pflegkinds, als Göttlich, erbar, billich
und beiderseits Gleichheit gemäß, bewilligten, das
die Mutter den selben Heurat den Pflegern zuwider
nicht zuverhindern haben, sonder ein fürgang lassen
soll.
Ferrers, als offt andere Personen, so frey und
nicht mehr in vätterlichem oder der Pfleger Gewalt
sein, heimlich, one beysein anderer Personen, allein
sich gegen einander ehelich verpflichten und aber
ettwann schwäre Meineid, Gottslösterung, Be-
schwärungen der Gewissen, Verhinderung der ange-
sprochen Personen und sonst mercklicher Nachtheil,
Schaden und Unrhat darauß erwachssen, So wöllen
und ordnen wir zu fürkommung eines solchen Un-
rhats, das hinfürter solche Personen (wiewol sie

auch, und zum Dritten, die klagende Parthey sonnst ain
Ehrliche, unverleumbdte Person seye, Unnd das zu dem-
selben Letstlich erwiesen unnd beybracht worden, das
derselbig klagende thail zu solchem Schwöchen, Schwän-
gern oder ye Beyschlaffen von der beklagten Partheyen
oder derselben wegen mit betrug, lüsten oder kupplerey
oder sunnst ungebürlichen, unerbaren hanndlungen an-
geraitzt, beredt unnd verursacht worden seye, Dann wo
alle dise umbständ sammentlich unnd mit ainander sich
bey solchen Ehesachen nicht befinden unnd der gebür
erwiesen werden, Sollen die Eherichter solch Ehever-
sprechen für kräfftig oder bündig nicht erkennen, Sonder
den Beklagten thail von demselben ledig sprechen. Ye-
doch soll inn allen disen fällen, es werde gleich solch Ehe-
verloben für bünndig oder unbünndig erkendt, unns
vonn Oberkait wegen die gebürende Straff gegen solchen
aigenthätlichen, muthwilligen hanndlungen nochmaln
außtrucklich reserviert sein unnd sonnst inn allem an-
dern gehalten werden, wie dasselbig unnser Gesatz unnd
Ordnung verrner mit sich bringt.

8 Widerwärtiger, ungewollter.
9 Erbgüter, Erbe.

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