Esslingen
4. Konsolidierung der Reformation 1533-1548
14. Verordnung für die Zunftherren zur Sonn- und Feiertagsheiligung 2. März 1533 (Text S. 372)
Der Esslinger Rat hatte bereits im Juli 1532 auf den regelmäßigen Besuch der evangelischen Predigtgot-
tesdienste an Sonn- und Feiertagen gedrungen (Nr. 11), um die neue Lehre unter den Stadtbewohnern zu
festigen. Die Vielzahl weiterer Mandate dieses Inhalts zeigt jedoch, dass es auch Widerstand unter der
Bevölkerung gab. Am 2. März 1533 schärfte der Rat den Zunftherren ein, wenn sie schon nicht den Got-
tesdienst besuchten, sich währenddessen zumindest nicht auf öffentlichen Plätzen oder in Wirtshäusern zu
zeigen oder sich anderen Lustbarkeiten hinzugeben. Die fremden wandernden Gesellen waren ausdrücklich
von diesen Regelungen ausgenommen, da der Rat ihnen gegenüber nicht weisungsbefugt war. Zur Frage, an
welchen Feiertagen diese Regelungen gelten sollten, äußert sich das Mandat nicht. Vermutlich waren es
jedoch diejenigen, die am 10. November 1527 festgelegt worden waren: santt Martins tag [11. Nov.], sant
Andreas [30. Nov.] unnd sanntt Thomas [21. Dez.], der zweyer zwolffpotten tag94. Deßgleichen soll man santt
Katherina tag [25. Nov.] och fyren und hallten, wie von allter herkommen ist. Santt Othmars [16. Nov.], sant
Conraz [26. Nov.] und sant Niclas [6. Dez.] tag darff man nyt fyren, sonder mag ain jeder daran arbeyten, wie es
sein notdurfft erfordert.95
15. Prädikantenordnung [nach 7. Juni 1533] (Text S. 373)
Ambrosius Blarer hatte Esslingen Ende Juni 1531 verlassen. Als sein Nachfolger war Jakob Otter (ca.
1485-1547) nach Esslingen berufen worden.96 Otter, der aus dem Elsass stammte und in Straßburg Sekretär
bei Johannes Geiler von Kaysersberg gewesen war, hatte 1520 im badischen Wolfenweiler begonnen, evan-
gelisch zu predigen. Zuletzt amtierte er als Pfarrer in Aarau. Jakob Otter hatte 1532 einen Katechismus
verfasst,97 der seine oberdeutsche Glaubensauffassung repräsentiert. Schon bald kam es zwischen Otter und
dem Esslinger Prediger Martin Fuchs98 zu schwerwiegenden persönlichen und schließlich auch theologi-
schen Auseinandersetzungen. Bei diesem Streit ging es zunächst um die Frage nach der Grenze zwischen
obrigkeitlichem Herrschaftsanspruch gegenüber kirchlichen Belangen und der Selbständigkeit der Geistli-
chen.99 Was zunächst als private Auseinandersetzung begonnen hatte, wuchs sich immer weiter aus, so dass
der Esslinger Rat die Spaltung des jungen evangelischen Kirchenwesens fürchten musste. Vor dem Hinter-
grund dieses Streites ist die Prädikantenordnung zu sehen, die im Sommer 1533 erlassen wurde.100
Die Geheimen Räte, die mit der Ausarbeitung beauftragt worden waren, hielten darin fest, welche
Prädikanten an den einzelnen Tagen zu verschiedenen Zeiten predigen sollten. Daneben wurde angeordnet,
alle vier Wochen gemeine convocationes einzuberufen, bei denen zwei vom Rat bestimmte Personen anwesend
sein sollten. Bei diesen Zusammenkünften konnten die Geistlichen zwar über den Ausschluss einzelner
Personen von der Gottesdienst- und Abendmahlsgemeinschaft beraten, die Entscheidung hierüber lag
94 Wohl Peter und Paul = 29. Juni.
95 StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10, OB I, p. 68.
Abdruck: Krabbe/Rublack, Akten, Nr. 9.
96 StadtA Esslingen, Reichsstadt, Missivenbuch 20,
fol. 136b-137a. Zu Jakob Otter siehe S. 317 Anm. 68.
Vgl. Zwingli, Briefwechsel IV, Nr. 948 vom 27. Dezem-
ber 1529.
97 Reu, Süddeutsche Katechismen, S. 360-382, vgl.
Schiess, Briefwechsel I, Nr. 292 S. 354f. vom 11. Juli
1532.
98 Zu Martin Fuchs siehe oben, S. 316 Anm. 67.
99 Schröder, Kirchenregiment, S. 117.
100 Schröder, Kirchenregiment, S. 118; Schiess, Brief-
wechsel I, Nr. 296, 298, 313. Das Konzept der Prädikan-
tenordnung ist datiert auf den 7. Juni 1533. Die Ord-
nung selbst, die keine Datierung aufweist, wird also
wenig später erlassen worden sein.
