Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0422
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sayn

himmlischer Vatter, daß du ihr den Geist und Ver-
stand verleyhest, deinen heimlichen Raht seliglich
anzulegen, daß sie deinen Göttlichen Befelch und
iren Beruff mit Gottseliger Ubung also volnbringen
möge, daß sie durch ihr Gewissen als ein unwirdige
Kindtpflegerin nicht gestrafft werde, sondern daß
sie in rechter Erkänntniß und wahrem Glauben deß
möge sicher seyn, daß du ihr mit diesem Creutz
unnd Schmertzen habest Ursach geben, alles, was

auff Erden ist, umb deinet willen gern zuversuchen
und dir als dem unvergenglichen Gut unnd ewigen
Schatz allein nachzudencken und anzuhangen, das
bitten wir dich durch Jesum Christum, deinen lie-
ben Sohn, unsern Herren. Amen.
Es mag auch ein Kirchendiener das Vatterunser dar-
bey sprechen unnd dann mit dem Segen beschlies-
sen, etc. Der Herr segne und behüte dich etc. |80|

Caput V.
Von der rechten Christlichen Beicht unnd privat Absolution.

Nach dem die Pfarrherrn unnd Kirchendiener das
Volck gründlich auß Gottes Wort unterrichtet, was
für ein unterscheid zwischen der Papistischen Oh-
renbeicht, darin die Leut gemartert und gezwungen
werden, alle Sünde, das unmüglich, zu erzehlen, und
der warhafftigen Christlichen Beicht sey, darin die
jugend zur bekäntniß und rechenschafft ihres Glau-
bens angehalten, jeder seines Beruffs sonderlich er-
innert, vornemlich aber die kleinmütigen, angefoch-
tenen Gewissen auß Gottes Wort in ihren besondern
anligen getröstet, Sollen sie die gantze Gemeinde
fleissig zu solcher Beicht vermahnen und anzeigen,
daß man xniemandt zum hochwirdigen Sacrament
deß Leibs und Bluts Christi zulassen werde, er habe
sich dann zuvor bey seinem ordentlichen Pastor an-
gezeigt und die privat Absolution gesuchtx
Dann ob es wol an ihm selbst ein frey ding ist |81|
umb die Beicht und demnach auß keinem Papisti-
schen zwang geschehen soll, So soll man dennoch
von wegen der Christlichen zucht unnd besonders
umb der Unverstendigen willen dieselbige nicht fal-
len lassen, sondern männiglich vermahnen, daß sie
solche lieben, dieweil der gemeine Pöffel allein umb
alter Gewohnheit willen zum heyligen Sacrament
leufft und nicht weis, was das Sacrament ist, die bil-
lich zum brauch deß heyligen Abendmals nicht zu-
gelassen sollen werden, biß sie genugsam underrich-
tet. Dann diß Sacrament unehren nicht allein die, so
x-x Aus den Generalartikeln Zeibrücken 1560, Sehling,
EKO XVIII, S. 282.
y-y Ähnlich Generalartikel Zweibrücken 1560, Sehling,
EKO XVIII, S. 282.

es unwirdig empfahen, sondern auch, die es mit Un-
fleiß unwirdigk geben.
yWie aber die Leuth zur Papistischen erzehlung der
Sünden nicht sollen gezwungen werden, also sollen
auch die Kirchendiener nicht vorwitziger weyse von
ihren Beichtkindern fragen, was ihnen nicht ge-
beichtet worden. Dann diese Beicht nicht zu einer
inquisition der heimlichen unnd verborgenen Sün-
den, sondern fürnemlich und allein zur Lehre der
unverstendigen und zum trost der angefochtenen
gewissen verordnet, darinnen die einfältigen, wo von
nöhten, unterrichtet und die ihnen selbst in irrigen
Fällen nicht rahten konnen, Trost auß Gottes Wort
erlangen unnd ihr Gewissen widerumb zu |82| Frie-
den bringen, auch nachmals das heylige Abendtmal
mit frölichem Glauben empfangen können.y
Es sollen aber die Kirchendiener die Eltern vermah-
nen, daß sie ihre Kinder und Haußgesind nicht un-
geschickt zur Beicht schicken, sondern zuvor da-
heim in Häuptstücken deß Catechismi wol unter-
richten sollen. Der Ursachen halber sollen auch die
Prediger die Lehr und Examen deß Catechismi des-
to fleissiger treiben, sonderlich aber mit Alten und
Jungen die Fragstück Lutheri, welche zum Ende sei-
nes Catechismi gesetzt und bey der Beicht sollen
gebraucht werden,92 damit ja die Unverständigen
nicht zugelassen biß sie gnugsam Rechenschafft ires
92 BSLK S. 517-519. Vielleicht sind aber auch die Luther
fälschlich zugeschriebenen Fragstücke zum heiligen
Abendmahl (aus dem Beichtbüchlein des Christoph Lasius
(VD16 L 556) gemeint).

402
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften