Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0482
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ravensburg

ordnung von 1546 hervorgeht: Wir wöllen auch hie mit diser ordnung all unnd jede artickel, so in unnser new
auffgerichten kirchenordnung des allmusens halber begriffen sein, gar dhains wegs abgethon, sonnder die confier-
miert unnd bestät haben [...] Wir wöllen auch mit diser unnser schulordnung die kirchenordnung, so vormals
durch unnsere predicannten gesetzt, in dem arttickel von schulen gar nit auffgehabt, sonnder dieselbigen in allen
puncten hiemit bekräfftigt unnd gehalten haben.52 Veit Dietrich, der im Sommer 1546 eine Sammlung von
Predigten veröffentlichte, erwähnte in seiner vorangestellten Widmung für Bürgermeister und Rat der
Stadt Ravensburg: Ich hab E. F. E. W. Kirchenordnung, wie die von Herrn Blasio [Stöckel] und andern
Kirchendienern gefasset ist, fleissig durchsehen, und gefelt mir sehr wol.53 Der Straßburger Theologe Johann
Marbach ermahnte den Rat in einem Brief vom 23. Juni 1552, sich an die unter seiner Mitarbeit entstan-
dene Kirchenordnung zu halten.54 Auch andere Quellen berichten vom niirnbergischen Charakter der
Ravensburger Kirchenordnung: Nachdem der Ravensburger Prediger Johannes Willing 1554 aus seinem
Amt entlassen worden war,55 hatte sich der Rat erneut an Nürnberg gewandt, ihnen ein praedicanten zue
schicken, der der augspurgischen confession seye und die nürnbergisch oder wittenbergische kirchenordnung, so
sie zuvor durch herren Blasi Stecklin, gewesen praedicanten zue Ravenspurg, angericht worden, derselbigen
nachkommen. Über den daraufhin von Nürnberg entsandten Michel Schmidt heißt es ferner: Weiter hab er,
herr Michel Schmid, mit herr Fridrichen [Wagner] der kirchenordnung halber geredt, wie das man die nürnber-
gisch ordnung in der kirchen solle anrichten, wie herr Blasi [Stöcklin], ihr voriger prediger, angericht hat. Darauf
herr Friderich geantwurt: Wann man jezo ein anders wurde anrichten dann sies jezunder haben, so wurd unter
der gemaindt ein gross gemurbel [= Gemurre] werden etc.56
Eine chronikalische Überlieferung57 berichtet über die Kirchenordnung: Anno 1583 Decembris 10 haben
groß und khlein rhat sampt dem gericht deß newen calenders halben sich mit einandern einhelligklich verglichen,
disen calender kay. may. (allß in einem politischen werckh), nicht aber dem papst zugefallen, anzunemen, dabei
außtruckhlich bedingt und verglichen, daß der augsp[urgischen] confession zugethonen deroselben predigern und
vorstehern kheine mehrere feyrtag sollen auffgetrungen werden, dann bißhero nach außweiß der augsp. confession
unnd vermög ihrer kirchen ordnung zu feyren und zuhalten üblich gewest.58
Aus diesen verstreuten Nachrichten ergibt sich, dass für Ravensburg eine eigenständige Kirchenord-
nung entworfen worden war. Die Autorschaft geht vermutlich auf Blasius Stöckel zuriick, der von den
übrigen Theologen in Ravensburg, allen voran von Johann Marbach, unterstützt worden war.59 Die inhalt-
liche Ausrichtung des Textes verweist nach Nürnberg-Brandenburg-Ansbach.50

52 Siehe unten, S. 491.
53 Zitiert nach Klaus, Dietrich, S. 219. Das Werk trägt
den Titel „Kinderpredig uber die Sontags und der fur-
nembsten Fest Evangelia durch das gantze Jar“. Zu
Dietrichs „Kinderpostille“ siehe die Bibliographie ebd.,
Nr. 17, S. 7.
54 StadtA Ravensburg Bü 485c/2 Nr. 1: Wir haben vor etli-
chen jaren e[ure] e[hrsame] w[eisheit] neben andern helffen,
ein kirchenordnung stellen und verfaßen, die wir nochmals
in allen iren fürnemen puncten und artickeln für christlich
und aller ding dem h. Gottes wort gemeß halten, und nach-
dem [in] der selbigen vorred gemeldt würdt, das so viel die
lehr und verstand der heyligen sacrament belanget, solle in
alweg von den kirchendienern und in der kirchen nach laut
der augspurgischen confeßion gepredigt und gehandlet wer-
den, so were unser wolmeinung, das e. e. w. nochmals ob der
selbigen ernstlichen und fleißig halten wolte. Der Brief ist
auch von Johann Lenglin unterzeichnet. Vgl. Hof-
acker, Reformation, S. 118.
55 Siehe unten, S. 468.
56 HStaatsA Stuttgart B 198 I, Bü 38, p. 97 „Copia eines

praedicanten, Michel Schmidt genannt, gethane
bekanntnus, so auf pergament geschriben und von
Thoma Hafner, kay. notarien, vidimiert ist, No. 3 C“
von 1555.
57 StadtA Ravensburg Bü 484a/2 „Memorabilia circa refor-
mationem evangelii in oppido Ravenspurg“.
58 Am Rand ist hinzugefügt: Disem zuwider sind entzwi-
schen den evangelischen etliche newe feyrtag zuhalten gebo-
ten worden. Zum Streit um die Einführung des Grego-
rianischen Kalenders in Ravensburg siehe Warm-
brunn, Konfessionen, S. 383.
59 Warmbrunn, Reformatoren, S. 187, S. 189; Köhler,
Ehegericht II, S. 335 (unter Verweis auf Günter, Bla-
rer I, Nr. 770 S. 549) nimmt an, dass die Ordnung ein
Gemeinschaftswerk von Stöckel, Marbach, Schopper
und Konstanzer war.
60 Vgl. Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 185;
Warmbrunn, Reformatoren, S. 187; Hofacker,
Reformation, S. 103, 120; Waldenmaier, Gottes-
dienstordnungen, S. 79.

462
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften