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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0516
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Ravensburg

8. Mandate zur Toleranz unter den Anhängern verschiedener Konfessionena
22. März 1555 / 17. Mai 1585
Mandat, das keiner den andern in religionssachen stumpfieren1 oder verachten soll

Zuwissen:
Nachdem biß anher auß den vexationibus und
verspottungen, so je einer dem andern fürnehmlich
in religions- und glaubenssachen geüebt und ge-
braucht, allerley widerwill, unfreundtschafft und
uneinigkeit alhie erwachsen, demselben fürterhin
zuebegegnen und zuefür komen, haben burgermei-
ster und rathe dieser statt Ravenspurg zeitlich und
wohl bedächtlich erwegen, ordnen, gebietten und
wöllen, daß alle und jede ihre burger, einwohner und
zuegewandten einandern in religions- und glaubens-
sachen, auch sonsten, mit nichten vexieren,
schumpfieren, verachten noch rechtferttigen, sonder
ein jeder den andern in trewen meinen2, auch bey

seiner religion und glauben unturbiert3 und rüewig
bleiben lassen sollen, dann welcher oder welche ein
solches uberfahren, darwider handlen und sich ange-
zogens schumpfierens und verachtens nit massen4
und endthalten, sonder ein solches über diß verpott
üben und brauchen, den- oder dieselben würdet ein
ers[amer] rath ernstlich und unableslich darumb
straffen.
Darnach |34| wiß sich jedermäniglich zue richten
und vor gefahr, schaden und nachtheil zue hüetten,
etc.
Actum den 22. Martii anno 1555

Aliud mandatum

Liebe herren.
Nachdem beede religionen, so im Heiligen Rö-
mischen Reich zuegelassen5, etlich vil jahr her alhie
zue Ravenspurg gehaltenn, auch gemeine burger-
schafft (Gott, dem herren, sey darumben lob und
danckh gesagt) in guter ruhe und fridlicher einigkeit
bey einandern gewohnt, also versicht sich ein ers.
rath dieser des Hayl[igen] Röm[ischen] Reichs statt
Ravenspurg, daß es durch göttliche verleichung
forthin auch also verbleiben solle. Dieweil aber auß
deme allerley uneinigkheit und zerrüttung erfolgen,
daß je ein theil des andern predigen (allein der mei-
nung, dieselben zue tadlen und zue verunglimpffen)

a Textvorlage (Handschrift): StadtA Ravensburg Bü
378a/3, p. 33-35.

1 Schmähen.
2 Lieben,
3 Ungestört, vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1842.

besuchen möchte, so will ein ers. rath jedermänig-
lich vermahnt haben und ist desselben ernstlicher
befelch und meinung, daß ein jedes, so die predigen
bey dem einen oder andern theil besucht, sich be-
scheidenlich und unver- |35| weislich6 verhalten,
derhalben niemandts antasten noch schmehlich oder
ärgerlich zue reden, sonder jedes das ander fridtlich
und rüewiglich bleiben lassen solle, dann welches
oder welche darwider handlen oder eins das ander,
welcherley religion es were, antasten wurde, gegen
den- oder dieselben will ein ers. rath sich mit unab-
leslicher straff der gebühr nach ernstlich erzeigen
und verhalten.

4 Mäßigen.
5 Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 hatte die An-
hänger der Confessio Augustana den Altgläubigen recht-
lich gleichgestellt. Abdruck des Textes bei Brandi, Re-
ligionsfriede, S. 32-52.
6 Untadelig.

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