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4. Konsolidierung der Reformation 1533-1548
14. Verordnung für die Zunftherren zur Sonn- und Feiertagsheiligung 2. März 1533 (Text S. 372)
Der Esslinger Rat hatte bereits im Juli 1532 auf den regelmäßigen Besuch der evangelischen Predigtgot-
tesdienste an Sonn- und Feiertagen gedrungen (Nr. 11), um die neue Lehre unter den Stadtbewohnern zu
festigen. Die Vielzahl weiterer Mandate dieses Inhalts zeigt jedoch, dass es auch Widerstand unter der
Bevölkerung gab. Am 2. März 1533 schärfte der Rat den Zunftherren ein, wenn sie schon nicht den Got-
tesdienst besuchten, sich währenddessen zumindest nicht auf öffentlichen Plätzen oder in Wirtshäusern zu
zeigen oder sich anderen Lustbarkeiten hinzugeben. Die fremden wandernden Gesellen waren ausdrücklich
von diesen Regelungen ausgenommen, da der Rat ihnen gegenüber nicht weisungsbefugt war. Zur Frage, an
welchen Feiertagen diese Regelungen gelten sollten, äußert sich das Mandat nicht. Vermutlich waren es
jedoch diejenigen, die am 10. November 1527 festgelegt worden waren: santt Martins tag [11. Nov.], sant
Andreas [30. Nov.] unnd sanntt Thomas [21. Dez.], der zweyer zwolffpotten tag94. Deßgleichen soll man santt
Katherina tag [25. Nov.] och fyren und hallten, wie von allter herkommen ist. Santt Othmars [16. Nov.], sant
Conraz [26. Nov.] und sant Niclas [6. Dez.] tag darff man nyt fyren, sonder mag ain jeder daran arbeyten, wie es
sein notdurfft erfordert.95
15. Prädikantenordnung [nach 7. Juni 1533] (Text S. 373)
Ambrosius Blarer hatte Esslingen Ende Juni 1531 verlassen. Als sein Nachfolger war Jakob Otter (ca.
1485-1547) nach Esslingen berufen worden.96 Otter, der aus dem Elsass stammte und in Straßburg Sekretär
bei Johannes Geiler von Kaysersberg gewesen war, hatte 1520 im badischen Wolfenweiler begonnen, evan-
gelisch zu predigen. Zuletzt amtierte er als Pfarrer in Aarau. Jakob Otter hatte 1532 einen Katechismus
verfasst,97 der seine oberdeutsche Glaubensauffassung repräsentiert. Schon bald kam es zwischen Otter und
dem Esslinger Prediger Martin Fuchs98 zu schwerwiegenden persönlichen und schließlich auch theologi-
schen Auseinandersetzungen. Bei diesem Streit ging es zunächst um die Frage nach der Grenze zwischen
obrigkeitlichem Herrschaftsanspruch gegenüber kirchlichen Belangen und der Selbständigkeit der Geistli-
chen.99 Was zunächst als private Auseinandersetzung begonnen hatte, wuchs sich immer weiter aus, so dass
der Esslinger Rat die Spaltung des jungen evangelischen Kirchenwesens fürchten musste. Vor dem Hinter-
grund dieses Streites ist die Prädikantenordnung zu sehen, die im Sommer 1533 erlassen wurde.100
Die Geheimen Räte, die mit der Ausarbeitung beauftragt worden waren, hielten darin fest, welche
Prädikanten an den einzelnen Tagen zu verschiedenen Zeiten predigen sollten. Daneben wurde angeordnet,
alle vier Wochen gemeine convocationes einzuberufen, bei denen zwei vom Rat bestimmte Personen anwesend
sein sollten. Bei diesen Zusammenkünften konnten die Geistlichen zwar über den Ausschluss einzelner
Personen von der Gottesdienst- und Abendmahlsgemeinschaft beraten, die Entscheidung hierüber lag
94 Wohl Peter und Paul = 29. Juni.
95 StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10, OB I, p. 68.
Abdruck: Krabbe/Rublack, Akten, Nr. 9.
96 StadtA Esslingen, Reichsstadt, Missivenbuch 20,
fol. 136b-137a. Zu Jakob Otter siehe S. 317 Anm. 68.
Vgl. Zwingli, Briefwechsel IV, Nr. 948 vom 27. Dezem-
ber 1529.
97 Reu, Süddeutsche Katechismen, S. 360-382, vgl.
Schiess, Briefwechsel I, Nr. 292 S. 354f. vom 11. Juli
1532.
98 Zu Martin Fuchs siehe oben, S. 316 Anm. 67.
99 Schröder, Kirchenregiment, S. 117.
100 Schröder, Kirchenregiment, S. 118; Schiess, Brief-
wechsel I, Nr. 296, 298, 313. Das Konzept der Prädikan-
tenordnung ist datiert auf den 7. Juni 1533. Die Ord-
nung selbst, die keine Datierung aufweist, wird also
wenig später erlassen worden sein.
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